Diesen, bei Otto Müller, erschienenen Roman von Marlen Schachinger, habe ich vorige Woche bei den Empfehlungen zur ORF-Bestenliste gefunden und war fasziniert, denn Romane über den Literaturbetrieb interessieren mich ja sehr, habe schon einige geschrieben und immer zu hören bekommen, daß man das nicht soll, weil das niemanden interessiert, was ich eigentlich nicht glaube und die 1970 in OÖ geborene Marlen Schachinger ist mir auch bekannt.
2000 ist ihr erster Roman „morgen vielleicht“, in Ruth Aspöcks Edition herausgekommen, da habe ich sie auch kennengelernt und wir haben Bücher mit einander getauscht. Später haben wir uns eine Zeitlang in der „Frauen lesen Frauen“- Gruppe des ersten Wiener Lesetheater getroffen und auch ein paarmal bei dieser Frauenlesung in der Galerie Heinrich zusammen gelesen. Eine Lesung bei Radio Orange haben wir auch einmal gemeinsam gehabt. Da ist mir Marlen Schachingers poetischer lyrischer Ton aufgefallen. Zur ersten „Mittleren“ Lesung, die noch im Literaturhaus stattgefunden hat, habe ich sie eingeladen und sie später einmal bei der „Hausdurchsuchung“-Lesung in der Hauptbücherei getroffen, wo sie mit einem Tonband hantierte und die Lesung aufgenommen hat. Dann referierte sie im Literaturhaus bei einer Schreibveranstaltung, ich war auch bei dem Vortrag in Gallizinstraße, wo sie an einem Lehrgang für Schreibpädagogik mitarbeitete, jetzt hat sie, entnahm ich dem Buch und ihrer Website ihr eigenes Institut für narrative Kunst, hat eine Dissertation geschrieben und einen Roman über den Literaturbetrieb, der ihr Indiserwissen bekanntgibt und ganz anders ist, als ich mir erwartet habe. Reißerischer und weniger poetischer, als ihre letzten Texte vielleicht, aber für eine, die sich ja ebenfalls sehr für den Literaturbetrieb interessiert und sich dort viel herumtreibt, sehr interessant.
„Alles ist Lug und Trug, ist Täuschung und Traum, ist nicht das, was es scheint“, lautet eines der Motti, von Nikolaus Gogol und das geht es gleich in medias res und zu dem Bestsellerautor Mario Kamov dessen Lebensgrundsatz „Klug geflunkert ist halb gewonnen“ lautet. Der schlägt eine Zeitung auf in der „Kein Gericht der Welt würde mich schuldig sprechen, und dennoch trage ich die Verantwortung für Luca H.s Tod“ steht.“
Deshalb schreibt er auch einen Beichtroman, das heißt er schickt seine Berichte an eine Internetbeichtseite ab, die ihm dann Vergebung bzw. Betaufträge sendet. So kommen wir in das Geschehen hinein. Mario ist ein Schulabbrecher, auch seine Buchhandelslehren hat er hingeschmissen und so ist er in jugendlichen Jahren mit zwei Freunden in einen Verlag eingebrochen und hat außer einer Kaffeemaschine auch eine Tasche mit abgelehnten, unverlangt eingesandten Manuskripten mitgenommen. So etwas Ähnliches hatte ich auch schon einmal. Unser Held schreibt sie um und wird zum Bestseller, zum „U“ nicht zum „E“, was ja nicht für die Karriere gut ist, trotzdem nimmt er eine Poetik-Vorlesung an, das heißt er wird Lehrer in einem Wiener Universitätsinstitut für Sprachkunst, was meiner Meinung nach zwar nicht dasselbe ist, aber hier lernt er Luca kennen und das ist der Sohn einer Verfasserin eines der Manuskripte und der hält ihm das Manus entgegen.
