Literaturgefluester

63,69

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Am Donnerstag habe ich eine Karte bekommen „63.69“, steht darauf und auf der Rückseite, „daß die durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Autoren und Autorinnen im Augenblick bei 63,69 Jahren, also deutlich unter jeder der Gesamtbevölkerung liegt, die bei Männern 75,5, bei Frauen 81,5 Jahre beträgt…“
Bei Christiane Zintzen hatte ich beim Surfen, vorher schon gefunden, das der 1953 geborene experimentelle Autor Bernhard Kathan, von dem ich, glaube ich, schon etwas gehört oder gelesen habe, diese provozierende Ziffer zur Diskussion stellt.
Da denkt man natürlich sogleich an die IG Autoren und an diversen Studien zur sozialen Situation der Autoren, die ja nicht sehr gut ist. In diesem Falle scheint es sich aber mehr um eine Kunstauktion zu handeln und wenn man auf die angegebene Webadresse geht, ein Stückchen weiter oben ist übrigens die Nummer 140 oder 240 neben der Zahl tausend angegeben, offensichtlich haben soviele Leute, diese Karte bekommen, kommt man auf das „Hiddenmuseum“, das Bernhard Kathan seit 1990 als Direktor und Kurator betreibt und da kann man lesen, das er, die Liste der verstorbenen Mitglieder der GAV hergenommen hat und damit zu dieser Zahl gekommen ist, was ich sehr interessant finde, denn dann wäre es bei mir und Bernhard Kathan schon in vier Jahren soweit und ich wäre mit meiner Leseliste, bei der ich gerade über die Beschränkung nachdenke, schon darüber.
Interessant ist auch, daß ich, als ich meinen dreiunddreißigsten Geburtstag hatte, mir vorgestellt habe, daß ich sechsundsechzig, also noch einmal so alt werden könnte oder wollte. Inzwischen habe ich mich auch mit den durchschnittlichen Lebenserwartungszahlen beschäftigt und da bin ich von einer, die bei dreiundachtzig liegt, ausgegangen und mich an dieser orientiert.
Die durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Autoren liegt aber nach Bernhard Kathan darunter. Das allgemeine Klischee oder das Vorurteil, das man dabei hat, ist wohl, daß Autoren im allgemeinen vielleicht nicht sehr gut mit sich umgehen, also sich vielleicht öfter als die Normalbevölkerung umbringt oder sich zu Tode sauft.
Der Krebs ist auch eine Krankheit an der man früher als der Durchschnitt sterben kann und das ist glaube ich in den letzten Jahren auch Heidi Pataki und Gerhard Kofler so passiert. Franz Hütterer ist an einer Lungenentzündung gestorben und war jünger als ich und meine Schulfreundin Edith Brocza, die nicht geschrieben hat, an einem Hirntumor.
Bernhard Kathan findet diese Zahlen auch in seinen Berechnungen wieder, spricht davon, daß man „die Todesfälle gehäuft zwischen vierzig und fünfundvierzig findet“, da wären vielleicht die Selbstmorde dabei und Herta Kräftner, die kein GAV Mitglied war, hat sich mit dreiundzwanzig umgebracht, Paula Köhlmeier, deren Buch ich demnächst lesen werde, verunglückte mit Einundzwanzig bei einem Spaziergang oder Bergtour tödlich, waren also noch viel jünger.
Dann spricht Kathan von einer Häufung zwischen „56 und 67“, da würde ich die Krebsfälle vermuten und dem „76 und 85 Lebensjahr“, da wären wir schon bei der Allgemeinstatistik bzw. bei den normalen Todesfällen.
„Wer es bis zum 67. LA geschafft hat gute Chancen zehn oder noch mehr Jahre zu leben“, schreibt Bernhard Kathan weiter und da gibt es auch sehr viele Autoren, bzw. werden ja auch heuer runde Geburtstage gefeiert.
