Gestatten, ich bin ein Buch, ein neuerschienenes, hey, ihr, wie findet ihr das, ist doch megacool oder etwa nicht?
Gedanken zum Thema Buch bezüglich der Leipziger Buchmesse, dem angeblich publikumsfreundlichen Großereignis im Frühling, wenn der erste Teil der Jahresbucherscheinungen herausgekommen ist.
Hundertausend neuerschienene Bücher gibt es jährlich im deutschen Raum, im Frühling liegen sie in Leipzig auf, im Herbst beim sehr viel größeren Bruder in Frankfurt und dann gibt es noch die winzig kleine Buch-Wien seit 2008 im Wiener Prater, vom Wiener Lesepublikum noch nicht sehr wahrgenommen und wer wird das das alles lesen?
Wer kennt ihn nicht diesen Satz? Wir, die bibliophilen Bücherblogger, Junkies oder Leser, kennen ihn wohl alle und wer liest heute noch?
Acht Bücher werden jährlich von den Deutschen gelesen und neun von Österreichern oder war es umgekehrt? Und wer machte überhaupt diese Statistik, die ich irgendwann hörte.
Ich lese inzwischen an die hundtertfünfzig jährlich und wenn ich so weitermache, werden es in diesem Jahr vielleicht hundertachtzig werden, aber ich kaufe sie mir nicht so gerne und ein Hardcover um zwanzig- bis fünfundzwanzig Euro ist mir schlicht und einfach zu teuer und ich habe es überhaupt nicht so mit der Ware Buch, die das für mich nicht ist. Für die anderen aber offenbar schon, natürlich, selbstverständlich, denn hier wird das große Geld gemacht, in den Verlagen mit den Lizenzen und den Bestsellern etc oder, wie das so heißt, denn nur das ist wichtig und alles andere ist naiv und absolut nicht State of the Art und so gab es in Ö1 auch im Diagonal zwei Stunden über Bücher, bei der die Insider ihr Wissen darüber an das kulturell interesierte Publikum, an die Radiohörer, die zum Teil auch sicher Bücherleser sind und ihre neun bis hunderfünfzig Bücher jährlich schaffen, aber soll man das überhaupt?, ist das Bücherlesen ein Leistungssport, wie Radfahren oder Marathonlaufen, weitergab und das State of the Art, das bei den ORF-Redakteuren zu finden ist, an die Öffentlichkeit verbreitete.
Und was ist darunter zu verstehen? In Zeiten, wo sich sehr viel ändern wird, ob wir es wollen oder nicht, selbstverständlich natürlich viel.
„Das Ende der Gutenberg Galaxis“, nannten es die professionellen Sendungsmacher und was verstehen die Leser und die Nichtleser darunter?
Werden hier, wie ich finde, ja sehr viele Klischees verbreitet, vom der Haptik, dem Riechen und Berühren der Bücher sprechen die einen und mir scheint, es schreiben das, die einen von den anderen ab oder plappern es nach, um dann stillheimlich doch zu ihrem Kindle zu greifen und irgendwann mehr oder weniger verschämt zu bekennen „Ich habe es getan und einen E-Buchreader erworben, aber ich verwende ihn nur für meine Reisen, wo ich alle meine Bücher im Rucksack mitnehmen und nichts schleppen muß oder für das wissenschaftliche Arbeiten!“
Für die Uni ist das E-Book gut, aber sonst verbleibe ich beim guten alten Buch und werde darin lesen, auch wenn ich längst, in Zeiten wie diesen, in Zeiten der Generation Praktikum und des Prekariats keine Zeit mehr dafür habe, dann räumen, wie ich in der Sendung hören konnte, die Bobos in der Josefstadt oder vielleicht auch in der Gemeindewohnung in Wien-Favoriten ihre Wohnungen aus, schmeißen die Bücherregale auf den Müll und tragen ihre Bücher, hoffentlich zu den Bücherschränken, wo ich sie dann finden werde.
Weil ich soviel von dort nach Hause trage, habe ich mir vor zwei Jahren zum dritten Mal ein Humboldt-Regal von der grünen Erde gekauft und vor einigen Wochen von dort einen Brief bekommen, daß sie die Produktion desselben aufgeben werden, wenn ich meinen Bestand erweitern will, soll ich das, bitte sehr schnell tun, weil es sonst nur mehr in einer individuellen teuren Sonderanfertigung möglich ist.
„Schade und warum?“, hat der Alfred gefragt. Jetzt weiß ich die Antwort, Ö1 hat sie mir verraten und IKEA war womöglich wieder schneller und fertig seine Billies inzwischen auch schon breiter an, für die Bildbände und die Kafeesevices, den E-Bookreader mit der gesamten Bibliothek, kann man dann auch irgendwo dazu legen und während noch alle schreien „Mit uns nie, denn wir wollen greifen, riechen, tasten!“, hat sich die Möbelindustrie offenbar inzwischen still und heimlich umgestellt.
