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18.09.17
SSB - 4 - Nach dem Sturm, Einschub 1 (Der Böhmwind)
Die Augenbirnen in den Nußschalen, in regengebadeten Prismen, also ein künstliches Land. Ohne mich zu kennen, bin ich gerannt und schüttelte Hände im Sturm Alabasters, die Sagen vergessen das Land unbekannt. So stehen die Ritter bei Grabe und schmettern Gewölk vom Gesicht in die Tiefe aus den Höhlen der Mesmerei, dort hatten sie einst Schafe erschaffen mit Wolle durch silberne Lettern und Angst an der Wand stets in Blei. Es scheint mir alles zu sein und ich weiß nicht : es scheint eine Art Stille zu sein, die uns in ein Vakuum fließen läßt und ich weiß nicht : es scheint eine Art Verzweiflung zu sein, die uns einander näher bringt.
17.09.17
SSB - 3 - Der Elvegust, Einschub 1 (Der Böhmwind)
Ich bin im Schloß gewesen, denn dort lebten wir neben der schmerzlindernden Kanzblume am Flußrad, überginstert mit diesem morschen Zaun, der sich die Zähne aushob, frisch gebrochene Latten, von den Fähen im Trittbild wechselnder Schrittlängen mit dem Wildwuchs Hand in Hand (am Johannistag steckt in den Mulden Bergwohlverleih, um den Bilmenschneider zu verschrecken). Schandhaube oder Hahnenkamm, das Geschenk an dich. Es biegt sich um deine Nase, läßt sich für immer Frühling nennen, für immer aufgetanes Wunder, immer First auf Firsten, ochsenköpfig schneebebergt.
Die Novelle : hört es sagen von der abgerollten Rolle gelesen (als stünd’ er da in Stulpen) mit diesem Erlaß (und kann die Kurrentschrift schlecht lesen) scharrt auf dem Podest, ein Knopf weist auf eine Schublade hin die unter dem Rhetor andere Rotuli enthält, Frikative Labiale (hier etwas Speichel in den Backenofen fahren lassen, an der Zunge zunken, wie eine Zitze zutzellen, schnaupen durch ein einziges Nasenloch, Atem pfeifend ausstoßen, Luft anhalten um einen roten Kopf).
18.08.17
Im dunklen Trüb
Früher eine Schänke, Quellen aus Mondlicht, ein Splitter der Vergangenheit. Hier wurde weder Licht noch die Luft selbst gelüftet, die Gäste sprachen Double Dutch, flüsterten laut, hatten sich nichts zu sagen und sagten sich nichts zum tausendsten Mal. Das Strandgut eines Sommerplatzes: den Elenden gab man gastfrei. Sie stand in der Ecke und sah mich früher als ich sie, stand in meinem Rücken, dieser weiten Fläche, ein Fächer für Blicke, weder die Kleidung, die man trägt, noch die Haut widersteht dem Stechen eines in Gedanken arrangierten Blickes. Sie stand da und stand verborgen, karge Mauern hüllten sie ein, Gedanken ohne Gestalt, ohne ein Wort, ein Bild. In der Mitte flackerte ein entsetzlich funzeliges Licht, das sich für eine Sonne hielt. Im Keller siechte das Wasser eines Brunnens, darin keimte die Erinnerung wie in einem Aquarium Eschericha Coli, geisterhaft tauchte aus der Tiefe all das empor, was man längst kannte: sich selbst zu fassen bekam man sich nicht.
16.08.17
Vor uns der Kickertisch
hinten im Eck beim Kickertisch –
1 Spiel in der Spiel=Lunke, rotierende Stangen mit ›Manneken Pis‹ hinter dem Kachelofen, Geruch nach friedlich ausgelaufenem Bier, schlecht weggelappt, das Licht im Spiegel oder im Fensterglas humpelt, die Wirtin Erna uns zu Diensten, stapft uns Geld zu wechseln, humpelt uns Flasche um Flasche in den Nebenraum (Schaumbart x Schaumbart : laut juveniles Gedorf); pengt der Ball an die Kant Kantaten Kanten. Jetzt tickt die Tür, geht auf und es läuten alle Korken, jetzt sitzen wir bey Tisch, jetzt jetzt und sprechen : nichts Gehörtes. Im Erdenwall dort nebenan, dem Graben, den wir schufen (Nacht für Nacht) mit Spaten Schaufeln Kufen. Erdschlitten & der Ostermann (fanden die Leiche einer Kickermaschine neben 1 leeren Haus, neben puzzelierten Scheiben). Sekunden triefen von den Bäumen, aber wo sie auf die Erde fallen –
1 trübes Bild : Stangen & Federn, 1 zugehäuftes Äschchen, 1 Münz monument, zwölf Bälle (für jeden Mond) : Halb=Ball, Voll=Ball, Neu=Ball, gingen wieder rein, verplemperten die Zeit der Wirtin im Keller, die 1 Fass zapft, wir in der Stube Fußzapfen sammelten, Fußzapfen vorzeigten und aus der Flasche tranken, auf gespannt die Gesichter an den Scheiben, die wir mieden / rieben (die es in den Träumen trieben mit Spucke als Ersatz), festgepint am Schaukelpferdchen, hübsch und vor=zurück verschwammen. Mal Mond mal nicht mal Mond mal Licht mal völlig ist die Dunkelheit. Wirtin piepst aus einem Wangenloch, schlägt den Schaum mit einem Schläger westwärts wo schon Kacheln quadern, Netz um Netz sich dadurch spinnt, dass sie nie trifft den Siphon. Eines Tages war der Kickertisch verschwunden–
