Auf Maria Leitners „Hotel Amerika“, den 1930 herausgebrachten ersten Reportage-Roman der Weimarer Republik, bin ich, glaube ich, durch das Gewinnspiel des „Duftenden Doppelpunkts“ zur Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 aufmerksam geworden. das Buch war ja dabei, wie man auf den ersten Seiten des 2013 in der Bibliothek der Frauen, der „Edition Mokka“, herausgegebenen Ausgabe sehen kann. Auf der Krit Lit habe ich das Buch bekommen, das ein wenig anders ist, als die „Hotel-Bücher“ Vicki Baums“, die ja ungefähr zeitgleich entstanden sind.
Maria Leitner wurde 1892 in Varazdin bei Zagreb in eine zweisprachig jüdische Familie geboren. Sie war Journalistin und Schriftstellerin und hat wohl schon in den Neunzehnhundertzwanzigerjahren das getan, womit Günter Wallraff später berühmt werden sollte, als Zimmermädchen in Luxushotels und als Bedienerin in Fastfoodbuden gearbeitet und sie hat auch für den „Ullstein-Verlag“ von 1925-1928 Amerika bereist, um solche Reportagen herauszugeben.
So schildert „Hotel Amerika“ auch das Luxushotel von unten, aus der Sicht der kleinen Leute, der Angestellten, des Personals, die oft Emmigranten aus Deutschland, Italien, Schweden oder woanders sind.
Es beginnt an einem Morgen hoch oben in einem Schlafsaal des Reinigungspersonal, wo nur die zwei Ältesten eine Kommode haben, die anderen haben nur ein Bett und ein Fach im Kasten. Geputzt wird auch nicht wirklich, aber unter Shirleys Bett steht ein Koffer mit einem billigen Abendkleid und sie denkt sich gleich, nachdem ihre Mutter, die auch in dem Hotel arbeitet, sie weckte „Heute ist mein letzter Tag, als Wäschemädel!“, denn Shirley hat große Flausen im Kopf, beziehungsweise träumt sie davon, von „ihrem Freund“ hier weggeholt zu werden.
Der ist ein Mister Fish und hat auch andere Pläne, denn in dem Hotel soll am Abend eine große Hochzeit gefeiert werden. Die Tochter eines Zeitungsmäzens soll einen Sportler heiraten und Fish hatte offensichtlich ein Verhältnis mit ihr, beziehungsweise Briefe, mit denen er ihren Vater erpressen will. Der läßt sich nicht so leicht erpressen und gerät auch nicht aus den Fugen, als Fish sich von einem Kellner eine Kellneruniform besorgen läßt, um sich am Abend in den Ballsaal hineinschmuggeln zu lassen. Vorerst geht es aber an die Arbeit, beziehungsweise wird beschrieben, wie die Hausdamen über die Zimmerflure wachen und die Wäschemädel in ihren schmucken Uniformen die Wäsche verteilen.
Fritz, ein Emigrant aus Deutschland, der von seiner Firma entlassen wurde, weil er bei der Gewerkschaft war, wird als Küchenhilfe angestellt und gerät in Panik, als er den Hummern die Scheren zusammenbinden soll, damit sie nicht zu viel Aufruhr machen, wenn sie ins kochende Wasser geworfen werden.
Im letzten Speisesaal des untersten Personals gibt es inzwischen eine Aufregung, weil sich das gegen die faulenden Kartoffeln zur Wehr setzen, die ihnen serviert werden.
Shirley hält eine flammende Rede, der Page Salvatore, ein im italienischen Viertel geborener Italiener geht mit der Schwedin Ingrid, die ebenfalls Stubenmädchen ist, in sein Viertel, um ihr die Konditorei seinen Vaters zu zeigen und erklärt ihr, daß er in dem Hotel arbeitet, weil er auch mal etwas anderes als das „Little Italy“ von New York sehen will.
In den Zimmeretagen kommt es indessen zu großer Aufregung, weil alle etwas wollen, einen Brief, eine Büglerin, ein Arzneimittel, das Personal aber noch in den unteren Küchenräumen, bei der Streikbewegung ist und die Hausdame muß beruhigen.