Mit mir nie, ich habe etwa siebentausend Bücher verteilt auf zwei Wohnungen und solange die Bobos ihre Bestände ausleeren, werden es wohl mehr und dann bin ich wahrscheinlich ohnehin schon gestorben oder sehbehindert und kann dem Ende der Gutenberg-Galaxis also ganz gelassen entgegensehen.
Die Frage, wer soll das alles lesen, interessiert mich aber schon ein bißchen, vor allem, wenn man, wie ich es zunehmend tue, sich viel in der Welt der Bücherblogger herumtreibt und die lesen nur das Neueste, den neuen Michael Köhlmeier, die neue Sophie Kinsella, die neue Doris Knecht und und und.
In der ersten Woche wird der Umsatz gemacht, habe ich in der Sendung Diagonal von der Deuticke-Chefin Martina Schmidt erfahren. Es gibt Sperrfristen, bevor man ein Rezensionsexemplar nicht besprechen darf und wenn die um ist, ist schon alles gelaufen und das Geschäft gemacht oder nicht und dann gibt es in Österreich und Deutschland ja die Buchpreisbindung.
Das heißt, ein Buch kostet überall und immer gleich, bevor es in den Ramschkisten landet und dort von mir, wenn möglich um einen oder zwei Euro herausgezogen wird, die Autoren schauen dann pikiert, wenn ich ihnen davon erzähle und wenn ich dann darüber blogge, daß ich 2013 einen Otto Friedlaender bespreche, den ich 2011 aus dem Wortschatz gezogen habe, erscheine ich wahrscheinlich ein bißchen jenseitig und so komme ich zu der Frage zurück, wie lange darf man die Bücher lesen und haben sie ein Ablaufdatum?
Was waren die Neuerscheinungen von 2012, 2011 und 2010 hat in der Sendung jemand den Kritiker und ehemaligen Jung-und Jung Mitarbeiter Paul Jandl, der, der einmal von Robert Menasse sehr zusammengeschissen wurde, gefragt und er hat gestockt und etwas von Clemens Setz, Wolfgang Herrndorf und ich weiß nicht so recht und man vergißt so viel, herausgestottert und ich mit ihm. Im Augenblick war ich genauso überfordert, obwohl ich seit Sommer 2008 ja alles penibel genau blogge und ist mir außer Cornelia Travnicek und Milena Michiko Flasar, meinen beiden Lieblingen nicht viel eingefallen, von der Flasar habe ich vor ein paar Wochen „Okasaan meine unbekannte Mutter“ ihr zweites, noch bei Residenz erschienenes Buch, herausgezogen, darf man das noch lesen, habe ich gefragt und tue es natürlich, selbstverständlich keine Frage.
Alles, was ich finde oder leider doch nur maximal zweihundert pro Jahr, weil mehr als Lesekompetenz auch von erfahrenen Viellesern und Büchernjunkies ja nicht möglich ist.
Wieviel Prozent der erschienenen Bücher werden also gelesen?, lautet die nächste Frage, die mich wirklich interessiert und weil ich ja auch ein bißchen Sammlerin bin, schleppe ich viel nach Hause ohne es zu lesen und vermute, daß es vielen Büchern ähnlich geht, ähnlich gehen muß, denn wenn der durchschnittliche Österreicher acht bis neun Bücher liest und vielleicht liegt die aktuelle Zahl schon viel niedriger, kann man sich ja ausrechnen, was ungelesen in den Regalen bleibt, bis es sich in den Bücherschränken und von so unkonventionell-semiprofessionellen Typen, wie mir herausgezogen, gelesen und besprochen werden?
Eine Zahl, die die Autoren nicht hören wollen und sie wahrscheinlich gleich verdrängen und jetzt interessiert mich natürlich noch, wieviel lesen professionelle Bücherkritiker, wie Katja Gassner oder Cornelius Hell beispielsweise und wie schnell vergessen sie das Gelesene dann?
Meine Erfahrung ist da sehr viel und schnell, denn wenn ich einmal eine Frage, abseits des Mainstreams hatte, wie ist das mit Lilly Brett, der Fliegenfängerfabrik oder der Herta Staub beispielsweise, habe ich den Kritiker, die Kritikerin schnell am falschen Fuß erwischt, obwohl ich auf Anhieb auch nicht sagen konnte, was die Verkaufserfolge von 2009 oder 2010 waren, aber natürlich zugreife, wenn ich auf einen Flohmarkt die Rezensionsexemplare von Richard Obermayrs „Fenster“, Judith Zanders „Dinge, die wir heute sagen“, Olga Martynovas „Sogar Papageien überleben uns“ oder Alina Bronskys „Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche“ finde.
