Ein Erzählband von Elfriede Haslehner, die ich in den späten Siebzigerjahren im Arbeitskreis schreibender Frauen kennenlernte, damals galt sie als aufstrebende Lyrikerin, publizierte bei „Frischfleisch und Löwenmaul“ etc und gründete mit Hilde Langthaler und anderen Frauen, den Wiener Frauenverlag, der dann von Sylvia Treudl und Barbara Neuwirth „übernommen“ wurde, später „Milena“ hieß und jetzt kein Frauenverlag mehr ist, weil man einen solchen angeblich nicht mehr braucht und Elfriede Haslehner, mit der ich mich noch jahrelang nach Auflösung des Arbeitskreis mit anderen Frauen zum Beispiel bei der Valerie Szabo traf, hat inzwischen angefangen zu ihrer kritischen Lyrik Prosa zu schreiben. So ist in der „Edition Roesner“, der Band „Krisen, Schatten und Zyklamen“ – realistische, utopische und satirische Prosa erschienen, der im Februar in der „Gesellschaft für Literatur“ vorgestellt wurde und ich muß noch erwähnen, daß die 1933 geborene Elfriede Haslehner, die inzwischen nicht mehr rote Haare hat, in der „Frauen lesen Frauen“ Gruppe des ersten Wiener Lesetheaters tätig ist.
Und die realistische Prosa, der erste Teil des etwa zwanzig Geschichten fülllenden Erzählbands, von denen ich einige schon beim „Volksstimmefest“, wo Elfriede Haslehner neben der „Poet-Night“ auch immer liest, haben auch sehr biografische Elemente.
Fast könnte man es eine Autobiografie in kurzen Stücken, die Short Stories haben wir ja vor kurzen gehört, sind eine sehr wichtige Erzählform, nur schade, daß es die Leute nicht so gern lesen, nennen und so erfährt man in knappen Stücken sehr viel von Elfriede Haslehners Leben, manchmal in Ich-Form erzählt, manchmal ist sie in andere Personen geschlüpft.
Die ersten beiden Geschichten erzählen vom Krieg und der Vertreibung aus Mähren, wo der Vater Direktor einer Fabrik war. Als die Russen kommen, muß die Familie eine Nacht im Bunker verbringen und für das zwölfjährige Mädchen bricht eine Welt zusammen, weil das, was es in der Schule und bei der Hitler-Jugend lernte, auf einmal nicht mehr gilt. Dann kommt die Vertreibung nach Wien, in die Heimatstadt der Mutter, in die Wohnung der Großmutter nach Meidling und schließlich in die Steiermark, wo Elfriede Haslehner ihre Jugend verbrachte.
Die dritte „fast wahre“ Geschichte „Lebkuchen“ von den beiden Schwestern, die vor Weihnachten immer Lebkuchen backen und sie an ihre in der ganzen Welt verstreuten Familie schicken und von der soviel Ramsch bekommen, daß sie zur Gegenwehr schreiten müßen, hat Elfriede Haslehner, glaube ich, schon im Jänner zu den „Geisterfahrern“ gelesen, die im utopischen Teil kommen.
„Das Küchenfenster“ handelt von einer alten verwirrten Frau, die am Fenster sitzt über ihr Leben nachdenkt, die Katze der Nachbarin über den Briefschlitz füttert und dann von der Heimhilfe und offenbar einer Sozialarbeiterin ins Heim gebracht wird und wenn ich mich recht erinnere, hat Elfriede Haslehner zu Arbeitskreiszeiten als Sozialarbeiterin gearbeitet und solche Erfahrungen gemacht.
„Schattenarbeit oder das Glück der Woche“ läßt auch einige autobiographische Züge erkennen und beginnt mit dem wahrhaft satirisch originellen Satz, den ich von meinen Klienten nicht so oft höre „Zum Glück bin ich arbeitslos“, denkt Nora und erzählt dann, daß sie während ihr Freund seiner Arbeit nachgeht, richtig die Geschichte vom Kennenlernen des Franz oder Hans, als sich die ältere Beate in einem roten Mini Kleid doch noch einmal entschließt, einen Maskenball zu besuchen, hätte ich jetzt fast vergessen, an das Mithelfen beim Bau der Ökosiedlung in Gänserndorf macht, weil es dann billiger wird, dazwischen besucht sie Sohn und Schwiegertochter, hält das offenbar gerade geborene Enkelkind im Arm und besucht die achtzigjährige Mutter.
In der „Prophezeiung“ geht es ebenfalls um die Ökosiedlung und um eine ausgestiegene esoterische Wunderheilerin, die mit Pendeln und Konzentration Krankheiten erkennt und homoöpathisch behandelt, eine Katastrophe voraussagt und als die nicht eintrifft, behauptet, sie und ihre Kraft hätte die Welt gerettet.
In „Olga auf dem Land“ bearbeitet Elfriede Haslehner ihre Traumen, die sie hat, weil Sohn und Schwiegertochter, das Enkelkind nicht von der Oma verwöhnen lassen wollen und sie möchte doch eine sehr liebe Großmutter sein, so kauft sie Puzzles und Bilderbücher, mit denen sie sich dann selbst beschäftigt und als die Kinder doch einmal übernachten dürfen und Melanie stolz auf dem Fahrrad fährt, sind die Eltern entsetzt und bringen die Kinder nie wieder.
