Unendlicher Spaß von David Foster Wallace

Als „Alles und noch mehr“ beschreibt Don Delillo Wallace das 1543 Seiten starke Werk, was ich nur unterstreichen kann.

„Unendlicher Spaß“ spielt in naher Zukunft, wenn ich richtig mitgerechnet habe, im Jahr 2009, oder auch „Das Jahr der Inkontinenz Unterwäsche“, wie es im Buch genannt wird. 1996 in den USA erschienen, schwingt die ganze Zeit über diese technikorientierte Grausamkeit, welche Utopien meist anhaftet, mit, und lässt mich eigentlich darauf hoffen, dass sich alles doch etwas später zuträgt (und somit vermeidbar wird). Das Leben ist zu dieser Zeit sehr fernsehorientiert. Fernsehen, wie wir es heute kennen, bzw. „terristrisches Fernsehen“ existiert nicht mehr. Man hat den Fokus auf Filmpatronen gelegt, die Filme oder Serien enthalten und so ganz ohne Werbeunterbrechungen oder Wiederholungen angesehen werden können. Hauptakteure sind Hal Incandenza, der als Hochleistungsportler an der Enfield Tennis Akademie lernt und dort mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder Mario lebt. Einst war Hals Vater Rektor der E.T.A., jedenfalls war er das, bis er seinen Kopf in die Mikrowelle steckte und sich damit umbrachte.

In der Nähe der E.T.A. liegt das Ennet House, eine Entzugsklinik für Drogensüchtige, in der Gately, ein ehemaliger Suchtkranker, jetzt arbeitet. Eigentlich hat jede Person im Buch das ein oder andere Suchtproblem. Hal leidet beispielsweise unter Cannabisentzug, um den Urintest für ein wichtiges Tennismatch zu bestehen.

Immer wieder machen Gerüchte von einer Filmpatrone die Runde, deren Film den Zuschauer dermaßen fesselt und in Spaß ertränkt, dass essen, schlafen und alle anderen Bedürfnisse in den Hintergrund rücken. Diejenigen, die den Film sahen, haben sich nie wieder davon erholt. Logisch, dass so ein Film noch verlockender scheint, wenn man mit den eigenen Entzugsproblemen zu kämpfen hat…

Oft wurde es angesprochen, aber ich muss es doch noch einmal wiederholen: David Foster Wallace ist unfassbar wortgewandt. Sobald man das Buch aufschlägt, ist man Gast in Wallace’ Wortzirkus, und muss mit allem und nichts rechnen. Mit Absicht kompliziert gehaltene Formulierungen beschreiben eigentlich einfache Vorgänge; authentische Dialoge, zum Teil wahnwitzige Figuren, die sich mit einer gut dosierten Dosis Tragikkomödie abwechseln. Erwähnenswert sind auf jeden Fall auch Wallace’ Fußnoten, die einen dazu zwingen, ständig im Buch hin- und herzublättern, und die auch schon mal aus einem mehrseitigen Telefonat bestehen können, oder auch nur aus einem „Keine Ahnung.“; was seinen Figuren eine von mir bis dato unbekannte Eigenständigkeit verleiht, weil der Autor sich dermaßen von ihnen distanziert.

Sie merken schon, dieses Buch ist anders. Anders, als alle, die sie vorher gelesen haben mochten. Die Story entspinnt sich, hangelt sich fast unsichtbar über Wortkombinationen und Fußnoten zu Formulierungen, und wäre doch an sich sehr schnell erzählt.

Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass Wallace sich stil- und aufbaumäßig weiter aus dem Fenster lehnt, als andere Autoren. Obwohl die Wortgewalt immens ist, hat man beim Lesen den Verdacht, dass Wallace immer noch nicht alles gesagt hat, was er sagen möchte.
„Unendlicher Spaß“ setzt neue Erwartungstandards an alle Bücher, die man danach lesen wird, und ist absolut zu empfehlen, wenn man Lust auf etwas Neues, Größeres und Verrückteres hat.

Wirklich schade ist nur, dass man David Foster Wallace nicht mehr zu seinem Werk beglückwünschen kann, da er sich am 12. September 2008 das Leben nahm.

Anmerkung der Redaktion: “Unendlicher Spaß”, im Original 1996 erschienen, ist 2011 bei Rowohlt neu aufgelegt worden und wurde auf extra dünnes „Bibelpapier“ gedruckt, wohl um noch als Taschenbuch durchzugehen. Alexandra Montag hat für uns das Buch komplett gelesen über die letzten Monate.  HIER kaufen für 17,99 €

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