Die TAZ nennt das Klima in Richard David Prechts neuer Talk-Sendung “Precht” “frisch verliebt”. Ich nenne es kuschelig. Die Sendung gibt einem das Gefühl von Friseurbesuch. – Möchten Sie noch eine Kopfmassage? – Oh gern, oder legen Sie einfach “Precht” auf. – Aber dabei kann man es nicht belassen.
Ich mag Herrn Precht nicht. Nein falsch: Ich mag sein Auftreten nicht, sein Image nicht, seine Eigeninszenierung im Glanze der Alltagsphilosophie. Aber wenn ich all das abziehe bleibt: Er ist erfolgreich und vermutlich hat er sich diesen spätnächtlichen Talk im ZDF wirklich verdient, allein schon deswegen, weil er zum Denken anregt, was im Grunde auch mein tägliches Arbeitsziel ist. Das haben wir gemeinsam und deswegen verfolge ich seine Arbeit auch, obwohl ich die Medienperson, das Siegel “Precht” nicht mag.
Eine liebe Kollegin animierte also dazu, die Sendung zu schauen. Zur Thematik: Besprochen wird in der ersten Sendung während Prechts Gesicht durch den Vorspann schwebt das Thema “Skandal Schule – Macht Lernen dumm?”. Reißerischer Titel, wichtiges Thema. Die Kritik am Schulsystem ist berechtigt und Precht sehr gut vorbereitet, er liest nicht vom Prompter ab aber – und hier der erste Kritikpunkt an der Sendung : Das Format ist intim aufgebaut, zwei Personen an einem nicht besonders breiten Tisch, kein Entkommen. Und dann ist das erste, was Precht tut, einen Text stockend schlecht aufzusagen, den er auswändig gelernt hat. Zwar stößt das die Diskussion an, weil Gerald Hüther, sein Gast, natürlich darauf vorbereitet ist, dass nicht völlig frei gesprochen wird. Das ändert sich im Laufe der Sendung, aber fällt nicht komplett weg. Ein wenig steifes Aufsagen bleibt, der Dialog wirkt doppelt durchgespielt. Das ist schade, denn : Die Sendung ist gut.
Man hat bei philosophischem Diskurs wenige Möglichkeiten der öffentlichen Abbildung. Für gewöhnlich würde man das Publikum mit in den Raum einladen, aber hier wird auf Besucher verzichtet, es gibt nur die beiden Diskussionsteilnehmer. Diese Stille, die im Raum herrscht verursacht das ruhige Klima, was seinerseits wieder zu diesem Kopfmassagen-Kuschelgefühl führt, das man eigentlich nicht haben sollte, wenn man kritisch diskutiert. Denn zu diesem Diskurs gehört nicht zuletzt auch ein wenig Emotion und diese ist hier nicht vorhanden. Precht und Hüth mögen sich und “Die Stimmung schien übrigens auch den Kameramann zu ergreifen, immer wieder schwenkte der auf Prechts Brust und sein lässig aufgeknöpftes Hemd. Der mündige Zuschauer guckt von außen skeptisch auf so viel Glück.” (TAZ)
Das Schulsystem als Thema wird von vielen Blickwinkeln beleuchtet, kritisch auseinandergepflückt und zu neuen Ansätzen zusammen gepuzzelt. Das ist gut und konstruktiv, wesentlich sauberer mitzudenken als die überladenen Talkrunden mit vier Gästen von denen einer immer reinredet, einer nicht vom Standpunkt abweicht und die anderen beiden sich selbst besprechen.
Mitte der Sendung wird dem Zuschauer klar, ob dies ein Format für ihn ist oder nicht. Wer die Alltagsphilosophie aus Prechts Büchern erwartet und den direkten Egobezug, dem wird das Ganze nicht sonderlich viel geben. Für alle anderen reiht sich die Sendung in die wenigen kritisch konstruktiven Formate der Öffentlich Rechtlichen ein. Oder mit dem Onlineshoppingprinzip gesprochen: Kunden, die “Scobel” kauften, kauften auch “Precht”.
Precht lädt sonntags ab 23:25 im ZDF zur Diskussion
Ich glaube Precht würde Sie auch nicht mögen…
Davon gehe ich grundsätzlich erst einmal aus und ich glaube wir könnten beide sehr gut mit diesem Umstand leben ;)
kann man menschen wirklich zum denken anregen? (klingt ähnlich wie wiederbelebung!?) ich kenne precht nicht sehr gut, hat er selbstironie? nietzsche machte seine ansichten so prall und zurückhaltend zugleich kund – ich komme davon immer noch nicht los! (bald 200 jahre alt diese seine worte!)
obwohls egal ist: persönlich fühle ich mich von precht, wenn ich ihm zuhöre, eher gedanklich bevormundet als fasziniert.