Leserbriefe zur Rezension

Fünf Freunde

Nico Hofmann hat es wieder getan: Die ZDF-Serie „Unsere Mütter, unsere Väter“ setzt neue Maßstäbe in der massenmedialen Verharmlosung deutscher Schuld im Zweiten Weltkrieg

Von Jan Süselbeck


Claus Hornung schrieb uns am 27.03.2013
Thema: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Sehr geehrter Herr Süselbeck,

diese Kritik bringt vieles auf den Punkt, was ich ebenfalls beim Anschauen der Serie dachte. Angefangen mit dem mit "Shalom" grüßenden jüdischen Freund in der Clique. Spätestens als die deutschen Soldaten entgegen jeder Wahrscheinlichkeit den MG-Schützen nicht direkt erschossen haben, wurde mir klar, dass diese Serie sich nicht mit dem Ruhm bekleckern wird, dem man ihr schon im Vorfeld zuschrieb.
Ganz abgesehen davon, dass diese Szene mich wie Sie an "Private Ryan" erinnerte. Ebenso wie die, wo die länger eingesetzten Soldaten nicht den Namen eines Neuankömmlings wissen wollen, weil er ohnehin bald stirbt, an eine Szene in "Band of Brothers".

Sie haben recht: dieser Film ist in vielen Teilen unrealistisch und oft sehr bemüht.

Allerdings widerspreche ich in einem Punkt heftig.
Denn ein Film darf zeigen, dass es auch "gute" Deutsche gab, oder welche, die sich zumindest zwiespältig verhielten - so wie beispielsweise in "Schindlers Liste".
Und es ist auch nicht Aufgabe eines Films über deutsche Frontsoldaten überall darauf hin zu weisen, welche Verbrechen außerdem noch stattgefunden haben.Schließlich muss auch keine Dokumentation über die Verbrechen an den russischen Kriegsgefangenen gleichzeitig alle Grausamkeiten Stalins ansprechen. Jeder historische Film, jeder historische Romandreht sich schließlich um einen bestimmten Abschnitt oder um bestimmte Personen - willkürlich vom Autor ausgewählt.

Entscheidend ist: ein solcher Film sollte sich an die Realitäten halten und nicht so plump erzählt werden wie in diesem Fall.


Gottfried Scherer schrieb uns am 29.03.2013 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Die Kritik ist sehr argumentativ und treffend, weil der Filmtitel ja eben nicht ein Einzelschicksal anzeigt, sondern unterstellt, dass dass unsere Mütter und Väter in etwa so gewesen seien. Sie sollen wohl so gewesen sein, damit wir uns wohler fühlen sollen. Allerdings wird Schuld nicht vererbt, wenn man das Erbe nicht antritt. Warum wird immer wieder daran gearbeitet, Unrecht für Recht oder doch als nicht ganz so schlimm auszugeben?


Annalisa Kreimeyer schrieb uns am 28.03.2013
Thema: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Vielen Dank für diese herausragend präzise Kritik, die alles gekonnt auf den Punkt bringt, was ich beim Ansehen empfunden habe.


Jens Prausnitz schrieb uns am 29.03.2013
Thema: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Fantastische Analyse, die mich mit neuen Gedanken und Argumenten versorgt, um den Schaden, den dieser Dreiteiler angerichtet hat, wenigstens ansatzweise in Diskussionen zu begrenzen. Vielen Dank!