1 Spiel in der Spiel=Lunke, rotierende Stangen mit ›Manneken Pis‹ hinter dem Kachelofen, Geruch nach friedlich ausgelaufenem Bier, schlecht weggelappt, das Licht im Spiegel oder im Fensterglas humpelt, die Wirtin Erna uns zu Diensten, stapft uns Geld zu wechseln, humpelt uns Flasche um Flasche in den Nebenraum (Schaumbart x Schaumbart : laut juveniles Gedorf); pengt der Ball an die Kant Kantaten Kanten. Jetzt tickt die Tür, geht auf und es läuten alle Korken, jetzt sitzen wir bey Tisch, jetzt jetzt und sprechen : nichts Gehörtes. Im Erdenwall dort nebenan, dem Graben, den wir schufen (Nacht für Nacht) mit Spaten Schaufeln Kufen. Erdschlitten & der Ostermann (fanden die Leiche einer Kickermaschine neben 1 leeren Haus, neben puzzelierten Scheiben). Sekunden triefen von den Bäumen, aber wo sie auf die Erde fallen –
1 trübes Bild : Stangen & Federn, 1 zugehäuftes Äschchen, 1 Münz monument, zwölf Bälle (für jeden Mond) : Halb=Ball, Voll=Ball, Neu=Ball, gingen wieder rein, verplemperten die Zeit der Wirtin im Keller, die 1 Fass zapft, wir in der Stube Fußzapfen sammelten, Fußzapfen vorzeigten und aus der Flasche tranken, auf gespannt die Gesichter an den Scheiben, die wir mieden / rieben (die es in den Träumen trieben mit Spucke als Ersatz), festgepint am Schaukelpferdchen, hübsch und vor=zurück verschwammen. Mal Mond mal nicht mal Mond mal Licht mal völlig ist die Dunkelheit. Wirtin piepst aus einem Wangenloch, schlägt den Schaum mit einem Schläger westwärts wo schon Kacheln quadern, Netz um Netz sich dadurch spinnt, dass sie nie trifft den Siphon. Eines Tages war der Kickertisch verschwunden–
15.08.17
Die Mondmacher
Promethisches Geschöpf (ich) Feuer=Mit=Stehler (auch) hermetischer Mit=Rinderdieb, Originalsünder, fleischlustiger Innenschenkel-Zwicker Ziffer nicht Zahl (sifr) die Form einer geschlossenen Muschel bei den Maya, Sunya der Inder Zephirum die Null (universelle Gebärmutter) meine Einkaufszeit die ich immer sehr fürchte lege ich sehr früh in den Morgen, stürze ins Geschäft hetzte durch die Straßen der Verpackungen der frisch zu kaufenden Müllhalde mit wohldosierten Industrieabfällen zumbeispiel menschenzurechtgemachte Milch ihr gekalbten Kälber kalbt (yo) Kälber kalbt (schon Kuh noch Kalb?) spurte schleunigst wieder hinaus in einer Seitengasse verschnaufen / Au reboirs : würde mit einer Kutsche anfahren wollen Flaubert besuchen (oder Emma) malaise mystérieux in einer Kutsche mit Bang & Olufson CD=Wechsler darin Scriabin-Sonaten ein roter Zylinder der auf den Kopf passt Handschuhe schneeweiß wie manche Schwäne singen Fleischkugeln in einer Muskat=Brandy Beize (Liebe & Traum : die beiden bedeutendsten ästhetischen Phänomene) noch zu besorgen : Dahlien Typ Mystery Day, einen Olivenbaum. Jene runden Türme sind entdeckt in welchen der Vollmond Mondnatt für Mondnatt gegossen wird mit einem großen Katapult in den Himmel geschossen (geworfen) die Mondmacher am Werk, ihre chymische (Hochzeit) Mixtur der Mond erkaltet unter der Erde wird fest in den Tiefen Basalt und Eisen. Wollt ihr, ja oder nein, alles aufs Spiel setzen, einzig und allein um der Freude willen, tief unten am Grunde des Schmelztiegels, in den wir unsere armselige bürgerliche Bequemlichkeit, den Rest unseres guten Rufs, unsere Zweifel, das radikale Bewusstsein unserer Ohnmacht, die Albernheiten unserer angeblichen Pflichten, kunterbunt mitsamt den feinen, zarten, zerbrechlichen Gläsern werfen wollen, jenes Licht aufleuchten zu sehen, das nie mehr verlöschen wird ? / Breton ich habe heute Nacht eine Muschel gefunden, in der Gespräche aufgezeichnet wurden, die man vor 17 Millionen Jahren in einer Höhle führte und festgestellt, dass dies nicht nur sehr verblüffend ist, sondern dass die Kommunikation auf Poesie beruht den Weg weiter runter legt sich zur rechten Seite eine Umfriedung in die Landschaft, in der sich ein öffentliches Bad befindet, eine Installation die Mädchen hüpfen nach dem Volley sandig und Pärchen beugen sich übereinander da am Zaun die Menschen die aus dem Wasser stammen dort steckt die Erinnerung dort visionierte ich.
