Da ich ja noch eine gute Woche Zeit für meine Stadtschreiberberichte habe, bin ich heute Nachmittag wieder mit dem Rad bis zur Traisenbrücke gefahren, von der ich zur Wienerstraße komme. Der Dreck von der Freqency war zum größten Teil schon weggeräumt. Es lagen aber noch die blauen Müllsäcke herum und ein paar Zelte und übergebliebene Sesseln waren auch zu sehen. Danach die Linzer Straße hinunter und die Brücke über den Alpenbahnhof hinauf bis man zum Stadtwald kommt. Das bin ich mit dem Stadtplan in der Hand und einigen Nachfragen ja schon vor vier Jahren gegangen, als ich auch schon Sommerfrische-Stadtrecherchen machte und den Residenzverlag suchte, den ich beinahe nicht gefunden habe und schon bei der Müllabfuhr angekommen war, bis ich das NÖ-Pressehaus entdeckte. Der damalige Leiter Herwig Bitsche hat mir dann einen Kommentar geschrieben und mich eingeladen, doch das nächste Mal hinaufzukommen, was ich das Jahr darauf auch machte.
Herwig Bitsche hat den „Residenz-Verlag“ inzwischen verlassen, ich beziehe aber regelmäßig „Residenz-Bücher“ und bekomme auch die Frühjahrs- und Herbstvorschauen, so daß ich mir immer etwas aussuchen kann und da gibt es sehr viel Interessantes. Gerade habe ich zwei Herbstneuerscheinungen besprochen und ein drittes wartet in Wien noch auf dem Badezimmerstoß auf mich, so daß ich mir dachte, daß ich nachdem mein heuriger Sommerfrische-Sommer in die Endphase müdet und ich, da das Rohkonzept der „Dreizehn Kapiteln“ auch schon fertig ist, mich wieder an ein paar Stastschreiberartikeln machen kann.
Und ich wollte ja wieder einmal zum „Residenz-Verlag“ hinaufwandern, beziehungsweise ein bißchen in den vielen Büchern schmökern, die ich in den letzten Jahren gelesen habe und darüber schreiben, denn der „Residenz-Verlag“, der mich ja in den Siebzigerjahren, als ich zu schreiben begann und regelmäßig meine Texte nach Salzburg zu Jochen Jung schickte und von dort wieder zurückbekam, war und ist ja sehr wichtig für mich.
In den Siebzigerjahren war er der österreichische Verlag, der Handke, Bernhard, Frischmuth, Schutting Jonke, etc, druckte, bevor die Autoren so berühmt wurden, daß sie zu Suhrkamp etc abwanderten.
Dann kam die Krise so um die Jahrtausendwende. Jochen Jung wurde hinausgeschmissen und hat seinen „Jung und Jung Verlag“ gegründet, mit dem er inzwischen einen Buchpreis nach dem anderen gewinnt und ich gerade dabei bin herauszufinden, ob er es diesmal mit der Nellja Veremej oder der Dagmar Leupold schafft, wenn nicht vielleicht doch Clemens Meyer oder Thomas Glavinic gewinnt. Er schreibt auch selber und verlegt bei Haymon.
„Wolkenherz“ war vor einem Jahr das erste E-Buch, das ich gelesen habe und der „Residenz-Verlag“ dessen Krise Gerhard Ruiss einmal vor Jahren bei einer GV-der IG Autoren sehr bedauerte, hat sich inzwischen wieder gefangen, verlegt junge Autoren wie Milena Michiko Flasar, die dann zu Wagenbach abgewandert und den dritten Alpha-Literaturpreis gewann, von dem ich leider nicht hautnah berichten konnte. Dafür habe ich „Okasan, meine unbekannte Mutter“ im Februar als ich bei der GV-der IG Autoren war, im offenen Bücherschrank in der Zieglergasse gefunden und werde es demnächst lesen.
Als ich vor drei Jahren beim „Residenz-Verlag“ war, hat mir Herwig Bitsche Marketa Pilatovas „Wir müssen uns irgenwie ähnlich sein“ gegeben, die ich dann im vorigen November mit einem neuen Buch anläßlich der Buch-Wien im tschechischen Kulturinstitut hörte.
