Literaturgefluester

Wer ist Martha?

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Eine Wandertaube, die im Jahr der Geburt des Helden, des inzwischen sechsundneuzig Jahre alt gewordenen Luka Lewadski, Sohn eines ostgalizischen Försters und einer Wiener Ornithologin, ausgestorben ist, um diese Frage gleich am Anfang zu beantworten und der zweite Roman der 1981, in Odessa geborenen Marjana Gaponeko, die damit 2013 den Alpha-Literaturpreis gewonnen hat und ein Jahr vorher, glaube ich ,auch auf Longlist des dBps stand.

„Annuschka Blume“, den vorigen Roman habe ich gelesen und ein wenig schwülstig und sehr abgehoben gefunden, wie ich der Autorin, auch anläßlich der Preisverleihung sagte.

„Dieser wird Ihnen gefallen!“, hat sie mir höflich und extravertiert gewantwortet und recht behalten.

Gefallen und auch ein wenig betroffen gemacht, schrieb sich die realistisch und zu wenig abgehoben formulierende Psychologin doch gerade selbst an diesem Thema nicht die Finger wund, aber vielleicht in eine Weihnachtsdepression oder in eine Trödelphase und da liegt nun ein Buch von mir, wo die 1981 geborene, zu einer Zeit, wo ich schon geschrieben habe, mir zeigt, wie man es besser machen kann oder auch nicht.

Denn ich bleibe, glaube ich, schon bei meinem Realismus und das Ende liegt mir sowieso fern, bin ich ja im Sommer nach der Lektüre von Ernst Lothar ausgezogen, es gerade so nicht zu machen.

Da ist also Luka  Lewadski, der alte Vogelforscher, erfährt, in Kiew höchstwahrscheinlich, von seinem unheilbaren Lugenkrebs und beschließt ähnlich, wie die Veronika, sich nicht bestrahlen und bechemen zu lassen.Er macht allerdings keine Patientenverfügung und fängt für das noch ungeborene Enkelkind auch nicht zu stricken an, sondern kauft sich einen altmodischen Anzug, einen Gehstock mit Silbergriff aus dem man auch trinken kann, vergißt sein Gebiß dabei, besorgt sich ein Visum und wahrscheinlich auch ein Ticket nach Vienna, um in einer Luxussuite des Hotel Imperials, sein Leben in Schönheit zu beenden und sein Geld auszugeben.

Denn dort war er als Kind, als seine Mutter nach dem Tod des Vaters mit ihm zu ihren Tanten nach Wien zurückging. Die Mutter putzte, die Tanten führten den kleinen Luka in das Hotelcafe und fütterten ihn mit Schokoladetorte.

Die Mutter ging dann mit dem Jungen wieder in die Ukraine zurück und weil sie auch Vogelkundlerin war, hörte sie, während er in Lemberg studierte, das Gras wachsen, bzw. die Ratten das Schiff verlassen und floh mit ihm in den Kaukasus, so daß sie nicht deportiert wurden, er nicht in den Kriegsdienst etc mußte.

Die Mutter verstarb dann,  Luka wurde ein berühmter Forscher,  sitzt nun in seiner Luxussuite und kann alleine nicht aus seiner großen Badewanne.

So mietet er sich einen Butler vom Butlerservice, es kommt Habib, der schon seinen Vater pflegte und Luka fährt in das Kaffee hinunter, bestellt sich Schokoladetorte und beobachtet die anderen Greise, die sich wahrscheinlich die teuren Preise leisten können.

Er lernt dann einen älteren, Herrn Wizturn, kennen und geht mit ihm in den Musikverein, denn dort war er auch mit seinen Tanten, dann wächst sich zur Farce aus, wie vieles anderes in Marijana Gaponekos großartigen übersptrudelnden Roman, denn als sie zurückkommen, gibt es kein Licht in dem Luxushotel.

„Stromausfall, meine Herren!“, bedauert der Chefconcierge und empfiehlt, es sich in der Bar gemütlich zu machen, bis der Lift wieder fährt und dort findet sich dann auch die Autorin ein, sitzt neben den beiden Alten auf den hohen Thekenstühlen und probiert alle Coctails aus, die man in den Fünfziger und Sechzigerjahren trank, will sie doch, wie sie  erzählt,“ Ein Buch über einen alten Mann“ schreiben, der „in die Stadt seiner Kindheit, um dort zu sterben zurückkehrt und sein Vermögen in dieser Bar verprasst!“

Das gelingt dann nicht so einfach, fühlt sich Lewadski doch so gesund, daß ihm sein Geld, wie er fürchtet, vorher ausgeht, so fährt er mit dem Lift in den fünften Stock, hat bis dahin noch alle Begegnungen mit Menschen, die er vorher in der Ukraine offenbar nicht hatte, mit dem Barmann, der alle Knöpfe für ihn drückt und dem Stubenmädchen aus Novi Pazar, das ihm ein Foto von dem Haus gezeigt hat, das sie sich in ihrer Ex-jugoslawischen Heimat bauen will.

Im fünften Stock liegen dann Federn am Boden, Lewadsky schwebt entlang, bis zur Türe, die zum Dach führt, warum sind die Menschen und die Autoren alle nur so ungeduldig und können nicht erwarten, was ohnehin von selbst passiert?

Im letzten Kapitel wird Lewadsky, dann von einer Stimme, ob Gott oder der behandelnde Spitalsarzt, kann man sich je nach Grad der Abgehobenheit und des Realsimus, selbst ausdenken, empfangen, die von ihm wissen will, wie er mit Vornahhmen heißt, wo er geboren wurde und wer Martha ist!“

Trotz aller Abgehobenheit ein tolles Buch, mit dem ich mehr als mit dem vorigen anfangen kann. Ich werde meine Veronika wohl weiter weniger spekulär sterben lassen und danke den Leuten vom „Alpha“ sehr für die Gelegenheit, daß ich  es lesen konnte.

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