14.08.17
Trolle & Barstukken
Die Erinnerung ist aus den Gegenständen herausgeblasen, ihre Bedeutung leer. Es scheint für alles einen Zwilling zu geben, jeder real existierende Gegenstand ist gleichzeitig das Requisit eines Traumes. Diese Regale hier unten sind müde Bretter, aus einem toten Forst gebrochen, verwandelt, unseren Knochen so ähnlich, wenn sie zerstoßen, zermahlen, genagelt oder verschraubt die Flaschen Wein umkrallen, im Kellerstaub auf Nachschub warten, denn es sind noch Plätze frei.
Der Mond leuchtet den Wichteln, Trollen, Barstukken, leuchtet jenen, die selbst nicht glühen und in ihrer hölzernen Hand keine Laterne mitspazieren lassen. Stock und Stein, Wurzeln, Farne: leuchtet der Prozession hinunter ins Dorf! Wölfe küssen feucht.
»Was ist mit den Räubern?« Sie lercht, lächelt nicht in ihren Gummistiefeln, die ihr bis knapp unter die Knie reichen; sie biegen sich noch kaum, starren um ihr schmales Gesöck herum, stempeln die halbtrockene (halbnasse) Erde, ritzen Dagewesenes hinein.
Und dann gibt die Erde nach; sie stampft noch etwas tiefer, blickt mit gemarterten Augen auf zu den Gesichtswipfeln, die vor einem aschfahlen Himmel wippen, Bärte daran gekauert.
In der Nacht wollte sie die Erinnerungen zähmen. Am Tage, sagte sie, gelänge ihr das nicht, weil sie ständig in die Einsamkeit hineinsehen müsse, die sie zwischen zwei Menschen entdecke. Sie sagte, sie suche gern Dinge oder Orte, mit denen sie einen Pakt zur Animation ihres persönlichen Dramas geschlossen habe, wieder auf.
»Ich spiele Vergänglichkeit. Ich mache sie mir bewusst und genieße ihren süßen Schmerz. Derselbe Bahnhof, immer wieder der gleiche Abschied. Oft sitze ich nur auf einer Bank und starre auf die Geleise, sauge die eigentümlich lauten Geräusche in mich. Ein Bahnhof könnte gar nicht ohne diese makaberen Hallen, ohne die zurückgeworfenen Echos auskommen. Ich rauche eine Zigarette, aus der sich auch zwei machen lassen. Ich schlendere die Wege noch einmal entlang, die ich mit jemand spazierte, der etwas in mir auslösen konnte. Ich bin ganz verschoben in der Zeit. Es stört mich, wenn etwas verändert wird, ein Haus nicht mehr steht oder in einer anderen Farbe angestrichen wurde; wenn es einen bestimmten Laden nicht mehr gibt.«
Den Pakt mit den Dingen, von denen sie sprach, kennen wir alle. Gerüche, Lieder – diese unvergesslichen Begleiter.
Landfluchten, Fassaden, manchmal auch nur das Licht in einem bestimmten Winkel. Das ist die Liebe zur Kulisse. Man stellt sich gerne ein zweites Mal auf die Bühne und blickt auf den leeren Zuschauersaal. Hier kann man sich einige Aussetzer leisten, zum Beispiel die Hälfte des Textes vergessen, sich ungehobelt kratzen. Hier kann man Sätze halblaut nachsprechen – und niemand hält einen für zu lang an der Sonne spaziert.
Ich komme aus den Städten der Menschen. Alles brennt, sie sind verrückt geworden in ihrer globalen Entwurzelung, Technokraten sie alle. Ich frage euch: wohin können wir fliehen? Die Zivilisation fällt, und sie fällt weit. Ihr Schatten bedroht bereits die ganze Welt. Kein Geist ist mehr unter ihnen zu finden. Sie sterben lebend, und was wir alle gemeinsam wussten verödet in den Hirnkammern. Ihr Herz ist eine Ölpumpe.
Der Mond leuchtet den Wichteln, Trollen, Barstukken, leuchtet jenen, die selbst nicht glühen und in ihrer hölzernen Hand keine Laterne mitspazieren lassen. Stock und Stein, Wurzeln, Farne: leuchtet der Prozession hinunter ins Dorf! Wölfe küssen feucht.
»Was ist mit den Räubern?« Sie lercht, lächelt nicht in ihren Gummistiefeln, die ihr bis knapp unter die Knie reichen; sie biegen sich noch kaum, starren um ihr schmales Gesöck herum, stempeln die halbtrockene (halbnasse) Erde, ritzen Dagewesenes hinein.
Und dann gibt die Erde nach; sie stampft noch etwas tiefer, blickt mit gemarterten Augen auf zu den Gesichtswipfeln, die vor einem aschfahlen Himmel wippen, Bärte daran gekauert.
In der Nacht wollte sie die Erinnerungen zähmen. Am Tage, sagte sie, gelänge ihr das nicht, weil sie ständig in die Einsamkeit hineinsehen müsse, die sie zwischen zwei Menschen entdecke. Sie sagte, sie suche gern Dinge oder Orte, mit denen sie einen Pakt zur Animation ihres persönlichen Dramas geschlossen habe, wieder auf.
