Bilderbuchfamilien und unpersönliche Leere – „Ultra Fuckers“ von Carlton Mellick

Tammy und Tony sind auf dem Weg zu einem wichtigen Geschäftsdinner. Tammys Chef achtet peinlich genau darauf, welcher seiner Mitarbeiter es wagt, nicht auf „zusammen schweißenden“ ausserberuflichen Treffen zu erscheinen, also sollte sie lieber pünktlich sein, um ihren Job zu behalten. Tony hat eher wenig Verständnis aber was man nicht alles für seine Freundin tut, fährt er schlechtgelaunt mit. Die Reihenhaussiedlung wirkt auf den ersten Blick wie jede andere Neubautenansammlung im Lande, wenn auch ein wenig ruhig. Eine Adresse haben die beiden, nur finden tun sie sie nicht sofort.

Eigentlich finden sie sie gar nicht, denn je weiter sie sich in den immer gleich aussehenden Straßen verfitzen, desto sicherer sind sie sich, dass hier etwas faul sein könnte. Und Carlton Mellick wäre nicht er selbst, wenn er die beiden einfach wieder nach Hause fahren ließe. Denn diese Siedlung übernimmt gerade im Alleingang die gesamte Welt und in ihr leben seelenlose immer gleiche geformte Menschen, eine Familie mit zwei Kindern, einem Hund, einer Katze und dem immer gleichen Wagen in der immer gleichen Garage im einheitlichen Wohnhaus mit dem immer gleichen Fernsehprogramm, die dem Pärchen auch nicht heraus helfen können aus dem Labyrinth der immer gleich benannten Straßen.

„Ultra Fuckers“, die neue Mellick-Erscheinung aus dem Hause Festa, ist Carlton Mellicks Abrechnung mit den Wohnsiedlungen seiner Kindheit. Der Horror der Eintönigkeit, der in diesem Roman dann endlich auch alles überrollt, was individuell ist. Der American Dream von der Bilderbuchfamilie im Reihenhaus mit abgestecktem Rasen und Nachbarn, die wochenends das Auto waschen wird hier genau so verarbeitet, wie die Unpersönlichkeit von Fastfoodketten überall im Lande. Die andere Seite dieses Buches ist die Anlehnung an die übertriebenen japanischen Punkrockbands, in diesem Fall die „Ultra Fuckers“, die ihrerseits der Gegend auch ihren Lebensstil aufpressen wollen und sinnlos gegen alles wüten, was auch nur „spießig“ scheinen könnte.

Natürlich reden wir hier immer noch nicht von einem gesellschaftlichen Essay, sondern von Bizarro Horror, weswegen die Situationen auch immer absurder werden, je weiter der Leser sich in der Siedlung verfängt. Ausserdem kommt das Buch daher mit einem zehnseitigen Interview mit Mellick, so wie einem ausführlichen Vor- und Nachwort vom Autor und Christian Endres.

Wie irgendwie alles von Carlton Mellick weiß auch Ultra Fuckers wieder zu begeistern, erschienen ist das Büchlein beim Festa Verlag im Juni diesen Jahres und erhältlich für 12,80 € .

 

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