Finn schrieb uns am 30.03.2013
Thema: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Ihre Kritik kann ich nicht nachvollziehen.
Nur ein paar wenige Punkte: Schweren Herzens muss ich in diesem Fall der Bild-Zeitung recht geben, dass die Rote Armee zunächst (fast) keine Gefangenen gemacht hat. In den ersten beiden Jahren haben nur 10 % überlebt, in der Regel wurden die Kriegsgefangenen sofort getötet, oft davor gefoltert. Die nachrückender deutschen Soldaten fanden nicht selten ihre Leichen in verstümmelter Form vor - dazu gibt es zahlreiche Zeugenaussagen und sogar Filmaufnahmen. Erst als dann sehr viele Gefangene gemacht wurden, wurde ein System entwickelt, um sie zu versorgen. Dann haben tatsächlich viele überlebt.
Das Prinzip der sog. Wechselrahmung klingt zwar wissenschaftlich, ist aber schon bei Harald Welzer und Co alles andere als schlüssig. Es bleibt bei einer bloßen Behauptung, sie können aber in keinem einzigen Fall (!) nachweisen, dass die Befragten etwas aus Filmen erzählen und nicht etwas, was sie tatsächlich erlebt haben. Vergewaltigungen, Leichen an den Straßen usw. hat es nun mal tatsächlich gegeben. Nun sind die Autoren keine Historiker, trotzdem hätten sie ruhig mal die Fachliteratur hinzuziehen können, bevor sie einfach etwas behaupten.
Genauso ist es z.B. eine nicht seltene physiologische Reaktion, dass man sich bei extremer Angst in die Hosen macht. Kommt sicher häufig in Kriegssituationen vor - das braucht man nicht von Remarque abschreiben.
Völlig unverständlich ist mir, dass Sie sich darüber beschweren, dass am Schluss das zerstörte Berlin gezeigt wird. Jeder weiß, dass die Innenstadt von Berlin zerstört war, wie viele andere deutsche Städte. Wer es nicht glaubt, kann sich ja mal die Luftaufnahmen der Alliierten anschauen. Und die deutschen Freunde treffen sich am Schluss nun mal in Berlin und nicht in Warschau. Hätte man es, entgegen jeder historischen Wahrheit, unzerstört zeigen sollen??


Finn schrieb uns am 04.04.2013
Thema: Jan Süselbeck: Fünf Freunde

Darf ich noch etwas ergänzen? Ich habe gerade noch einmal das Kriegstagebuch von dem Pazifisten und Nazi-Gegner Kurt Kretschmann ("Und da leben Sie noch. Erinnerungen") durchgeschaut. Er beschreibt einige Situationen, die auch der Film zeigt - nur viel drastischer. Die Kälte und das furchtbare Frieren im Winter, z.B. am 4. März 1942 sind es noch 42 Grad unter Null. Den ständigen Hunger - so kochen sich die Soldaten Sauerampfer, um ein bisschen was im Magen zu haben. Die Toten und Verletzten. Die furchtbaren Zustände in den Bunkern. Hier ein Beispiel:
"4. Januar 1943. Unsere Männer leben in unaussprechlichem Dreck. Die Bunker, tief im Schnee vergraben und oft von den Stürmen der Nacht verweht, sind das Primitivste, was ich auf diesem Gebiet kennenlernte. Die Unterkünfte sind Erdhöhlen, angefüllt mit Lumpen und frierenden Soldaten. Wenn ich bei Impfungen und Kontrollen durch die Kompanien gehe, bin ich zum Schluss wie betäubt. Um dem unterträglichen Leben zu entgehen, greifen manche Soldaten zur Selbstverstümmelung. Ein besonders krasser Fall trug sich vor kurzem zu, als ein Unteroffizier seine linke Hand inn Wasser tauchte und dem Frost bis zum Erfrieren aussetzte. Der Arzt, den ich um seine Meinung fragte, antwortete mir: 'Die Menschen sind auf Grund der fürchterlichen Lebensbedingungen nicht mehr bei klarem Verstand'"
Weiter schreibt er, dass Selbstverstümmelungen nicht selten vorkamen und daher Strafen bis zum Erschießen angedroht wurden. Er berichtet auch von Kriegsverbrechen und der furchtbaren Lage der Zivilisten.
Es lohnt sich, solche Soldatentagebücher zur lesen, um ein wesentlich realistischeres Bild zu bekommen, als es in einem solchen Film präsentiert wird. Auch Wolfgang Borchert ist eine interessante Lektüre.