»Ich spiele Vergänglichkeit. Ich mache sie mir bewusst und genieße ihren süßen Schmerz. Derselbe Bahnhof, immer wieder der gleiche Abschied. Oft sitze ich nur auf einer Bank und starre auf die Geleise, sauge die eigentümlich lauten Geräusche in mich. Ein Bahnhof könnte gar nicht ohne diese makaberen Hallen, ohne die zurückgeworfenen Echos auskommen. Ich rauche eine Zigarette, aus der sich auch zwei machen lassen. Ich schlendere die Wege noch einmal entlang, die ich mit jemand spazierte, der etwas in mir auslösen konnte. Ich bin ganz verschoben in der Zeit. Es stört mich, wenn etwas verändert wird, ein Haus nicht mehr steht oder in einer anderen Farbe angestrichen wurde; wenn es einen bestimmten Laden nicht mehr gibt.«
Den Pakt mit den Dingen, von denen sie sprach, kennen wir alle. Gerüche, Lieder – diese unvergesslichen Begleiter.
Landfluchten, Fassaden, manchmal auch nur das Licht in einem bestimmten Winkel. Das ist die Liebe zur Kulisse. Man stellt sich gerne ein zweites Mal auf die Bühne und blickt auf den leeren Zuschauersaal. Hier kann man sich einige Aussetzer leisten, zum Beispiel die Hälfte des Textes vergessen, sich ungehobelt kratzen. Hier kann man Sätze halblaut nachsprechen – und niemand hält einen für zu lang an der Sonne spaziert.
Ich komme aus den Städten der Menschen. Alles brennt, sie sind verrückt geworden in ihrer globalen Entwurzelung, Technokraten sie alle. Ich frage euch: wohin können wir fliehen? Die Zivilisation fällt, und sie fällt weit. Ihr Schatten bedroht bereits die ganze Welt. Kein Geist ist mehr unter ihnen zu finden. Sie sterben lebend, und was wir alle gemeinsam wussten verödet in den Hirnkammern. Ihr Herz ist eine Ölpumpe.
03.08.17
Die Schänke
Früher war das hier nur eine Schänke, eine Quelle aus Mondlicht, ein Splitter der Vergangenheit ist es jetzt. Hier wurden weder das Licht noch die Luft selbst gelüftet, die Gäste sprachen eine monumentale Sprache prosaischer Bedeutungslosigkeit, flüsterten laut, hatten sich nichts zu sagen, und sagten sich nichts zum tausendsten Mal. Das Strandgut eines Sommerplatzes: den Elenden gab man sich gastfrei, denn von draußen strömten sie herein, ihr Ziel war das Urinal in der hintersten Ecke des Flures, gleich neben der Küche, in der die Würste im Wasser platzten und das schimmlige Brot von den Fliegen gefressen wurde.
Sie stand in der Ecke und sah mich früher als ich sie. Das ist erstaunlich, weil ich, bevor ich einen Raum betrete, meine Sinne bereits hinein schicke. Spürte ich das Beugen der Luft, die Verhärtung gedanklicher Trampelpfade? Nein, das tat ich nicht. Ich war fixiert auf eine weitere einsame Episode, die mich von den Menschen trennt.
Sie stand in der Ecke und sah mich früher als ich sie. Das ist erstaunlich, weil ich, bevor ich einen Raum betrete, meine Sinne bereits hinein schicke. Spürte ich das Beugen der Luft, die Verhärtung gedanklicher Trampelpfade? Nein, das tat ich nicht. Ich war fixiert auf eine weitere einsame Episode, die mich von den Menschen trennt.
02.08.17
Terra Incognita
Man könnte ja weder klöppeln, kloppen, noch rasten, säße man nicht am Rande der Weltscheibe und ließe sich von dem zur Mitte fließenden Blut besingen. Dass es dort draußen noch etwas gäbe, singt der Song, etwas außerhalb der Blödmuckelei, Terra incognita, so weit man überhaupt möchte, und wo ein Punkt gemacht werden soll, entspringt sogleich ein Gut, auf dem man seiner Ruhe beipflichtet und bleibt. Sollte alles nur rund sein, werden wir uns nicht entkommen und schließlich aufessen müssen.
01.08.17
Nimrod
Nichts ist mir zu heiß in diesem Land des Nimrod, nichts ist mir die Sonne, der Sand, vor allem aber die Sonne, die wankt, den ganzen Tag wankt, die mich anglüht. Eile du nur vorwärts! eile zu den Gärten, erblicke die große nichtssagende Schönheit, die alles enthält : das Ganze und dich; jede Blume, auch dich!
Unter der Zunge schwärt die Lüge, die große große Saat. Ich möchte mich niedersetzen auf den Sternenstein, sinnieren mit keimenden Trollblumen, über die Nebel hinweg schauen. Ich möchte an der Hitze erfrieren; die weiße Erde erstarrt.
Was willst du dich beklagen, dass du lebst, wenn du lebst und alles andere stirbt. So weit der Weg nach Mitternacht, der schwarzen Frucht der Finsternis. Dein Herz klopft dort noch leise weiter, wird gehört von Tausenden, die wie du am Kragen schlottern.
