Kater-Poesie
Versuch, einen Absacker zu fassen ...
Von Roman Kern
Dem Alkohol war so mancher Autor sehr zugetan und die Trunksucht selbst wurde oft genug literarisiert. Was läge also näher als eine Sammlung von Fundstücken aus dem Bodensatz des Glases von gestern abend?
Das dachte sich offensichtlich auch der Patmos Verlag und veröffentlichte die vorliegende Anthologie. Es handelt sich um Stücke unterschiedlicher Länge, wobei dem Hörer niemals mehr als drei Minuten zugemutet werden - es scheint, als habe man sich willentlich um die Würze der Kürze bemüht.
41 Stücke sind auf der CD versammelt - sechs Mal wird der stetige Fluss der Worte durch Musik unterbrochen. Gerd Besseler spielt, was der Begleittext 'Katermusik' nennt: es handelt sich um kurze Zwischenspiele am Flügel, die mal gravitätisch vor sich hin kadenzen, mal freiflottierend zum Jazz anheben - über allem scheint ein wenig Melancholie zu liegen und hin und wieder schwebt, kaum fassbar, eine Melodie im Raum, die an 'Bei mir bist Du scheen ...' erinnert.
Die vertretenen Literaten sind so unterschiedlich wie die Beschaffenheit und Länge der Texte. So findet sich Goethe bei einem Gläschen Wein neben Paul Scheerbart, der gerade Grog trinkt. Zusammen besuchen sie Konrad Weichbergers "Gartenlokal" und lassen währenddessen Kurt Tucholsky bei seinem "Sauflied, ganz allein". Ringelnatz lässt sein Glas Burgunder 'Oh' rufen, ganz so, als hätte man nichts anderes von ihm erwartet und Robert Gernhardt kommt über alten Wein zum Sherry bis er zuletzt weiss wie das ist: "einen in der Krone haben' heisst sein Titelbild nicht von ungefähr.
Neben den Genannten tummeln sich noch weit mehr Personen auf der illustren Gästeliste, und so ist in jedem Fall für Abwechslung gesorgt: Bertolt Brecht etwa hat 'Ein kleines Lied' mitgebracht - ihm wird dazu von dem schrägen Damengespann Carmen-Maja Antoni und Johanna Schall sauber eingeschenkt.
Ansonsten lesen in der Hauptsache Otto Sander und Dieter Mann. Beide haben die tiefen, rauchigen Stimmen, die man sich zu solch einem Abend wünscht, wobei Dieter Mann in seinen besten Momenten eine Virtuosität gelingt, die Otto Sander streckenweise wie einen Anfänger wirken lässt. Im Ganzen hätte ich mir noch ein wenig mehr Zungenschlag gewünscht, doch das ist sicherlich Geschmackssache.
Die Zusammenstellung gelungen und unterhaltsam zu nennen, darf nicht geschehen ohne die Frage nach der Anwendung: muss sie innerlich oder äußerlich erfolgen, sollte man sie allein genießen oder lieber in Gesellschaft? Und, in letzterem Fall, ist man besser aufgehoben in Begleitung der Herzensdame, des besten Freundes oder einer Flasche Whiskey? Sollte man zuletzt vielleicht alles zugleich ausprobieren?
Prinzipiell sind der Phantasie sicherlich keine Grenzen gesetzt und so dürfen Sie sich getrost ihre Packungsbeilage selber schreiben. Bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von 14,95 EUR bleibt zumindest noch ein Taschengeld zum anschließenden Selbstversuch, falls Sie sich mehr als einmal die Lippen geleckt haben sollten.
Na denn, Prost!
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