Tomas Espedal: Wider die Kunst Matthes & Seitz Verlag

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„Worte und Sätze gingen mir durch den Kopf, als wäre das Innere meiner Augenlider ein umgedrehtes Blatt Papier, auf dem jemand schrieb, ein dunkles Papier, auf dem die Wörter mit voller Kraft einschlugen, sie leuchteten.“

Für mich besteht das ganze Buch aus solch leuchtenden Wörtern, Sätzen, obgleich viel von Dunkelheit die Rede ist. Das neue Buch von Espedal ist ein melancholisches Buch in hochpoetischer Sprache.
Espedal erzählt vom Verlust der Mutter, vom Verlust der Frau. Er lebt mit seiner Tochter nun allein im Haus seiner verstorbenen Frau auf einer kleinen Insel. Als er spürt, dass er seiner Tochter, die im Teenageralter ist, weder ausreichend Vater und schon gar kein Mutterersatz sein kann, bleibt ihm das Schreiben als stärkster Halt.

„Das war also eine zerbrechliche Konstruktion, mein Tag; ich musste ihn auf festeren Boden bauen, ihn auf eine tiefere Notwendigkeit gründen, vielleicht war es nötig, alles umzustürzen, all meine Gewohnheiten durch neue ersetzen? Oder, noch schwieriger allen Gewohnheiten vollständig abzuschwören?
Oder ich musste sehen lernen: dasselbe mit neuem Blick sehen lernen.“

Manchmal wirkt Espedals Schreibweise bruchstückhaft, als wäre es schwierig im tatsächlichen Erleben der Trauer zu bleiben und lieber Erinnerungen hervorzurufen. Diese Zeitsprünge verdeutlichen sehr die Zerrissenheit und den Seelenzustand des Autors.
Espedal erzählt, wie er als Jugendlicher zum Schreiben fand und Notizbuch um Notizbuch füllte, mit der Hand schrieb und mit der Schreibmaschine abtippte, Hunderte von Seiten, und wie er durch dieses stete tägliche Schreiben und durch Lesen, auch durch Lesen von Gedichten, erst zum Schriftsteller wurde. Schreiben ist für ihn Arbeit, geliebte Arbeit und Handwerk.

„Auf meine Weise habe ich ihren Tod übernommen, wir rauchen in derselben Art, schreiben in derselben Art, notieren mit der rechten Hand und halten die Zigarette im Mund, wenn wir mit beiden Händen an der elektrischen Schreibmaschine das Notierte auf das weiße Blatt übertragen.“

So erzählt er von der Begegnung der Eltern, der speziellen Verbindung zur Mutter. Er denkt an Handkes Buch über den Tod der Mutter (welches ich selbst erst kürzlich las und hier vorstellte). Dabei geht er zurück bis zu den Großeltern und erkundet im Schreiben die eigene Herkunft, um sie mit der Gegenwart, dem Erwachsenwerden der Tochter, dem eigenen Älterwerden, der erlebten Natur, Wachstum und Verfall in den Jahreszeiten, zu verbinden.
Ein wunderschönes kostbares Buch!  Ein nordischer Sprachzauberer, dieser Espedal!
Ein Leuchten!

Wider die Kunst ist im Matthes & Seitz Verlag, Berlin erschienen, wie auch die beiden vorherigen Bücher Espedals: Gehen oder die Kunst ein wildes poetisches Leben zu führen und Wider die Natur, die ich ebenfalls leuchtend empfehle.

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