Nichts ist mir dunkel wie die Stunde, die ich nicht verlassen kann. Wenn sie endet, ende ich. »Will jemand mit mir speisen?« fragt Nimrod dort am ersten Stein, der lag, wo sich dann Babylon erhob. Nie sagte jemand Nein zu Datteln, nicht zu Wein. Jeder dachte an die große Geschichte, die noch zu schreiben war.
Unter der Zunge schwärt die Lüge, die große große Saat. Ich möchte mich niedersetzen auf den Sternenstein, sinnieren mit keimenden Trollblumen, über die Nebel hinweg schauen. Ich möchte an der Hitze erfrieren; die weiße Erde erstarrt.
Was willst du dich beklagen, dass du lebst, wenn du lebst und alles andere stirbt. So weit der Weg nach Mitternacht, der schwarzen Frucht der Finsternis. Dein Herz klopft dort noch leise weiter, wird gehört von Tausenden, die wie du am Kragen schlottern.
Nichts ist mir dunkel wie die Stunde, die ich nicht verlassen kann. Wenn sie endet, ende ich. »Will jemand mit mir speisen?« fragt Nimrod dort am ersten Stein, der lag, wo sich dann Babylon erhob. Nie sagte jemand Nein zu Datteln, nicht zu Wein. Jeder dachte an die große Geschichte, die noch zu schreiben war.
31.07.17
Unter Huf & Egge
Alle Gewässer fallen zusammen und alle Städte fallen zusammen, am Strom, am großen Knoten, Zeitenkelch; der Brunnen gibt und nimmt das Wasser. Die Tropfen in den Kelchen, Pfannen, Augen, sie kochen hoch und regnen davon. Ich suche dich und finde mich, ich brenne aller Feuer mit. Willst du mich wiedersehen, dann reise in das Gestern Zug um Zug, nur langsam mit den Stunden. Erschüttert von den Jahren, die nicht wiederkehren, die neu geträumte Erde jeder Nacht, die heißen Rätsel ihrer Mitte. Als ich die Schatten sehe, spreche ich sie an: »Was tut ihr dort im Morgenrot?«
»Wir ernten«, sagen sie. »Wie weit willst du noch wandern?«
Die tausend Wege haben tausend Köpfe, nichts habe ich für mich getan. Ich will den Blick nach innen wagen, wie viele das schon vor mir taten, wie so viele, die sich ins Feld gesetzt und sangen für den Mais. Die große Schlange ist Ernährer und fordert ihre Opfer ein. Wenn der Sänger das Symbol erforscht, wird er hinter den Verstand geführt, hinter die Spiegel und Pfützen.
»Hier erschaffen wir neues Ackerland«, sagen sie. »Unsere Erde ist unter Huf und Egge.«
»Wir ernten«, sagen sie. »Wie weit willst du noch wandern?«
Die tausend Wege haben tausend Köpfe, nichts habe ich für mich getan. Ich will den Blick nach innen wagen, wie viele das schon vor mir taten, wie so viele, die sich ins Feld gesetzt und sangen für den Mais. Die große Schlange ist Ernährer und fordert ihre Opfer ein. Wenn der Sänger das Symbol erforscht, wird er hinter den Verstand geführt, hinter die Spiegel und Pfützen.
»Hier erschaffen wir neues Ackerland«, sagen sie. »Unsere Erde ist unter Huf und Egge.«
30.07.17
Auf gute Nachbarschaft
Wie ein überraschendes Paket hatte sie Platz auf einem Sofa genommen, das aus einer geknickten Matratze bestand, über die eine Wolldecke kaschiert für eine optische Täuschung sorgte, als du durch die Tür mit der profilierten Friese tratst.
Der Umbau von einem romantischen Loch zu einer Schüssel; gepriesen sei der Fortschritt vom Erdloch über die Kastenkloake zur gemauerten Grube. (Wer Unrat vor seine Tür oder auf die Straße wirft oder schüttet, also nicht in den Bach trägt, gleichgültig, ob es bei Tag oder Nacht geschieht, der zahlt in jedem einzelnen Übertretungsfall dem Richter 24 Pfennig, der Stadt 1 Pfund und den Schergen 8 Pfennig.)
Er hinterlässt Zeichen wo er geht und steht, glaubt, niemand folge ihm : das ist wirkliche Isolation, niemand ist ihm nachgegangen, alle Momente waren Momente seines Wollens, er führte sie herbei, begattete sie, erinnerte sich daran; als er eines Sommers den Zurückgekehrten spielte, Kerben in den Bäumen, den Bänken, vergrabene Zigarrenkisten, ähnlich den Spuren im Schnee, die nur noch in der Erinnerung existieren: ihre verrätselten Augen glimmerten, der Maibaum hing voller Monate.
Der Umbau von einem romantischen Loch zu einer Schüssel; gepriesen sei der Fortschritt vom Erdloch über die Kastenkloake zur gemauerten Grube. (Wer Unrat vor seine Tür oder auf die Straße wirft oder schüttet, also nicht in den Bach trägt, gleichgültig, ob es bei Tag oder Nacht geschieht, der zahlt in jedem einzelnen Übertretungsfall dem Richter 24 Pfennig, der Stadt 1 Pfund und den Schergen 8 Pfennig.)