In der Titelgeschichte „Zyklamen auf dem Land“ geht es dann auf Spurensuche nach Südtirol und in den ersten Weltkrieg, wohin der Vater einmal als Soldat geschickt wurde und der Tochter einen Stapel alter Kriegsbilder hinterließ.
Weiter geht es dann mit Text „Hinübergehen“ zum Sterben von Elfriede Haslehner Mutter, den ich schon gelesen habe, zu der Geschichte „Im Schnee“, wo das Auto umkippt und freundliche Migranten helfen, den ich auch schon kannte.
Dann geht es zu der „Utopischen Prosa“, Geschichten mit Katastrophen-Phantasien.
In der „Krise“, wacht Lisa eines Morgens auf, es gibt keinen Strom und Wasser, die Menschen erschlagen sich selbst und Lisa und ihr Freund Harald ziehen sich aufs Land zurück, um sich selbst zu versorgen.
Bei den „Geisterfahrern“ wird die Insel zuerst mit Autos so überfüllt, daß es keine Parkplätze mehr gibt und die Menschen immer im Kreis fahren müssen, bei den „Zwei Schwestern“ geht um Atomkatastrophen. Zwei Schwestern haben sich in ein Haus mit Fischen und Aquarien zurückgezogen und beschließen sich wenn die Katastrophen zu sehr zunehmen sich umzubringen, eine tut das, die andere überlebt und schließt sich den Atomgegnern an.
In den „Zwei Brüdern“ geht es um eine Waffenfabrik, der eine kämpft mit seiner Freundin dagegen, der andere resigniert und fängt zu trinken an, in „Urlaubsquartier“ müssen die Menschen im Krieg in ein schönes Bergdorf flüchten und die „Maschine“, die all die schönen Dinge produziert, die wir zum Leben brauchen, macht die Menschheit schließlich kaputt. Soweit die kämpferischen Texte, der Umweltschützerin und Friedesnaktivistin, aber auch die Abteilung III, die satirische Prosa, zeigt solche Züge „1999, wenn ich wieder nach Rom fahren werde“, da wäre Elfreiede Haslehner sechundsechzig und seit 1982 nicht mehr dortgewesen, das dritte vatikanische Konzil hat stattgefunden und die Frauen bzw. die großen Mütter haben den Petersplatz in eine grüne Oase verwandelt, es gibt wie 1982 keine Raubüberfälle mehr, sondern alle Frauen grüßen freundlich und laden einander ein, tanzen, feiern, singen und die Welt hat sich in einen schönen Feminismus verwandelt. Zwei Nachsätze gibt es auch, erstens, daß Elfriede Haslehner weiß, daß der 1983 geschriebene Text utopisch ist und zweites fügt sie 2010, als sie ihn in den PC tippt an, ist sie seit 1982 nicht mehr dort gewesen.
„Vater werden“ beschreibt eine Utopie, die ich nicht haben will, eine Sportlehrerin wird schwanger, der Mann, ein Lehrer ist arbeitslos und sie will, daß er das Kind austrägt. Die Fortschritte der Medizin machts möglich, er erklärt sich auch dazu bereit, hält die Schwangerschaft aber psychisch nicht aus, so daß schließlich doch sie das Kind zur Welt bringt.
In der „Ehre oder die Dummheit?“ erzählt Elfriede Haslehner von den vielen ehrenamtlichen Projekten, die sie bereitwillig im Laufe ihres Lebens übernommen hat und dann nicht schaffte, weil sie auch für den Brotberuf arbeiten mußte und dann sah, daß die anderen jüngeren Frauen um sie meist teilzeitangestellt waren oder von einem Akademikertraining lebten und am Schluß beschäftigt sie sich noch mit der Frage, wie es sein wird, wenn sie das Schreiben aufgegeben hat?
Man hat, wenn man das Buch gelesen hat, sehr viel vom Leben der achtzigjährigen Frau, die zwanzig Jahre Hausfrau und Mutter war, dann Sozialarbeiterin war und Philosophie studierte, den Wiener Frauenverlag mitgründete, in Gänserndorf eine Ökosiedlung aufbaute, in der AUF, in der Friedensbewegung und noch bei sehr viel anderem tätig war, viel erfahren.
Ein spannendes Buch, das ein sehr interessantes, alternatives Leben einer schreibenden Frau schildert, das ich wirklich nur empfehlen kann.
Mein eigenes Verhältnis zu Elfriede Haslehner, die mir am Dienstag ein Foto schenkte, das sie und die anderen Aktivisten des Wiener Frauenverlags zeigt, ist übrigens ein bißchen kritisch, so hat sie mir den Text, den ich ihr für das erste Frauenbuch schickte, mit der Bemerkung zurückgegeben, ich solle lieber stattdessen in Therapie gehen, da machte ich schon meine GT-Ausbildung und hat mir auch sonst immer wieder geraten, nicht so viel zu schreiben, aber das Schreiben aufgeben ist etwas, das ich mir nicht vorstellen kann und auch nicht wüßte, wozu das gut sein soll?
Krisen, Schatten und Zyklamen
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