Literaturgefluester

Ein bißchen Glück für später

Werbeanzeigen

Wieder ein Buch aus dem „Wieser Verlag“ und der „Edition Zwei“ die längst einsprachig ist, bei dem die Angaben über den Inhalt und den Autor fehlen, bitte lieber „Wieser Verlag“ und Annemarie Türk von Kulturkontakt, soviel Zeit sollte eigentlich sein aber bei Palmi Ranchev kann ich wenigstens bei Google nachschauen und da komme ich zur „Wieser-Seite“ und erfahre, daß der Bulgare Palmi Ranchev mit dreiundvierzig Jahren seinen ersten Lyrik-Band veröffentlichte, daß er Boxer, Trainer, Cafehausbesitzer, Zeitungsdirektor, Journalist, Arbeitsloser und zum Unterschied zu anderen Schriftsteller in der Schublade, war.
Geboren wurde er 1950 in Sofia und mit dem Erzählband „Ein bißchen Glück für später“, hat er den „Bank Austria Literaris, den großen Preis für Literatur aus dem Osten und Südosten Europas“ gewonnen, wahrscheinlich 2008, denn da ist das Buch erschienen, das von Alexander Sitzmann, den ich von der Literatur im Herbst kenne, übersetzt wurde und die Erzählungen handeln, könnte man sagen vom harten männlichen Leben und sind eigentlich mehr realistisch als lyrisch oder doch nicht so ganz, so geht in „Ruhe und Stille“ einer zu einer Prostituierten und bittet sie zu warten, weil er sich erst an das Geräusch erinnern muß, das er hörte, als er einmal an einem Strand zwei nackte Frauen mit großen Brüsten beobachtete, die ebenfalls von einem Spanner begutachtet wurden.
In „Tittenjule und der Zauberstab“ geht es auch um Brüste, die der Jule, wie schon der Name sagt und einen Unentschlossenen, der bei der Aufnahmsprüfung zum Studium, nur seinen Namen auf den Bogen schrieb, eigentlich Elitesoldat im Kosovo werden will, sich aber nicht nach den Aufnahmebedingungen erkundigt und mit Jule kommt er auch nie so recht ans Ziel, weil die immer, wider ihr Versprechen, Interesse für andere hat, obwohl sie ihn bittet, sie zu begleiten.
Dann fährt einer mit dem Zug und trifft dort einen ungarischen Übersetzer auf den er schon lange wartet, traf er doch einmal am Balaton die schöne Aniko, ging mit ihr ins Bett und sie sagte „Nagyon faj“- „Es tut sehr weh!“
Das „Kleine Ungeheuer“ spielt im Internat, da quält einer schon seit Monaten den kleinen Nasko, doch der hat jetzt ein Messer, mit dem sticht er zu und läuft dann noch in die Bar zur schönen Natasa, mit der er sich ein Cola teilt.
Und in der Titelgeschichte treffen sich zwei ehemalige Boxer in einer Straßenbahn wieder, wo der einstige Champignon jetzt die Fahrkarten kontrolliert.
Weiter geht es mit den kleinen Geschichten von den Verlierern der bulgarischen Gesellschaft nach der Wende.
Da ist etwa die des „Portiers“ eines Spielcasinos, der wegen seines vererbten brutalen Aussehens den Job bekommen hat, er hat aber einen weichen Charakter und so kann er dem „Individuum“ das auf der Straße sitzt nicht erklären, daß es verschwinden soll und verliert deshalb seinen Job.
In der „Schauspielerin“ sitzen ein paar Kinder, die zur Schule fahren im Bus neben einer Frau, die stinkt, sich in ihrem Trenchcoat vergräbt und ihnen dann das Bild der schönen Schauspielerin zeigt, die sie einmal war.
Und in der „Konstruktion“ treffen zwei Nachbarn auf einander und sprechen darüber, daß der Bürgermeister entlassen, ein anderer korrupter Politiker das nicht wurde, der eine hat noch ein paar Leva für alle Fälle in seinem Wintermantel versteckt, sie gehen über den Markt ohne was zu kaufen, der eine probiert dann auch für alle Fälle aus, wie das ist, wenn man sich als Müllausräumer betätigt, man muß sich dann mit den Hunden um die Abfälle streiten und trifft dann irgendwann den anderen dabei, so daß sie sich zusammenschließen und fortan diesen Job gemeinsam tun, denn sie sind die Verlierer dieser Gesellschaft, die noch nie oder nur ganz kurz im Ausland waren, ihr Auto schon lange verkauften und weil sie keine Sprachen und auch keine Computerkenntnisse haben, keine Chance im neuen Arbeitsleben bekommen.