Er hinterlässt Zeichen wo er geht und steht, glaubt, niemand folge ihm : das ist wirkliche Isolation, niemand ist ihm nachgegangen, alle Momente waren Momente seines Wollens, er führte sie herbei, begattete sie, erinnerte sich daran; als er eines Sommers den Zurückgekehrten spielte, Kerben in den Bäumen, den Bänken, vergrabene Zigarrenkisten, ähnlich den Spuren im Schnee, die nur noch in der Erinnerung existieren: ihre verrätselten Augen glimmerten, der Maibaum hing voller Monate.
29.07.17
Die Geröllhalden von Herculaneum
Ich greife vor und sehe bereits die ganze Erzählmaschine anrumpeln und abraspeln, was dann in diesen ledernen Teig fällt. Ich sehe dich gehen, ich sehe dich gegangen, ich weiß nicht wann, noch weiß ich wo. So suche ich, ohne mich augenscheinlich zu bewegen, vor (der) mir, hinter mir – gilt nicht – ich komme! Die vertrunkene Löblichkeit des Scheiterns, fern von Sternen angereist, namenlos. Forscher Hemdentausch. Gartentanz Regenbalz. Kümmergrund im Regen, abfallwärts auf Stelzen gehen, Born-Ritter wachen nahe der geliebten Stadt, und brennende Vehikel rudern abwärts zu den Lagern. Die Geröllhalden von Herculaneum, Lava und Bimsstein in antiker Trockenheit, die Gefangenen erbauen hohe Gerüste mit ihrer Brust, ihren Schenkeln, den Armen. Mit den Fingern im Blut fremder Namen klingen die Jahrtausende an. Wer den Staub rieseln sieht, bekennt seine Torheit, spricht in Lumpen vor, erhofft das Getränk so weiter fremder Welten, die still im Nichts sich regen.
28.07.17
Frühlings Erwachen
Frühlingserwachen mit entferntem Honiggeruch, Kaffee weht schillernd durch den Flur, Schafscheiße ganz sanft im Rachen, prägnante Wolle, Pulloverpollen, der blühende Garten, tempus fugit. Aber er kann das Jetzt riechen, zumindest eine Femtosekunde, sogar die Linzer Torte von letzter Woche, deren Krumen im wasserblauen Kunstfaser-Flokati keimen. Und wer weiß: eines Tages hängen vielleicht Kuchen-Nüsse an den jungen Trieben, die Sonne Österreichs.
26.07.17
Titanomachia

Das Thema ist natürlich die Zeit, es gibt kein anderes. Sie steckt tief in Adams Splancha. Der stellt sich vor, wie es wohl wäre, wirklich in einen anderen Körper einzudringen, so wie er in das Schloss gedrungen ist, in das Zeitloch, das 2007 von der High Active Auroral Frequency (HAARP) in Ramfjorden generiert wurde, das über einem zusammenschwappt wie die Fänge der Dionaea. Der Same trägt aus, trägt die Laster vorne auf dem Bug. Da sitzt er, begrüßt jeden neuen Morgen mit einem Glückskeks des Zufalls, auf dem steht: »Zeit existiert nur, um zu verhindern, dass alles gleichzeitig geschieht.«
Es gibt nur Irrenhaus oder Tod, schon still, die Sprache nur ein Rudiment dessen, was er sieht. Der Traum switcht nahtlos in den Tag, oft hält er noch für ein paar Minuten die Lampe in der Hand. Der Dschinn könnte ihm sagen, wo er sich befindet, was er getrieben hat im Nachtfrost, im unwegsamen, schwarzen Unterholz, Grashalme im Geäst. Vor anrückender Dunkelheit in die wegrückende Dunkelheit hasten. Kaum reibt er das Messing der Lampe, bemerkt er, dass er sich einen runterholt, aber kein Geist erscheint.
25.07.17
Tal hinter Wildnis
Wir schossen auf das, was sich in den Wänden bewegte, Tapeten verdeckten die Löcher, teures Papier; und dann wieder auf die Löcher, ob wir sie zweidreimal treffen könnten. Nichts ist vor der Inversion sicher, nicht die Mathematik, in der sich in Form der Quadratwurzel minus 1 das Imaginäre einschleicht. Während ich den Schlaf schon berühre, taucht die Zeit aus dem Fluss, von dem sie sich nun zu trennen weiß.
Von diesen Erlebnissen habe ich mir Skizzen gemacht. In einem Gewirr stecken Säfte fest, Disteln durchreißen nadelstichig die nahe Umgebung, Trampelpfad, Trampelerschütterung, Schritte offener Sohlen, behuft weiterziehen. Nirgend Ziel. Nirgend Beginn. Tal hinter Wildnis. Alle Gleichzeitigkeiten in Glockenblumen schwenken. Die Welt eine Theorie aus Zufall, der schöne Tod ein Gebein im Kleid, Humor ein Rauschen der Silben; die Sprache erstickt: Teerkotze haftet an den Lippen, Zungen vergeudet. Ein letztes Atom, ein letzter Blick über die ausgerenkte Schulter. Der Nebel folgt. Meine Haut strafft sich Tag und Nacht wie der Klee, die Weichheit, die Form, vergessen ist nicht ein Jota. Vergessen ist nicht ein Fenster: was draußen war, was drinnen ist: anderswo, zu jeder Zeit: das Ticken der Ur-Uhr.
