Literaturgefluester

Robert Menasses Faust und Namensprobleme

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Gestern gab es in der „Alten Schmiede“ während ich mich in der Wien-Bibliothek um die Ebner-Eschenbach Leseausgabe kümmerte, deren zweiter Teil heute zu mir gekommen ist, eine Wiener Vorlesung zur Literatur von Robert Menasse zum Thema „Verweilen – Eine Geschäftsstörung. Doktor Faust lernt Geschichte“ und heute eine Leseaufführung von „Doktor Hoechst“ Robert Menasses „Faustspiel“, das als Buch 2013, bei Zsolnay herausgekommen ist und 2009 in Darmstadt uraufgeführt wurde.
Offenbar eine Protestveranstaltung, weil sich die Wiener Theater weigern das Stück aufzuführen, wie sowohl im Programm steht, als auch von Kurt Neumann angedeutet wurde.
Und ich bin wieder mal vom Regen in die Traufe gekommen, beziehungsweise ins kalte Wasser gesprungen, weil mir jetzt die Grundlagen fehlen und Robert Menasse zu verstehen ist höchstwahrscheinlich sowieso ein sehr intellektueller Akt.
Ich bin aber blauäugig in die „Alte Schmiede“ gegangen, wo nicht sehr viele Leute waren, aber Gerhard Jaschke, Lukas Cejpek, Thomas Northoff und natürlich der Autor selbst, der sich in die hinteren Reihen setzte und von dort wohl „faustisch“ lächelnd das Geschehen verfolgte.
Die Leseaufführung wurde, wie Kurt Neumann einleitete von Susanne Zobl, offenbar für die Gmundener Festspiele zusammengestellt, Hermann Schmid hat alle Rollen in gekürzter Form gelesen und weil ich früh dran war, habe ich auch ein bißchen in das Buch hineingeblättert, bzw. mir das Personenverzeichnis eingeprägt. Da gibt es Dr. Hoechst, genannt der alte Faust, ein Konzernchef, seinen Sohn Raphael, Philosophiestudent, die Exfrau Gräten, den Freund und Laborchef.
Mephisto, das ist vielleicht interessant, gibt es nicht und ich kann, was „Faust“ betrifft anmerken, daß wir den in der Straßergasse bei der Frau Professor Friedl im dritten oder vierten Jahrgang, ein ganzes Jahr behandelt haben, was ich zuerst für einen Witz hielt, mich später aber noch einige Male mit dem Werk beschäftigt habe, so daß ich mich ein bißchen auskenne.
Robert Menasse hat offenbar 2006 oder 2007 den Auftrag vom Theater Darmstadt für das Stück bekommen, seine theoretischen Grundlagen fehlen mir komplett oder doch nicht so ganz, denn ein bißchen hat sie Susanne Zobel in ihrer Einleitung angedeutet und dann ist Hermann Schmid mit Bravour durch das Stück gezogen, das mit einem Prolog im Theater beginnt, dann in ein Labor oder Operationssaal geht, wo die Ex-Frau Gräten, als Krankenschwester aus der Karenz zurückkommt, der Sohn Raphael soll auch noch einmal gezeugt werden, weil der Vater, der die Beschleunigung, das Wachstum in dieser Welt mit begrenzten Resourcen will, seinem Sohn nicht traut und von dem Goethe Grundsatz „Verweile doch, du bist so schön!“, hält er auch nichts. Er ist Konzernchef eines Pharmabetriebs, wie schon der Name sagt, macht Geschäfte mit Japan und der ganzen Welt, steht aber gerne mit weißer Schürze in der Küche, trinkt Wein und macht ein Lammragout, während er mit seinen Konzernen telefoniert.
Dazwischen kommt der Sohn, der Probleme mit der Übersetzung der Genesis und dem „Am Anfang war das Wort oder doch die Idee, der Vorschlag“ etc, hat. Dann geht es in das neunzehnte Jahrhundert zurück, nach Nagasaki und zur Atombombe, das wurde bei der Lesung ausgelassen, aber nach Auschwitz dem Ur-KZ, wo auch die Firma Hoechst ihre Geschäfte machte.
