Literaturgefluester

Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau

Werbeanzeigen

Die  „Theodor Kramer Gesellschaft“ hat das 1986 erschienene „politische Buch“, der Journalistin und Schriftstellerin Elisabeth Freundlich „über die NS-Vernichtungspolitik in Polen von 1939-1945“ wieder aufgelegt und mit mehreren Vorworten und Nachworten, Bildmaterial, sowie einem Interview mit Rabbi Moyshe-Leib Kolensik versehen, das von Paul Rosdy herausgegeben wurde.

1986 war die 1906 in Wien geborene Elisabeth Freundlich, achtzig, die 1938 mit ihren Eltern nach Zürich und Paris emigirierte, später in die USA kam, dort eine Ausbildung zur Bibliothekarin machte, in Wien hat sie Germanistik, Romanistik und Theaterwissenschaft studiert und 1950 nach dorthin zurückkehrte.

Sie war die Frau des Philosophen und Schriftstellers Günter Anders und ist 2001 gestorben.

1986 ist zeitgleich mit dem genau recherchierten Buch, ihr Familienroman „Der Seelenvogel“ und die vier Erzählungen „Finstere Zeiten“, herausgekommen, wo eine  einmal von Ruth Aspöck im Rahmen des Lesetheaters im Literaturhaus aufgeführt wurde.

Nun also das „politische Buch“ der Journalistin, die auch als Kulturkorrepondentin bei der Berichterstattung von NS-Prozessen gearbeitet hat und 1986 ein sehr umfangreiches Werk über die Geschehnisse in der Stadt Stanislau, die heute Iwano Frankowsk heißt, vorlegte.

In sieben Kapiteln nähert sie sich dem „Schauplatz Galizien“ an, erwähnt, daß „das bunte Völkergemisch“, das in der K und K Monarchie in der  heutigen Ukraine lebte, „Ruthenen“ hießen und beschreibt in der „Neuordnung Euopas“, die vielseitige Besatzungsgeschichte der Ukraine, die einmal zur K und K Monarchie, dann zu Polen und zur Sowetunion gehörte, bevor sie 1941 von den Deutschen besetzt wurde.

In Briefen und Dokumenten wird, die sogenannte „Bevorzugung der Ukrainer“ beschrieben, die sich offenbar, um der SU Herrschaft zu entkommen teilweise gerne von den Deutschen „beschützen“ ließen und beschreibt auch sehr genau, die „Kindertransporte“, wo im Rahmen der Aktion „Lebensborn“ unter der Leitung, der Wiener Psychologin Hildegard Hetzer, von der ich während meines Studiums, ich habe die Entwicklungspsychologie noch bei Prof .Bayer-Klimpfinger besucht, einiges hörte, die blonden und bläuäugigen Kinder nach ihrer „Eindeutschungsfähigkeit“ ausgesucht und  nach Deutschland verschickt wurden.

Im vierten Kapitel geht es, um die „Sache“ oder die Ermordung der „Professoren“ der Universität Lemberg, die sie mit Zeugenberichten beschreibt und anmerkt, daß die „Besetzung durch die Nationalsozialisten im „District Galizen“, bevorzugt durch die „alten Kämpfer aus Österreich“ erfolgte.

Nach einem kurzen „Exkurs über die Zigeuner“, geht es zum „Massaker von Stanislau“ dem Kernstück des Buches, da diese Stadt in Ostgalizien, beziehungsweise in der Westukraine, die erste war, die im Juni 1943, als „judenfrei“ nach Berlin gemeldet wurde, wurden doch am 12. Oktober 1941, „an einem Sonntag und dem letzten Tag des Laubhüttenfests“ im Friedhof zwölftausend Menschen erschossen.

Peinlich genau und zu lesen schwer erträglich, hat dies Elisabeth Freundlich in Zeugenberichten Stück für Stück dargestellt.

Im Interview mit der Autorin Susanne Alge, die ihre Dissertation über Elisabeth Freundlich schrieb, meinte sie, daß „ihr das Buch deshalb so wichtig war, weil sie es als  Danksagung betrachtete, daß sie und ihre Eltern den Holocaust überlebten.“

Heute ist Elisabeth Freundlich, wie Konstantin Kaiser in seinem Vorwort schreibt, als Schriftstellerin ziemlich vergessen, deshalb ist die Wiederauflage des Buches sehr wichtig, obwohl die Anneinanderreihung von Fakten, Tatsachen und Protokollen nicht sehr leicht zu lesen ist, es gibt aber immer wieder einen leicht ironischen Unterton,  der den Inhalt ein wenig erträglicher werden läßt.

Das Buch wurde inzwischen auch, wie der Herausgeber in seinem Vorwort schreibt, in der Ukraine herausgebracht. Einige in der Erstausgabe vorhandene Ungenauigkeiten und Fehler wurden von dem ukrainischen Professor Jaroslaw Hryzak in seinem Nachwort aktualisiert und richtiggestellt.

 

 

Werbeanzeigen

Werbeanzeigen