Von diesen Erlebnissen habe ich mir Skizzen gemacht. In einem Gewirr stecken Säfte fest, Disteln durchreißen nadelstichig die nahe Umgebung, Trampelpfad, Trampelerschütterung, Schritte offener Sohlen, behuft weiterziehen. Nirgend Ziel. Nirgend Beginn. Tal hinter Wildnis. Alle Gleichzeitigkeiten in Glockenblumen schwenken. Die Welt eine Theorie aus Zufall, der schöne Tod ein Gebein im Kleid, Humor ein Rauschen der Silben; die Sprache erstickt: Teerkotze haftet an den Lippen, Zungen vergeudet. Ein letztes Atom, ein letzter Blick über die ausgerenkte Schulter. Der Nebel folgt. Meine Haut strafft sich Tag und Nacht wie der Klee, die Weichheit, die Form, vergessen ist nicht ein Jota. Vergessen ist nicht ein Fenster: was draußen war, was drinnen ist: anderswo, zu jeder Zeit: das Ticken der Ur-Uhr.
23.07.17
Pentagruel im Wasser
Das leichte Gewand eines quälenden Schattens umzürnt meine Haut, als ich das Wasser verlasse, um halbiert im Zwielicht zu schaukeln, die Grenzfälle beim Rauschen störe, den Fluss am fortschnellen hindere. Ungeahnt die Nähe nichtanwesender Personen, unverstanden vom Tageslicht, geblendet vom Reflex bonbonfarbener Quellgeister; Symbole, konturlose Skulpturen, einer Firnis der Berührungslosigkeit entlaufen.
Technicolor der anderen Welt. Ein großes Gemälde unterworfener Momente, ein geiferndes Trugbild. Beschlagen von Zweifeln wabern die Sinne darin. Duktus der Augen, die dieses Bild entstehen lassen. Die Nacht mit ihrem Schlund, am Mark sonnenverbrannter Gedanken saugend, durch Tagpartikel aufgeladen.
An der Wand Blutspuren, ein zufälliges Gemälde, streng in Ocker lasiert. Den Hintergrund stellt ein dreckiges Weiß, einen Hügel, deine Scham. Ich befahre dich mit einer motorisierten Zunge. Ein Niemandsland bist du, in meiner Vision ein Landstrich eklektischer Provinzen. Doch du bist nicht da. Da sein bedeutet mehr als die Phantasterei zwischen Halbschlaf und Kontrollprogramm. Kalter Schaum webt dein Bildnis (die Kähne, das Papier Bazooka-Joe) in den Ausguss, durchdrungen vom Abfall meines Gesichts. Die Zunge liegt wie ein Rebus in meinem Mund, wie ein angekettetes Tier am Gaumen, Sprache nicht möglich.
Diese Zunge steckte schon überall in dir, gut aufgehoben, warm umschlossen. Dein Körper ist Gestalt, dein Körper ist Gericht in seiner Abwesenheit. Die Klänge deiner Vergangenheit vibrieren im Spalt unserer Lagerstatt, meiner Lagerstatt, deiner Lagerstatt. Ich spreche mit deinem Schaum, den du mir hinterlassen hast, spreche die Worte ohne sie zu berühren. Jetzt sage ich sie wie unter dem Zwang zu erbrechen. Ich sibiliere sie. Ich spreche und ich sage nichts dabei, sage nicht: Ich liebe; nicht, dass ich dich liebe, nicht, dass ich dich lieben könnte, sage nicht, dass ich mir wünsche, dich zu lieben, nicht, dass ich dich gern geliebt hätte. Ich sage deshalb nichts, spüre deinen Schaum aus nächster Nähe in die unbekannte Schlucht hinabtropfen. Ein zusammengefalteter Himmel liegt vor dem Fenster, ein Himmel voller Reklame für einen beginnenden Tag.
Die Erdachse hält auch heute dieser irrsinnigen Geschwindigkeit stand. Du lächelst. Zumindest deute ich, du könntest lächeln, wenn du jetzt hier wärst. Wir benutzen das gleiche Herz, sind das Ganze, sind nicht du, nicht ich. Ich hänge über dem Weltenrand, baumle an meinen langen Tagen, den Nächten im Sumpf, erkenne mich wieder in den nackten Träumen, den geschnitzten Masken zwischen der Sonne und mir, durch hölzerner Augen Licht, durch hölzerner Nasen Staub. Meine Leidenschaft ist ein Fluch der Götter. Wo frevelte ich sie, Göttin, dich?
Herausfallend sich wieder finden auf den Straßen, die nicht darüber entscheiden, wo ich ankommen werde, dennoch den Enthusiasmus wecken, in die Ferne zu ziehen, und sei es nur, um dort gewesen zu sein, um sich einmal fremd gefühlt zu haben. Dem Horizont entgegen schlängeln. Die Straße selbst kommt nie an. Ich bin es, der Einzug hält. Aber wo? An welchem Ort? Es sind nur Agglomerationen. Die Wege halten stets eine Stadt bereit, die wie ein Organismus funktionieren. Ihre Gesetzmäßigkeiten unterliegen dem Chaos.
