Nach dem Krieg geht das Leben weiter, es wird wieder geliebt, gelacht, gearbeitet, aufgebaut und geträumt, aber manche tun sich dabei, wenn sie mit ihren Traumatisierungen, beispielsweise von Bergen-Belsen 1948 an den Gardasee kommen, an den Ort, wo die Villa steht, in dem der Duce wohnte, bevor er 1945 erschossen wurde und „wie ein Tier“ kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt wurde, schwer, weil sie an das Vergangene denken müssen und nicht verstehen können, wie die Menschen wieder leicht und fröhlich in den Tag leben und sogar Mitleid mit dem Duce haben und ihn bedauern.
So geht es in dem 1955 geschriebenen Roman „Villa am See“ der 2009 bei „Hermagoras“ erschienen ist, des 1913 geborenen slowenischen Schriftstellers Boris Pahor, dem dreißigjährigen Triestiner Architekt Mirko Godina, der eigentlich für den Frieden arbeiten und Fischerdörfer bauen möchte, es in seiner Heimatstadt aber nicht aushält und so im April 1948 am Gardasee auftaucht, wo wieder die Ausflugsschiffe fahren und sich nur wenig seit dem Krieg verändert hat.
Er besucht Frau Amalia, die Witwe seines Verstorbenen Freundes Enricos, die ihm zum Mittagessen einlädt, er soll nicht sein Geld in teuren Restaurants ausgeben, wenn er es bei ihr einfach und umsonst haben kann, die ihm schon einmal durch ihr gefühlloses Geschwätz erbost.
Beim Mittagessen lernt er dann ihre Tochter Luciana kennen, die Arbeiterin in einer Spinnerei ist, will mit ihr ins Kino gehen, das im Theater untergebracht ist, dann gehen die beiden aber durch den Ort spazieren, die Arbeiterin fragt den studierten Architekten aus und erzählt ihm, daß sie gerne unterhaltsame Geschichten lese, die von einfachen Leuten handeln und nicht nur von denen, die sich dreimal am Tag umziehen und Luxusreisen machen.
Dann kommen sie zu der Villa und es kommt fast zum Streit zwischen ihnen, denn auch Luciana plappert leichtfertig daher und versteht Mirkos Abneigung gegen Diktaturen nicht, hat sie doch in der Schule nichts anderes, als Respekt vor dem Duce gelernt.
Es kommt aber doch zum Kuß zwischen ihnen und zu einer Verabredung am nächsten Tag, dazwischen geht Mirko in sein kleines Hotel zurück, in dem in der Vorsaison nur ein paar Schweizer wohnen, wird von dem alten rotwangigen Koch in Begschuhen verwöhnt. Er mischt ihm ein extra Stückchen Butter in seine Spaghetti, will dann aber ein Empfehlungsschreiben von ihm, damit er von seinem Chef eine Gehaltserhöhung bekommt.
Es sind die Alltagsbeschreibungen, die in diesem Roman auffallen, die Frau in dem grünen Badeanzug, die er am nächsten Tag während der Dampferfahrt beobachtet und das Gespräch zwischen dem Maschinisten und einer Ausflüglerin.
Das Leben geht weiter, Mirko wünscht sich eine Erziehung zur Liebe in der Schule und diskutiert mit Luciana den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur, will sie davon überzeugen, daß es besser ist Widerstand vor Dikataturen zu leisten und nicht aus Angst alles hinzunehmen.
Es kommt noch zu einem Treffen der beiden, bevor Mirko mit seinem Koffer in den Dampfer steigt, und mit dem Versprechen sie im nächsten Sommer zu besuchen, in sein Alltagsleben und die Zukunft zurückfährt.
Boris Pahor, der am 26.August seinen hundertersten Geburtstag feiert, hat in dem Roman, wie ich dem Klappentext entnehme, viel Autobiografisches verarbeitet, war der in Triest geborene, der bis 1938 das Görtzer Priesterseminar besuchte, auffällig viele Hermagoras-Autoren haben dieses abgebrochen oder sind sogar als Priester tätig, doch ebenfalls in Bergen Belsen inhaftiert.
Von 1953 bis 1975 war als Mittelschullehrer in Triest tätig und lebt seit 1975 als freier Schriftsteller in Triest-Barkovlje. Seine Bücher sind zuerst bei „Kitab“ herausgekommen, jetzt scheint sich „Hermagoras“ um sein Werk zu bemühen.
Es ist der erste Roman den ich von Boris Pahor gelesen habe, der mich in seinem Ton an Alberto Moravia erinnert, aber auch Ullrich Becher hat in seinem „Kurz nach 4“ kurz nach dem Krieg eine ähnliche Thematik aufgenommen.
Villa am See
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