Da empfängt Raphael seinen Vater als KZ-ler mit einem Plastikhund, den er spazierenführt, das ist offenbar der Ersatz für den Pudel und lehrt dem Vater das Grauen.
Dann geht es aber ins Parlament oder ins Bundeskanzleramt und da berät Hoechst den Kanzler, in dem er ihm den Staatsbankrott empfiehlt. Den Osterspaziergang hätte ich jetzt fast ausgelassen, da begrüßen die Bürger freundlich den alten Herrn und fragen ihn, warum er nicht in die Politik geht, aber wenn man einen Konzern führt, soll man das nicht mit einem Staat tun, ist die Antworte und am Schluß sprudelt rotes Wasser in der gläsernen Badewanne, alle klatschten und waren begeistert.
Vielleicht auch ein wenig ratlos, als sie Fragen stellen sollten. Kurt Neumann tat es dann doch und erntete einen Rundumantwort von Robert Menasse, der auf die Kompliziertheit unserer Gesellschaft und die Schwierigkeit mit der Demokratie und den mündigen Bürgern hinwies.
Dreißig Prozent wählen den Herrn Strache, obwohl sie am Karmeliterplatz so aufgeschlossen tun, das kann es doch auch nicht sein und ich habe mir bei der KZ-Szene gedacht, daß es wahrscheinlich schwer ist, den Faust nach dem Holocaust zu interpretieren, bzw. muß man das ganz anders tun.
Und der Johann Faust vom Goethe war ja auch ein Intellektueller, der an seinem Wissensdurst bzw. an den Grenzen, an die er stieß, gescheitert ist.
Die Frage, warum es das Böse bei Menasse nicht gibt, was ja eigentlich auch zynisch wäre, wurde im Stück damit beantwortet, daß keiner mehr seine Seele dem Teufel verkaufen wird, wenn er als Gotteskrieger viel mehr dafür bekommen kann.
Sehr kompliziert und wahrscheinlich hätte ich auch mit Vorlesung nicht alles verstanden, obwohl ich schon einige Bücher von Menasse gelesen habe, ihn bei einigen Lesungen hörte und mit seinem intellektuellen Rundumschlägen bzw. Skeptizismus ein bißchen vertraut bin.
Trotzdem war es interessant, ich denke auch viel über den Sinn des Lebens nach und befinde mich manchmal in recht depressiven Phasen. Die letzten zwei Tage war ich aber in eigener Sache unterwegs, das heißt ich habe das „Schutzengelchen“, das ja vielleicht ein ähnlicher Rundumschlag durch die Weltgeschichte ist, da es darin sowohl in den Himmel, als auch in die Ukraine geht und auch eine vor hundert Jahren gestorbene Frau wiederauferstehen läßt, gestern einmal, heute zweimal durchkorrigiert und habe da noch immer Schwierigkeiten, weil ja erstens etwas ganz anderes herausgekommen ist, als ich eigentlich wollte und dann wußte ich nicht, ob ich mit dem Verlauf der Handlung, bzw. den letzten zehn bis fünfzehn Seiten, die ich auch nach dem Elsaß-Urlaub geschrieben habe, zufrieden sein soll. Da habe ich inzwischen viel gekürzt bzw. geglättet, habe die Marijana in eine Katharina umgewandelt, das ist die Studentin, die die Miranda in der U-Bahn trifft, nach dem sie ihre Ururgroßmutter wieder verlassen hat. Da war ich aber nicht sicher, ob das nicht zu eindimensional ist?
So dachte ich am Heimweg zuerst, ob ich die Katharina vielleicht doch wieder in die Mirjana umbenennen soll? Ist es halt so eins zu eins, aber dann habe ich mich, glaube ich, entschloßen, bei der Katharina, die Bertha von Suttner Diplomarbeit wegzustreichen und lasse sie auch nicht sagen, daß sie die „Waffen nieder“ in den Bücherschrank gelegt hat. Sie studiert Germanistik, aus. Alles andere bleibt gleich. Bruno Leitners Begegnung am Bücherschrank und auch die Schlußszene, wo sich Magdalena Himmelbauer von ihrer Ururenkeltochter verabschiedet und danach mit Bertha von Suttner Tee trinken geht.

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