Bei der Buch-Wien 2010 hat mir Herwig Bitsche noch Angelika Reizters „unter uns“ und Dan Lungus „Wie man eine Frau vergißt“ gegeben. Also osteuropäische und junge österreichische Autoren und dabei gab es einige Neuentdeckungen wie Marjana Gaponekos „Annuschka Blume“, das ich mir im Februar beim „Morawa“ um zwei Euro kaufte oder Roman Marchels „Kickboxen mit Lu“, aber auch die bewährten „Residenz-Autoren“ wie Peter Henisch mit „Großes Finale für Novak“ oder Peter Rosei mit seiner „Geld“-bzw. „Madame Stern“-Trilogie, wo glaube ich, noch ein Band kommen soll. Da habe ich jetzt Michaela Falkner mit „Du blutest du blutest“ vergessen, die im Literaturhaus eine sehr eindrucksvolle Lesung hatte. Dabei hat es glaube ich Kognac und Schokoladekuchen gegeben und die Autorin, hat mir „Für das Literaturgeflüster“ in das Buch signiert und natürlich, um wieder zu den älteren Autoren zurückzukommen, die aber glaube ich, nicht im alten „Residenz“ verlegte, Evelyn Grill von der ich das „Antwerperner Testament“ und dieses Frühling den „Sohn des Knochenzählers“ gelesen habe.
Im Vorjahr ist ein neues Buch von Kurt Palm herausgekommen „Der Besucher“ und eines von Manfred Wieninger, mit dem er, wie ich der heurigen Residenz-Vorschau entnahm, den Theodor Kramer-Preis gewonnen hat. Konstantin Kaiser hat das aber, glaube ich, noch nicht bekanntgegeben. Ja und im vorigen Jahr ist auch noch der erste Roman einer sehr jungen Autorin, nämlich Anna Weidenholzers „Der Winter tut den Fischen gut“ herausgekommen, mit dem sie heuer für den Leipziger Buch-Preis nominiert wurde und im Oktober den Priessnitz-Preis bekommen wird.
Der „Residenz-Verlag“ hat es also wieder geschafft und ist in aller Munde, nur leider heuer nicht in Frankfurt für die Longlist nominiert. Das war er aber 2009 mit Clemens J. Setz „Frequenzen“, der ja inzwischen auch zur Suhrkamp abgewandert ist und jetzt habe ich vor kurzem Julian Schuttings neues Buch gelesen, das mich im Cover sehr an die alten Residenz-Bücher erinnert hat. Von Alois Brandtstädter soll noch ein Buch über einen historischen Kriminalfall Ende August erscheinen und da liegt ja noch das ganz alte „Zu Lsten der Briefträger“, 1974, in zweiter Auflage erschienen, auf meinen Harlander Bücherstapel und steht irgenwo auf meiner Leseliste.
Von Ilija Trojanov, von dem es vor kurzem eine Diogonal-Wiederholung in Ö1 gab, hat einen neuen Essay Band und von Barbara Frischmuth auch eine sehr alte „Residenz-Autorin“ von der ich einige sehr schöne Bücher in meinen Regalen habe, ist ein neuer Erzählband „Bindungen“ herausgekommen, von dem ich nicht ganz sicher bin, ob das nicht auch eine Neuauflage ist.
Spannend, spannend also, die alten oder auch die neuen „Residenz-Bücher“ zu lesen. Am besten ist wahrscheinlich eine Mischung und man kann auch die von „Jung und Jung“ dazu kombinieren und es war auch wieder spannend an den Rand von St. Pölten hinauszuwandern.
Wieder ein paar Kriecherln von dem Baum bei der Bushaltestelle einzusammeln und wieder das Schild, das „Betriebsfremden der Zutritt verboten ist,“, daß es, trotz Herwig Bitsches Einwand, noch immer gibt, zu lesen. Dann bin ich diesmal durch den Stadtwald zurückgewandert. Da fand ja einmal 2007 oder 2008 wahrscheinlich der Osterspaziergang der LitGEs statt und dann bin ich noch kurz in den „Thalia hineingegangen und habe nachgeschaut, was sich so auf den Bücherstapeln tut und ob es einen mit den Longlist-Büchern gibt.
Gab es nicht in dieser Art, aber einige davon sind wohl aufgelegen und Roman Marchels „Wir sind da“ und Julian Schuttings „Blickrichtungen“ habe ich auch entdeckt und dann habe ich heute, bzw. schon gestern noch eine andere interessante Entdeckung gemacht.
Gab es ja gestern in „Von Tag zu Tag“ eine Sendung über das Buchhändlersterben. Steglitz Mind hat da ja auch eine Serien, wo sie verschiedene Buchhändler interviewt, von der ich schon berichtet habe.