Haben Bücher ein Ablaufdatum? Natürlich haben sie es und sollten es eigentlich nicht. Die Ware Buch hat, in der ersten Woche weiß ich, es wird ein Flop oder nicht, sagte Martina Schmidt. Ich weiß das erst, wenn ich das Buch gelesen habe und das dauert sogar bei einer literarischen Außenseiterin, wie mir, die sich ja sehr wertschätzend für sehr viel interessiert, inzwischen schon sehr lange, die das Buch nicht als Ware sieht, damit manchmal aneckt, aber versteht, daß sehr viele Leute schreiben wollen und dann offenbar immer weniger Zeit zum Lesen haben, obwohl sie das natürlich nicht zugeben werden, aber mit hundertfünfzig gelesenen Büchern im Jahr, stehe ich schon ziemlich an der nichtprofessionellen Leserspitze und das ist ja noch immer nur ein winziger Teil der Bücherberge, die jetzt in Leipzig ausgebreitet sind, was ich diesmal nur durch das Netz und das blaue Sofa verfolge, mich aber natürlich interessiert und ich bin eine, die den neuen Veränderungen ja sehr offen und wertschätzend gegenübersteht.
Natürlich wird sich was verändern und nein, einen Kindle werde ich mir nicht kaufen und auch keine Bücher um fünfundzwanzig Euro, weil mir die schlicht und einfach zu teuer sind. Dafür lese ich sehr viel, die, die ich umsonst oder um einen Euro bekomme und schreibe auch so, an die drei pro Jahr und gebe sie selbst heraus, weil ich bisher koch keinen Verlag als Geschäft aufgefallen bin, schreibe, blogge, lese, verstehe wahrscheinlich schon sehr viel davon und bin immer noch an der Nichtware Buch interessiert und dem Ende der Gutenberg Galaxis stehe ich abwartend gegenüber, weil ich bis an mein Lebensende noch genug Ungelesenes auf meinen Bücherlisten habe, weil ich es nicht zusammenbringe, an den Bücherschränken, wo die Bobos derzeit ihre Druckwerke entsorgen sollen, vorüberzugehen und dem E-Book gegenüber bin ich eigentlich sehr aufgeschlossen, obwohl ich mir keinen Kindle kaufe und meine Bücher auch nicht auf Amazon, obwohl ich diese Selbstpublishleiste sehr toll und fortschrittlich finde, stelle, sondern mich mit meinen Blog und meinen Gewinnspielen begnügen werde und da kann ich gleich verkünden, daß ich mit dem „Nanowrimonovel“, fertig geworden bin, es also mit dem Beschreibungstext und einer Bücherliste an den Alfred zur PDF-Erstellung übersandte. Ein Coverfoto müssen wir noch machen und hoffe, daß auch „Kerstins Achterl“ bald an die Druckerei gehen wird, das Gewinnspiel mit den dreißig Fragen über meine dreißig Bücher wartet und da bin ich neugierig, wieviele Leser sich daraufhin melden und die Frage, wie oft die Ware Buch egal, ob im E-Buchreader oder gedruckter Form gelesen wird, habe ich ebenfalls nicht beantwortet.
Finde es aber nach wie vor schön, daß soviel Leute schreiben und interessiere mich dafür. Tue was ich kann, die ungelesenen Bücher zu gelesenen zu machen, obwohl ich das natürlich ebenfalls nicht schaffen werde.
Und bezüglich Bücherschränke sind jetzt auch noch recht verwirrende Meldungen auf mich zugekommen. Hat es Frank Gassner mit den Politikern, die ihm für seine Ideen keine Subeventionen geben, dafür die Schränke aber in schöner Regelmäßigkeit abkupfern und sich davor fotografieren lassen, recht schwer. So kam ja vorige Woche recht überraschend die Meldung es gäbe in der Josefstadt einen von ihn errichteten und gebauten Schrank mit fünf irgendwie recht seltsam wirkenden Fotos davor, aber das ist mir erst später aufgefallen. Zuerst habe ich ihm „Fein!“, gemailt, bin nach der Wien-Bibliothek hingegangen, einen „Bodo Hell“ herausgezogen und gedacht, der sieht ein bißchen weniger stabiler, wie der in der Neubaugasse aus und dann nicht weiter darüber nachgedacht, mir ist es ja egal wer die Schränke baut, in die mir die Bobos ihre Schätze geben und wundere mich immer nur ein bißchen, daß das so kompliziert und teuer ist. Am Mittwoch kam dann ein weiteres Mail, ales Fake und Fotokopie und das ganze war nur eine Aktion um auf die Mißstände hinzuweisen, also schade, daß die Stadt Wien die Schränke nicht subventioniert und wie man sieht, hat das Urheberrecht bzw. seine Umgehung auch hier
seine Dimension.
Ungelesen
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