novellieren

Amsterdam: Tipps und Wissenswertes

Amsterdam gehört mit Barcelona oder Venedig zu den europäischen Städten, die am meisten von Tourist*innen überlaufen sind. Das nimmt teilweise so skurrile Formen an, dass, so wurde mir erzählt, die Kalverstraat manchmal beidseitig abgesperrt ist und nur von so vielen Menschen betreten werden kann, die sie auch verlassen. Eine andere Maßnahme, die Tourist*innen in dieser kleinen Stadt (von der Fläche her ist Amsterdam ist etwa so groß wie Stuttgart und kleiner als Frankfurt) besser zu verteilen, bestand darin, den großen „I amsterdam“-Schriftzug vor dem Rijksmuseum abzumontieren und an weniger bekannten Orten der Stadt wechselnd aufzubauen. Und das 15 Kilometer entfernte Zandvoort-aan-Zee wurde kurzerhand in „Amsterdam Beach“ umbenannt, um die Gegend für Tourist*innen attraktiv zu machen.

Anfang September 2019, bei meinem Besuch, waren nicht so viele Besucher*innen zugegen. Oder anders gesagt: Es gibt zwar überlaufene Orte – doch zumeist muss man nur ein, zwei Mal um die Ecke biegen, um eine total ruhige und beschauliche Straße vorzufinden.

Anreise

Anreisen kann man von den meisten deutschen Städten problemlos mit dem Zug. Der IC fährt von Berlin aus gemütlich in 6 bis 6,5 Stunden durch und kostet, wenn man etwas früher bucht und flexibel ist, (auch ohne BahnCard) nur 40 Euro. Die Anreise von Frankfurt wird es etwas teurer; wer günstig fahren will, muss mehrere Umstiege in Kauf nehmen. Kölner*innen wissen, wie preiswert und schnell die Zugfahrt nach Amsterdam ist, allein aus München ist es mit rund 100 Euro alles andere als erschwinglich, will man nicht mehrfach umsteigen. Für Hamburger*innen wiederum gibt es mit einem Zugwechsel in Rheine bereits Fahrkarten für 35 Euro. Gut für die Öko-Bilanz, Leute.

Kultur

Was sofort auffällt: Die Buchhandlungsdichte ist hier etwa so hoch wie in Paris. So befinden sich mitten im Zentrum (!) in unmittelbarer Nähe zueinander mindestens vier große Buchhandlungen, das Athenaeum (bald mehr dazu), The American Book Center, Waterstones und der English Bookstore (Kalverstraat 223), noch dazu gibt es jeden Freitag auf dem Platz Spui einen Buchmarkt.

Andere sehenswerte Buchhandlungen sind etwa Scheltema (Rokin 9), das 1853 eröffnet wurde und auf 3.200 Quadratmetern eine große Auswahl (auch an deutschsprachigen Büchern) führt, oder das sehenswerte Architectura & Natura (Leliegracht 22-H) mit Spezialisierung auf Architektur, Landschaftsarchitektur und Naturgeschichte. Generell lohnt sich ein Spaziergang durch Amsterdam: Das Stadtbild ist durch die vielen Ladenlokale geprägt; an jeder zweiten Ecke stolpert man über eine Buchhandlung, ein Antiquariat oder einen Zeitschriftenladen.

Und sonst: An der Ecke Derde Leliedwarsstraat/Nieuwe Leliestraat im Jordaan findet ihr einen entzückenden Bücherschrank und auf der Torenslius-Brücke wacht die Statue von Multatuli, einem niederländischen Gelehrten aus dem 19. Jahrhundert. In seinem Roman „Max Havelaar“ prangert er das Kolonialsystem in Niederländisch-Indien (heute Indonesien) an; 2002 wurde es zum wichtigsten niederländischen Buch aller Zeiten gewählt. Und im Innenhof des Amsterdam Museums (Kalverstraat 92), einem alten Waisenhaus, können in kleinen Fenstern die Besitztümer ehemaliger Waisenkinder begutachtet werden.

Übrigens: Wer das Rijksmuseum besuchen will, um Rembrandts „Nachtwache“ zu sehen, sei vorgewarnt: Das Gemälde wird zurzeit geröntgt, ein bestimmter Scanner untersucht Millimeter für Millimeter die verschiedenen Lagen und Materialien, um festzustellen, wie die „Nachtwache“ 1642 im Vergleich zu heute aussah. 56 Scans werden laut Infotafel dafür benötigt; ein Scan dauert 24 Stunden.

Gastronomie

Wie in alle anderen Städten, so sind auch in Amsterdam alteingesessene Kneipen und Cafés bedroht. Es gibt sie aber noch – wie das großartige De Engelse Reet (Begijnensteeg 4), 1893 eröffnet und seitdem – mutmaßlich – nie renoviert. Diese Kneipe war unter anderem die Stammkneipe von Joseph Roth, woran ein kleines Schild erinnert, und auch der in den Niederlanden sehr bekannte Autor und Kolumnist Simon Carmiggelt war oft hier zu Gast, um ein Bierchen und einen Jenever (eine Variante des Gins, erinnert eher an Korn) zu zischen und den anderen Trinkenden zwecks Inspiration für seine nächste Kolumne zu lauschen.