„Aha!“, denkt man und „Eh schon wissen!“
Aber jetzt fängt es erst an und entwickelt sich rasant in eine ganz andere Richtung, eigentlich in viele Richtungen weiter. Zuerst ist es Ostern und Mario braust mit seinem Motorrad nach Salzburg, wo die Mutter lebt, verfolgt sie ins Bett und nimmt mit ihr aus dem Hotel, wo der Beischlaf stattfindet, sämtliche Badeprodukte mit, was ich eigentlich auch immer tue. Dann fährt der Schalträger noch nach Venedig und liest dort Thomas Manns berühmte Erzählung. Inzwischen ruft der Verlag an und schlägt ihm ein Mentorprogramm vor. Mario wählt Luca und nicht die begabte Lisa, deren Arme Schnittspuren tragen und die auch schlecht liest, dafür aus und Luca, der für Proust und Thomas Bernhard schwärmt, lädt Mario zum Essen ein, der sein Mail aber nicht bekommt und zur gemeinsamen Lesung ins Literaturhaus erscheint er stark geschminkt. Der Verlag will ihm einen Platz im Herbstprogramm reservieren, ein Bachmannjuror ihn dort lesen lassen. Mario lehnt ab, sein Schützling ist noch nicht so weit, schlägt stattdessen sein eigenes Werk vor und Luca soll stattdessen in „Germany next Bestseller“- Show auftreten. Da magert er stark ab, wird hinausgeworfen, vorher ist er Mario noch bös, weil er vom Beischlaf mit seiner Mutter erfuhr, blamiert ihn bei einer Preisverleihung und seine Schreibmaskottchen stiieht er ihm auch, Marlen Schachinger läßt nichts aus, was Mario immer zu eigenen Texten anregt. Am Ende bekommt Marios Mutter ein tolles Manuskript von Luca, der sich umbrachte, war ja seine Motivation im Schreibinstitut „einen einzigen genialen Roman zu schreiben und dann abzutreten“, der Verlag bringt es groß heraus, es steht aber trotzdem ein paar Wochen weniger lang auf der Bestsellerliste, als das Werk Marios, so daß der gewonnen hat und wenn man jetzt wieder „Eh schon wissen!“, denkt, hat man sich noch einmal geirrt, denn noch ist es nicht aus und das Flunkern der Großmeister geht weiter, denn daran schließen sich noch zwei Kapitel, wo es einen anderen Schluß zu lesen gibt.
Das Ganze ist in siebenunddreißig Kapiteln und zwei Perspektiven geschrieben, in der Marios als Ich-Erzähler und in der von Lucas und man erfährt viel vom Literaturbetrieb, Marcel Proust, Mario Vargas Llosa , Thomas Mann, Thomas Bernhard etc, was ich sehr interessant finde und nur etwas bedauere, daß die Feministin Marlen Schachinger, die ja auch ein Buch über Herta Firnberg geschrieben hat und frauenspezifische Stadtspaziergänge macht, das Ganze so männlich und homoerotisch schildert. Sämtliche Vorbilder der Literaturgeschichte sind Männer, wo bleiben da Virginia Woolf, die Bachmann und die Jelinek? Aber dann wäre es vielleicht nicht so erotisch geworden und vielleicht auch nicht so boshaft, wenn eine Frau das Manuskript gestohlen und geflunkert hätte.
Interessant also, auch wenn mir einiges schon bekannt war, habe ich ja auch Milena Mosers „Möchtegern“ gelesen, wo auch so eine Schreibshow beschrieben wird und krebse seit vierzig Jahren im Literaturbetrieb, wenn auch auf der anderen, auf der Verliererseite, wie Mario vielleicht sagen würde, herum und bezüglich Marlen Schachinger ist interessant, daß inzwischen noch ein anderer Roman von ihr erschienen ist, der am 14. Mai in Lhotzkys Literaurbuffet vorgestellt wird, eine höchst umtriebige Autorin also, die sich von der Kleinstverlagschiene in die mittlere Verlagswelt hinaufgearbeitet hat, was sicher nicht so einfach ist, der ich einen Platz auf der ORF-Bestenliste wünsche und auch ihren Krimi „Der Unschuld Verlust“, gelesen und für „Thalia“ besprochen habe. Den Erzählband „Störung“, habe ich ebenfalls in meinen Regalen stehen.
denn ihre Werke folgen ihnen nach
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