In „Embargo“ geht es um einen kleinen Schmuggler der sich zur Zeit der Sanktionen gegen Ex-Jugoslawien ein Extrageld verdienen will und sich zwischen zwei Frauen zu entscheiden hat. Während in „Die Nacht: Gesichter und Masken“ ein ehemaliger Student in die Heroin-sucht hineingleitet und während er in der Nacht durch Sofias Straßen geht, seltsame Begegnungen mit seltsamen Menschen hat.
In „Jam-Session“ trifft sich sich einer in einem Cafe mit Internet-Bekanntschaften, mit der „Natürlichen“ und der „Bescheidenen“ mit denen er dann über Politik diskutiert, am Schluß wird er auch noch überfallen. Der Bandit gibt ihm aber sein Geld und seine Uhr zurück.
Bei „Nachbarn“ geht es um eine „erschlichene“ Invalidenrente und um einen alten Herrn, der seine Nachbarn „Newton“ oder „Einstein“ nennt.
In der „Blonden Emilia“ geht einer einem Mädchen nach, das er von der Schule zu kennen glaubt und landet in einen Club, wo sich die Witwen der „Mafiabosse“ treffen. Und in der „Kaiserin“ wird eine Müllsammlerin von jemanden verfolgt, der immer in ihrer Nähe sein will.
Während in der „Persönlichen Erfahrung“ einer seine Erlebnisse schildert, die er beim U-Bahnfahren macht, als er dort Terrorist spielen will. Es ist nicht so leicht alle Phasen mit seinem Koffer auszuprobieren, erst wird er ihm gestohlen, dann setzt ihm jemand unter Druck und als sich schließlich die Polizei für ihn interessiert, fliegt etwas in die Luft.
Ähnlich geheimnisvoll geht es bei der „Dienstreise“ zu. Da wird ein alter Inspektor bei seinen Buchhaltungskontrollen von der jungen Galja begleitet, die er in das Geschäft einweisen soll. Sie ist jung und schön und geht nach der Abend in die Disko. Er kann nicht schlafen und wird von wilden Schmerzen geplagt, am Ende interessiert sich auch die Polizei für ihn, ver wird verwechselt, für einen Terroristen gehalten um schließlich doch in Galjas Armen zu landen.
In „Gogo“ geht es wieder in einen der armeseligen Plattenbauten, der Bruder der langsam in die Wohnung schleicht, schaut die Treppenhausinschriften an „Gogo und Natasa lieben sich“, hat er einmal geschrieben. Gogo ist sein drogenabhängiger Bruder, der oben in der Wohnung dem Vater den Fernseher an seinen Dealer verkaufte, jetzt gibt ihm der sein Geld, sondern schickt ihm die die Neubausiedlung, um sich dort in die Tiefe zu schleichen. Der Vater rettet den Sohn, den er vorher „Nichtsnutz“ nannte und der zieht dem toten Dealer die Heftchen mit dem Stoff aus der Tasche, um sie zu zerreißen.
Es geht auch um die Frage „Warum die bulgarischen Schriftsteller nicht berühmt geworden sind“ und wieder in den Stadtpark, wo Millionäre und ehemalige Minister sich die Zeit mit Schachspielen vertreiben, es geht um Boxer, Bodyguards, Verlierer und scheinbare Gewinner, des postkommunistischen Wendebulgariens.
In „Hunde und Herr“ streitet sich ein Friseur mit einem der seinem Laden gegenüber Hunde füttert und ihm dadurch die Kunden vertreibt, er streitet mit ihm über Gott und die Welt, Mustafa ist Muslem oder vielleicht doch Zigeuner, als aber Veso in der Nacht verstirbt, wird er am Morgen weiter die Hunde füttern.
Sehr starke und vielleicht ungewohnt realistische Geschichten gibt uns da der ehemalige Boxer, Trainer, Cafehausbesitzer, Zeitungsredakteur zu lesen, Geschichten in denen wir viel über das Leben, Bulgarien oder einfach über die Natur des Menschens lernen können und die mir daher sehr gut gefallen haben und ich ihnen auch, wie das so heißt, ein größeres Lesepublikum wünsche. Aber die „Bank Austria“ und „Kulturkontakt Austria“ tun glaube ich, ohnehin was sie können.

Werbeanzeigen

Werbeanzeigen