Dann kommen sie schon angelaufen und die Ballsäle für den Abend sind auch schon geschmückt, mit exotischen Blumen und lebenden Schmetterlingen.
Die Kellner müssen alle Französisch reden, um feiner zu sein, es wird auch jetzt ein Aufstand geprobt. Sie fordern besseres Essen und eine Gehaltserhöhung, bevor sie sich an die Arbeit machen. Majories Bräutigam verschmäht aber die Hummer, denn ein Sportler darf nur weiche Eier oder Grießbrei essen. Die Kellner servieren ihm das, beziehungsweise treiben sie ein wenig Schabbernak, indem sie statt Mayonnaise süße Eiercreme den vornehmen Gästen servieren, dann geht aber doch alles seinen Weg und die verfänglichen Briefe Majories, die Mister Fisch, der ein sehr erbärmlicher Kellner ist, auf die Tische legen will, entpuppen sich, als Bibelschriften, so wird ihm nichts anderers überbleiben, als für einen anderen Reichen, „die Außenreklame für Betshäuser zu machen“.
Aber auch Shirley ist entlassen worden und muß den Traum an Mister Fishs Seite reich zu werden, aufgeben, was ihr aber nichts macht, hat sie sich doch in den Küchenjungen Fritz verliebt, der schon auf sie wartet.
„Einmal wird das alles uns gehören, aber bis dahin müssen wir schwer kämpfen. Was tut es? Ich bin ja jung und das ganze Leben steht noch vor mir!“, endet das Buch zuversichtlich, was im realen Leben etwas anders war, hat doch Maria Leitners Leben 1942 in Marseille geendet, wie ich „Wikipedia“ entnehme.
Sie war auch in Frankreich, wohin sie flüchten mußte, im politischen Widerstand tätig und ist dort „vor Erschöpfung gestorben.“
In Traude Korosa, der Herausgeberin, Kapitel über das Leben der Schriftstellerin, steht noch, daß es auch sein kann, „daß sie von den Nazis verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht wurde.“
Traude Korosa, die ich 1987 bei der Schreibwerkstatt in Linz, zu der ich eingeladen wurde, weil ich mich am Max von der Grün Preis beworben habe, kennenlernte, die auch GAV-Mitglied ist und bei der „Frauen lesen Frauen-Gruppe“ gelegentlich mitmacht, hat dem Buch auch noch einen, für mich eher unnötigen Anhang, beigefügt, wo Worte wie „Spucknapf“ oder „Scheuerfrau“ erklärt werden und in der „Editorischen Nachbemerkung“ erklärt, daß das Buch auf der Erstausgabe von 1930 basiert und sorgsam bearbeitet wurde. Was heißt, daß die Rechtschreibung eher beibehalten wurde und auch das Wort „Neger“, das heute ja als politisch unkorrekt gilt, in dem Buch mit einem Sternchen versehen und im Anhang erklärt, zu finden ist.
„Aber Maria Leitner hätte mit unserem heutigen Wissen dieses Wort als politisch inkorrekt empfunden und es auf keinen Fall in ihren Texten verwendet“, vermutet Traude Korosa noch, was wahrscheinlich stimmen wird.
1930 hat man dieses Wort aber verwendet und „Afroamerikaner oder Farbige“ würde in diesen Kontext wahrscheinlich etwas seltsam klingen. Auch etwas worüber man nachdenken kann und auf jeden Fall lohnt es sich, diesen Reportage-Roman zu lesen, in die Programme der „Edition Mocca“ hineinzuschauen und vielleicht auch bei den Gewinnspielen des „Duftenden Doppelpunktes“ mitzumachen und mich hat es in der Annahme verstärkt, daß der „Milena-Verlag“ mit Maria Leitner eine weitere Frau hätte, die er wiederauflegen könnte. Aber das wird ja schon von Traude Korosa in „ADA-Bibliothek der Frauen“ getan, die auch Auguste Groners „Der Rote Merkur“ ein Wiener Kriminalroman aus dem Jahr 1907 herausgebracht hat und in der „Edition Mokka“ sind auch Max Winters Sozialreportagen „Die Steigeisen der Kopfhaut“ zu finden.
Hotel Amerika
Werbeanzeigen
Werbeanzeigen