Leserbriefe zur Rezension

Wir und Hegel?

Albrecht Koschorke erläutert die idealistische Geschichtsphilosophie narratologisch und wirft einen kulturtheoretischen Blick auf die gegenwärtige Krise Europas

Von Norman Ächtler


claudia schmölders schrieb uns am 03.05.2016
Thema: Norman Ächtler: Wir und Hegel?

Vielen Dank für diese umsichtige und kenntnisreiche Rezension des Buches von Albrecht Koschorke. Was dieser in einer kurzen Anmerkung sagt, möchte ich auch Ihnen in Erinnerung rufen. Es fehlt völlig der Hinweis auf die tragende Idee des Hegelschen Optimismus: die Adoration der Griechen. Weder Hegel noch Humboldt noch Hölderlin noch Nietzsche und vor allem nicht Heidegger wären denkbar ohne ihre schon zu Schulzeiten erworbene heimliche Heimat des Hellenentums, ohne die geistigen Werkzeuge, die unerhörten Innovationen, die gesamte Aufbruchstimmung und last but not least: die politisch republikanische Organisation dieses alten Landes. Das Scheitern der EU ist ohne die Griechenkrise nicht zu denken; und die Geschichte dieses Scheiterns wiederum, die schon 1830 mit dem Buch von Fallmerayer über die Verachtbarkeit der lebenden Griechen beginnt, ist mit der Haltung einer europaweiten narzisstischen Bildungselite identisch, die sich gerade jetzt wieder artikulieren will. Vielleicht findet sich ein Kulturwissenschaftler mit politischer Mission für diese memoria? Ich selbst habe 2012 eine Radiosendung dazu verfasst - aber Koschorkes Buch gäbe endlich den methodischen Rahmen.
Claudia Schmölders