In Ö1 traten Anna Jeller von der berühmten Buchhandlung in der Margaretenstraße und Ulla Remmer von der Buchhandlung „Leo“ im ersten Bezirk, die ich nicht kenne, auf und stellten die Aktion „Ihr Buch hat ein Gesicht“, das Pendant zur Buy Local-Bewegung vor, bzw. gaben sie ihre Betrachtungen zum Sterben der kleinen Buchhandlungen ab. Was ja sehr interessant ist, da die Bücher durch die österreichische Buchpreisbindung, wenn sie nicht gerade abverkauft werden, überall das Gleiche kosten, die Leute inzwischen durch das Internet offenbar sehr gut informiert sind, also nicht mehr wirklich die kleine Buchhandlung brauchen, wo man das meiste auch bestellen muß.
Ich bin in Anschluß auf Anna Jellers Facebookseite gegangen und habe sie sehr interessant gefunden, wenn mir, ich kann es offenbar nicht lassen, auch zwei kleine Fehler aufgefallen sind. So ist Arno Geigers „Der alte König in seinem Exil“ glaube ich, kein Roman, sondern ein Bericht über seinen demenzkranken Vater und Zdenka Becker wohnt nicht in Wien, sondern in einem Stadteil von St. Pölten.
Aber sonst bekommt man auf dieser Seite wirklich sehr viele Informationen und kann sich auch durch die Bücherstapeln in der schönen alten Buchhandlung schauen, an der ich sehr oft vorübergehe, wenn ich von der „Alten Schmiede“ oder sonst vom ersten Bezirk komme.
Einmal habe ich am Abend gesehen, daß es da eine Veranstaltung gab, bin hineingegangen und hinausgeflogen, weil es offenbar eine private war. Ich gehe auch zum Kaufen nicht sehr oft hinein, der Alfred besorgt aber die Bücher, die er mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag schenkt von ihr, so daß ich doch eine indirekte Stammkundin bin und die Geschichte, daß sie die Bücher für ihre Kunden vorsortiert, hat mich an ein Erlebnis erinnert, das ich mit cirka zwölf oder dreizehn Jahren hatte, als ich kurz Kundin bei den „Städtischen Büchereien“ war, nämlich, daß mir die Bibliothekarin dort einen zweiten Krimi verweigerte und mich mit einer Grillparzer-Gesamtausgabe nach Hause schickte.
So viel vielleicht zur Vorauswahl und zur Beratung, die ja die Domäne der Buchhändler ist. Es ist aber, denke ich, nicht so leicht zu entscheiden, was nun ein gutes Buch ist, wenn man an Michael Köhlmeiers Eröffnungsrede beim diesjährigen Bachmannpreis denkt, wo er an die Fauser-Lesung vor zig Jahren erinnert, wo Jörg Fauser bei den Juroren als kitschig und unliterarisch durchgefallen ist, weiß ich gar nicht, ob ich soviel Beratung des Buchhändlers, die ja eine subjektive sein wird, brauche. Aber natürlich sind die kleinen Buchhandlungen wichtig, auch wenn ich dort, weil mir die preisgebundenen Bücher zu teuer sind, nur aus den Abverkaufskisten kaufe und daher für die Händler kein gutes Geschäft bin.
Die Facebookseite ist aber wirklich zu empfehlen und ich werde mein literarisches Wissen, glaube ich, in nächster Zeit, auch von dort beziehen, jetzt in der Badewanne Leonie Swanns „Garou“ weiterlesen. Was wahrscheinlich auch nicht auf Anna Jellers Büchertisch kommt und mich dann an das Longlistenbuch von Nellja Veremej machen, das bei „Jung und Jung“ erschienen ist, bevor es zu Tanja Maljartschuks „Biographie eines zufälligen Wunders“ geht.
Anna Jellers derzeitiges Lieblingsbuch Uwe Timms „Vogelweide“ steht übrigens auch auf der Longlist des dBps.
Und eine Anekdote habe ich noch anzuführen. Im Vorjahr gab es ja bei einnem „Augustin-Flohmarkt“, wo offenbar einige Leseexemplare zu finden waren. Ich kaufte um zehn Euro unter anderen Lorenz Langenegger, der 2009 beim Bachmannpreis las und in dem Buch lag eine Karte von Jochen Jung an Anna Jeller.
Spaziergang zum NÖ-Pressehaus und Anna Jellers Facebookseite
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