Früher, so wurde mir erzählt, bestellte man in diesen Kneipen gerne den Houtsnip, eine Art Sandwich-Brot im wörtlichsten Sinne: eine Scheibe Roggenbrot zwischen zwei Weißbrotscheiben samt ein wenig Käse. Lecker! Das saugt garantiert den Alkohol auf.

Wer Hipsteriges, WLAN und englischsprachige Zeitungen sucht, ist im Village Bagels (Vijzelstraat 137, in unmittelbarer Nähe zum Stadtarchiv) an der richtigen Adresse. Und ein Besuch in der Foodhallen (Bellaymplein 51) lohnt ebenfalls, zum einen, weil man dadurch raus aus dem Stadtzentrum kommt und sieht, dass Amsterdam urbaner ist, als es auf den ersten Blick wirkt. Und zum anderen, weil es hier eine breite Auswahl an Streetfood (außerdem Modeläden, ein Kino, eine Bibliothek) rund um den Globus gibt. Am Wochenende ist das allerdings, ihr habt es vermutet, ganz schön überlaufen. Cooler ist da der Ten Katemarkt (Ten Katestraat) direkt vor den Foodhallen – open air, günstiger, weniger überfüllt.

Kurioses

Zu meinen Lieblingskuriositäten, über die ich in Amsterdam gestolpert bin, gehört De Poezenkrant. De Poezenkrant ist eine Zeitschrift, in der es ausschließlich um Hauskatzen geht. 1974 erstmals veröffentlicht, erscheint sie seitdem in ganz, ganz unregelmäßigen Abständen. Das Besondere am Poezenkrant ist nicht nur das Thema, sondern auch Layout und Design: Jede Zeitschrift sieht komplett anders aus, hat ein anderes Format, eine andere Größe, Seitenzahl und somit auch einen anderen Preis (beginnend bei 0,99 €); vom Zeitungs-, zum Flyer-, zum Zeitschriftenformat ist alles dabei. Alle (?) Ausgaben dieser kuriosen Zeitschrift findet ihr im Souvenirshop im Stadtarchiv (Vijzelstraat 32) und unter poezenkrant.com. Kleine Eselsbrücke zum Titel: „Krant“ bedeutet „Zeitung“, und das „oe“ wird im Niederländischen wie das deutsche „u“ ausgesprochen, also „pusen“ – wodurch die Nähe zum englischen „pussycat“ deutlich wird.

Neben dem Poezenkrant und dem interessanten Souvenirshop, in dem sich alles um Amsterdam dreht (aber nicht auf eine cheape Weise, wie man das sonst von Touri-Läden kennt), lohnt sich bei einem Besuch im Stadtarchiv auch der Gang in den Keller: Im Vorraum unter der Treppe lagern jahrhundertealte Bücher, und hinter den Safetüren eröffnet sich in ein ganz neues Reich, quasi die Schatzkammer. Hier werden Fotos und Dokumente der Stadtgeschichte ausgestellt, außerdem gibt es ein Kino, in dem alte Filme über die Stadt (ebenfalls umsonst) in Dauerschleife laufen.

Wer auf Kifftourismus steht: Im Grey Area (Oude Leliestraat 2) waren schon Stars wie Snoop Dogg, Woody Harrelson, Cypress Hill und Willie Nelson zu Gast. Ansonsten empfehle ich, wie oben schon erwähnt, das Schlendern durch die Viertel. Unterwegs stolpert man über die merkwürdigsten Dinge: Etwa diese Kuscheltierexplosion im Fenster eines Hauses und an zwei Bäumen davor, oder dieser gruselige Blick durch ein kleines Fenster in eine Galerie (Bild 4) – oder wie wäre es mit dem Electric Ladyland ­– The First Museum of Fluorescent Art (Tweede Leliedwarsstraat 5, und nein, ich war nicht drinnen)?

Hochschauen lohnt: Die meisten Amsterdamer Häuser sind so eng, dass oben am Dachgiebel Balken montiert sind, um Möbel und große Gegenstände über die Fenster in die Wohnungen zu heben. Mit ein bisschen Glück bekommt man beim Spaziergang eine live Demonstration dessen, wie das funktioniert.

Ein letzter Tipp noch: Im Buch „Lieblingsorte Amsterdam“ von Bettina Baltschev (Insel Verlag) findet ihr viele ungewöhnlichere Sightseeing-Empfehlungen fern des Mainstreams.

Disclaimer: Einige dieser Orte wurden im Rahmen einer von Letterenfonds organisierten und bezahlten Pressereise besucht. Das hat keinen Einfluss auf meine Berichtserstattung.