Josef Winkler wurde sechzig, liegt also unter Kathans provokanter Ziffer. Bodo Hell feierte am fünfzehnten März seinen siebzigsten Geburtstag. Julian Schutting war im Oktober 75, Friederike Mayröcker und Ilse Aichinger sind noch viel älter.
Man kann also, wie man sieht auch die Autoren nicht auf einen Haufen schmeissen, obwohl es wahrscheinlich stimmt, daß sie riskanter leben, sich mehr verausgaben, vielleicht nicht so gut auf sich schauen und die sozialen Bedingungen, da wären wir wieder bei den IG Autoren und den Sozialstudien, die es ja ebenfalls gibt, sind auch nicht sehr gut. Da lebt der Durchschnittsautor wahrscheinlich unter und am Existenzminimum oder mit der Hand in den Mund.
Bernhard Kathan, der offensichtlich öfter solche provokante Aktionen macht, kommt dann noch zur Pensionsversicherung und meint vielleicht ein bißchen zynisch „liegt die durchschnittliche Lebenserwartung wie in unserem Beispiel unter dem gesetzlichen festgelegten Pensionsantritt von 65 Jahren, dann kann die Finanzierung der Pension kein großes Problem sein.“
Dabei hat er wahrscheinlich vergessen, daß der durchschnittliche Autor ja ohnehin Schwierigkeiten mit der Künstlersozialversicherung hat und wenn überhaupt eher eine Mindestpension bekommt, bzw. von der Literarmechana unterstützt wird.
Möglicherweise provoziert, verärgert, ect eine Aktion, wie diese manche, ich finde, da ich mich schon sehr lange sowohl von meiner psychologischen Seite in Sterbeseminaren, Supervisionen oder Krisensitzungen, als auch in meinem Schreiben mit dem Sterben und Älterwerden beschäftige, interessant, werde mich jetzt noch mehr bemühen meine Leselisten einzudämmen, so daß ich spätestens 2023 oder leicht darüber auf Gleichstand bin und natürlich auch auf meine Lebensqualität schauen, was ich aber ohnehin, trotz des Grundfrustes literarisch nicht so aufzufallen, wie ich es gerne täte, schon tue und wenn man von der Situation der Autoren auf das allgemeine Sozialbarometer schaut, so ist das in Krisenzeiten, wie diesen auch nicht gerade rosig, wenn man hört, daß in Spanien, Griechenland, Portugal etc, schon jeder zweite, dritte oder vierte Jugendliche ohne Arbeit ist und in Zypern die Banken von der Polizei geschützt werden, damit sie nicht von denen, die sich ihr Geld abholen wollen, gestürmt werden.
Die neue und die alte Armut ist in aller Munde,die Hilfsorganisationen erzählen auf ihren Bittbriefen Geschichten, von denen, die sich nur mehr pro Tag ein Salzstangerl leisten können und die Sozialversicherung plante in Linz die guten Hüftprotesen nur mehr an fünf Prozent der Bevölkerung auszugeben, was einen Proteststurm auslöste und schließlich zu Dementi führte, aber zeigt, daß die Zeiten in denen wir leben, trotz allgemeinen Wohlstands nicht sehr rosig sind, so daß es sich vielleicht lohnt, über Aktionen, wie diese nachzudenken, auch wenn ich in der glücklichen Lage bin, das anhand meiner Bücherliste zu tun.
Über Helmut Eisendle, der auch recht jung gestorben bin, habe ich für einen der Osterspaziergänge eine Text geschrieben und auf dem Kofler Begräbnis, auf dem der Heidi Pataki, der Elfriede Gerstl und dem von Andreas Okopenko bin ich gewesen, da entscheide ich ziemlich spontan, wie persönlich meine Beziehung zu dem Verstorbenen war, zu Andreas Okopenko, bin ich, glaube ich, gegangen, weil ich mir den Tag für einen Wien Spaziergang reserviert hatte, ein persönliche Beziehung hatte ich zu ihm nicht.

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