Leserbriefe zur Rezension

Ein einfaches Kind aus dem Volke

Susanne Alberti erzählt die Lebensgeschichte von Fausts Gretchen

Von Rolf Löchel


Iris Paternoster schrieb uns am 02.09.2003
Thema: Rolf Löchel: Ein einfaches Kind aus dem Volke

Ein Kompliment an Literaturkritik.de! Dass eine Neuerscheinung so schnell erkannt und gewürdigt wird, ist beeindruckend wie die Sorgfalt, mit der Rolf Löchel diesen Roman gelesen hat. Ich wundere mich nur, daß er die Fülle von Verweisen auf das Leben Goethes, z.B. seine Farbenlehre oder die Morphologie, ebenso übersehen hat, wie den Dekonstruktivismus, mit dem die Autorin Verse aus Faust I modifiziert, z.B. die Brunnenszene oder das Vogelmotiv aus der Kerkerszene.
Mich verwundert auch, daß es dem Rezensenten der Erwähnung wert erscheint, daß die Autorin die Sozialgeschichte des 18. Jh. studierte, um das für den Stoff wichtige Umwelt zu gestalten. Anders wäre es zeitgenössischen Autoren kaum möglich, historische Stoffe zu gestalten, denn aus eigener Erfahrung kennen sie die sozialen Verhältnisse vergangener Zeiten nicht.
Verblüffend für mich auch die Frage am Ende der Rezension, ob "die Geschichte...wirklich erzählt werden mußte." Müssen muß ein Autor oder eine Autorin wohl nur sterben, jedenfalls so lange es keinen gesetzlichen oder sonstigen Schreibzwang gibt. Bei uns an der Universität hält man solche Bemerkungen für apodiktisch.
Mit freundlichem Gruß Iris Paternoster


Wolfgang Körner schrieb uns am 03.09.2003
Thema: Rolf Löchel: Ein einfaches Kind aus dem Volke

In einer Zeit des Niedergangs der Feuilletons kann ein Forum wie Literaturkritik nicht begeistert genug gepriesen werden. Da auch Rundfunk und Fernsehen ihrer Aufgabe der Literaurvermittlung immer weniger gerecht werden, wandert der Diskurs immer mehr ins internet ab. Das macht Literaturkritik.de wichtiger, führt aber auch zu erheblicher Verantwortung des Rezensenten, der seiner Aufgabe kaum gerecht wird, wenn er sich - wie hier geschehen - weitgehend auf eine Inhaltsangabe beschränkt und seine Empfindungen bei der Lektüre anmerkt. Eine Analyse der Struktur, z.B. des Wechsels zwischen möglichen Erzählperspektiven, sowie der Bezüge zu Goethes Faust hätte diese Kritik noch hilfreicher gemacht. Die erste, leicht zugängliche Ebene eines Textes erschließt sich dem Leser nämlich meist auch ohne Rezensionen. Von Literaturkritik erwartet er ein wenig mehr.