Von Ruth Aspöck sind, seit sie 2007 mit ihrem Verlag „Die Donau hinunter“, in Pension gegangen ist, vier Bücher im „Löcker-Verlag“ erschienen, die man wohl als dokumentarische Literatur oder Dokumentarromane bezeichnen könnte.
In „Nichts als eine langweilige Blindschleiche“, hat sie ihre Tagebücher aufgearbeitet, dann ist sie mit „Grillparzer auf Reisen“ gegangen und im Vorjahr hat sie ihre Salzburger und oberösterreichischen Nachkriegserinnerungen aufgezeichnet.
Jetzt hat sie mit „JADRAN heißt die Adria“, das Leben einer bosnischen Flüchtlingsfamilie, die in den Neunzigerjahren aus Banja Luka nach Österreich kam und sie die Frau, die als Kassierin in der Kantine des Bundeskanzleramts arbeitet, kennenlernte, weil sie dorthin manchmal essen geht, aufgezeichnet.
Wahrscheinlich lange Gespräche geführt und ist mit ihr im letzten Oktober oder November auch nach Banja Luca gefahren, um sich ihre Heimat anzusehen und hat mir von dort eine schöne warme weiße Haube zu meinem Geburtstagsfest mitgebracht.
Jetzt habe ich das Buch, das heute mit Musikbegleitung von Sasa Jansetovic, moderiert von Renata Schmidtkunz, in der Hauptbücherei vorgestellt wurde, gelesen, das in sieben Abschnitten, die alle mit „A“ beginnen „Aufwärmen“, „Aufsitzen“, „Anreiten“, „Ausreiten“, man sieht das Reiten spielt dabei eine wichtige Metapher, eingeteilt ist und die Abschnitte berichten abwechselnd auch von der Ich-Erzählerin, deren Biografie, was mir wieder, wie im letzten Buch, auffällt, seltsam abgewandelt und distanziert wurde, als auch von Susana Jovanovic, die im Betriebsrestaurant eines Druckereibetriebs, in dem die Ich-Erzählerin, jetzt Pensionistin, als Emfangsdame beschäftigt war, arbeitet.
In „Aufwärmen“ wird von den Sammelleidenschaften der Pensionistin, sie sammelt Eulen und hat früher Bierdeckeln in Trinklokalen, in denen sie als Kind mit ihrem Vater war, erzählt. Wieder fällt mir die sehr genaue, etwas altmodisch klingende Sprache auf, warum schreibt sie nicht von Wirtshäusern und Weinstuben, wie ich es wahrscheinlich tun würde?
Die Armut in der Jugend wird wieder thematisiert, in der „Edition die Donau hununter“ hat Ruth Aspöck einen entsprechenden Essay veröffentlicht, sie hat in ihrer Jugend in Fabriken und Wirtshäusern gearbeitet, da einen reichen Mann kennengelernt, der sie später verlassen hat, dann ging sie für einige Jahre nach Amerika, Ruth Aspöck ist, glaube ich, in Kuba gewesen und hat ein Buch darüber geschrieben, wieder zurückgekommen und in dem Betriebsrestaurant Susana Jovanovic kennengelernt, die in den neunziger Jahren mit ihrem Sohn Alexander nach Wien gekommen ist. Ihren Mann Branco, aus einer katholischen Familie stammend, hat sie gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet und ihn in seinem kleinen Transportunternehmen geholfen, dann kam der Krieg, die Nachbarn wurden Feinde und Branco, der immer eine Pistole mit sich führte, hat bei einem Streit in einem Park einen Angreifer erschossen, wofür er sechs Jahre eingesperrt wurde.
Danach ging er zuerst nach Italien und als Susana oder Bijana Panic, wie der wirkliche Name heißt, der im Buch und im Veranstaltungsprogramm erwähnt wird, nicht nachkommen und schon wieder eine Sprache lernen wollte, zu ihr nach Wien.
Das Buch schildert nicht nur das Leben einer Flüchtlingsfamilie, die längst in Österreich heimisch geworden ist und ein Häuschen am Stadtrand bewohnt, sondern es zeichnet auch die Geschichte nach, wie es zu dem Zerfall Jugoslawien gekommen ist und geht so gar weiter in die Geschichte, in den ersten Weltkrieg und nach Österreich- Ungarn zurück.
Im ersten Kapitel schreibt die Pensionistin, die schon einige Erzählungen in Anthologien veröffentlicht hat, von ihrem Wunsch einen Roman zu schreiben, durch ihre Bekanntschaft mit Susana Jovanovic ist ihr das gelungen.
„Susana ist die Hauptfigur dieses Buches, das zu schreiben und zu veröffentlichen mir nun doch geglückt ist. Deshalb trete ich jetzt zurück. Genug des Sinnierens. Ich habe mich ausreichend vorgestellt. Sie kennen mich nun. Vorderhand verabschiede ich mich und lade Sie ein, lesend das Leben Susanas zu verfolgen“.
Ganz hat sie diesen Vorsatz nicht durchgehalten, taucht sie doch immer wieder in den weiteren Kapiteln auf und am Ende geht es um das Schreiben und um die Schreibschulen, in denen man es lernen kann.
„Ich habe keinen Schreibkurs besucht. Meine Texte sollen aus mir kommen, aus meinen Überlegungen un in meinem Stil, nicht der eines Lehrers oder einer Lehrerin“, schreibt sie auf der vorletzten Seite, was, wie meine Leser wissen werden, so auch nicht ganz stimmt, haben wir uns doch die letzten zwei Jahre öfter mit Robert, Ruth, Ilse und und Fritz im Cafe Ludwig in der Westbahnstraße getroffen und daraus am sechsten März gelesen.
Am Abend in der Hauptbücherei gab es dann einige Bekannte, Margot Koller war mit ihrer Freundin da, Irene Wondratsch, Ingeborg Reisner, Klaus Khittl und und und …
Alexander Lellek, der Verlagsleiter leitete damit ein, daß er nicht wüßte, wieviele Bücher Ruth Aspöck schon geschrieben hat, dann begann der Schwiegersohn von Bijana Panic, der im bosnischen Fernsehen als Kameramann tätig ist, am Akkordeon zu spielen, bevor Renata Schmidkunz von Ruth Aspöck wissen wollte, wie sie auf die gekommen ist, das Buch zu schreiben?
Dann begann die Lesung mit verteilten Rollen und dann noch einmal ein Gespräch, das in eine ziemlich aufgeheizte Diskussion im Publikum führte, wo es um die die bosnische beziehungsweise serbokroatische Sprache und um die Frage ging, wie lange man sich noch als Bosnier oder schon als Österreicher fühlen kann und soll?
Spannend von der Literatur, in die Soziologie und vielleicht wieder zurück zu kommen und von Ruth Aspöck, die ihr viertes „Löcker Buch“, wie sie betonte über die Gegenwart und Wien schreiben wollte, habe ich sehr viele Bücher gelesen.
Wieviele sie geschrieben hat, weiß ich ebenfalls nicht, werde aber die, über die ich schon gebloggt habe, hier verlinken und interessant ist auch auch die Frage ob „ihr Ziel mit diesem Buch Susana Jovanics Leben und das ihres Umkreises darzustellen und verständlich zu machen“, gelungen ist.
Biljana Panic antwortete jedenfalls auf Renata Schmiedkunz Frage, daß das Buch etwas für sie ist, daß sie an ihre Kinder weitergeben kann und, daß sie also überleben wird.