Die Figuren umkreisen das Zentrum ihres Universums, in dem die Zeit aufgehoben ist; vordem hatten die Zeiger eines Weckers die Ränder aufgebracht, scharfklingig, mit erstaunlicher Lust, ein Gemetzel anzurichten, das jetzt noch nicht wahrzunehmen ist, ein Meer, Ebbe und biegsame Flut, ein Universum, randgefüllt mit Wasser. Aus einer unsagbaren Ferne wehen die Klänge dickbreiiger Musik heran, die Sprache eines Pentagruel im Wasser auf der Suche nach der Flasche, das Rätsel des Raumes. Ich könnte mich erinnern, aber ich erinnere mich nicht an den Tag, der aus einem fortschreitenden Abend bestand. Das Gras roch wie nächtliche Haut, Dosen schepperten gegen Steine und Hausbeine. Wir sind aufgeklappte Schilder, tugendhafte Gespenster, beanspruchen Sichtbarkeit nur für den mitternächtlichen Moment, wiederholen das Spiel der Jahrhunderte (die Taschen gefüllt mit Froschskeletten) mit Händen, die in eine Richtung deuten, die es längst nicht mehr gibt, entschwunden im Geröll unzähliger Geschichten, die alle dasselbe meinen, die Grenze möglicher Wanderschaft.
Technicolor der anderen Welt. Ein großes Gemälde unterworfener Momente, ein geiferndes Trugbild. Beschlagen von Zweifeln wabern die Sinne darin. Duktus der Augen, die dieses Bild entstehen lassen. Die Nacht mit ihrem Schlund, am Mark sonnenverbrannter Gedanken saugend, durch Tagpartikel aufgeladen.
An der Wand Blutspuren, ein zufälliges Gemälde, streng in Ocker lasiert. Den Hintergrund stellt ein dreckiges Weiß, einen Hügel, deine Scham. Ich befahre dich mit einer motorisierten Zunge. Ein Niemandsland bist du, in meiner Vision ein Landstrich eklektischer Provinzen. Doch du bist nicht da. Da sein bedeutet mehr als die Phantasterei zwischen Halbschlaf und Kontrollprogramm. Kalter Schaum webt dein Bildnis (die Kähne, das Papier Bazooka-Joe) in den Ausguss, durchdrungen vom Abfall meines Gesichts. Die Zunge liegt wie ein Rebus in meinem Mund, wie ein angekettetes Tier am Gaumen, Sprache nicht möglich.
Diese Zunge steckte schon überall in dir, gut aufgehoben, warm umschlossen. Dein Körper ist Gestalt, dein Körper ist Gericht in seiner Abwesenheit. Die Klänge deiner Vergangenheit vibrieren im Spalt unserer Lagerstatt, meiner Lagerstatt, deiner Lagerstatt. Ich spreche mit deinem Schaum, den du mir hinterlassen hast, spreche die Worte ohne sie zu berühren. Jetzt sage ich sie wie unter dem Zwang zu erbrechen. Ich sibiliere sie. Ich spreche und ich sage nichts dabei, sage nicht: Ich liebe; nicht, dass ich dich liebe, nicht, dass ich dich lieben könnte, sage nicht, dass ich mir wünsche, dich zu lieben, nicht, dass ich dich gern geliebt hätte. Ich sage deshalb nichts, spüre deinen Schaum aus nächster Nähe in die unbekannte Schlucht hinabtropfen. Ein zusammengefalteter Himmel liegt vor dem Fenster, ein Himmel voller Reklame für einen beginnenden Tag.
Die Erdachse hält auch heute dieser irrsinnigen Geschwindigkeit stand. Du lächelst. Zumindest deute ich, du könntest lächeln, wenn du jetzt hier wärst. Wir benutzen das gleiche Herz, sind das Ganze, sind nicht du, nicht ich. Ich hänge über dem Weltenrand, baumle an meinen langen Tagen, den Nächten im Sumpf, erkenne mich wieder in den nackten Träumen, den geschnitzten Masken zwischen der Sonne und mir, durch hölzerner Augen Licht, durch hölzerner Nasen Staub. Meine Leidenschaft ist ein Fluch der Götter. Wo frevelte ich sie, Göttin, dich?
Herausfallend sich wieder finden auf den Straßen, die nicht darüber entscheiden, wo ich ankommen werde, dennoch den Enthusiasmus wecken, in die Ferne zu ziehen, und sei es nur, um dort gewesen zu sein, um sich einmal fremd gefühlt zu haben. Dem Horizont entgegen schlängeln. Die Straße selbst kommt nie an. Ich bin es, der Einzug hält. Aber wo? An welchem Ort? Es sind nur Agglomerationen. Die Wege halten stets eine Stadt bereit, die wie ein Organismus funktionieren. Ihre Gesetzmäßigkeiten unterliegen dem Chaos.
Die Figuren umkreisen das Zentrum ihres Universums, in dem die Zeit aufgehoben ist; vordem hatten die Zeiger eines Weckers die Ränder aufgebracht, scharfklingig, mit erstaunlicher Lust, ein Gemetzel anzurichten, das jetzt noch nicht wahrzunehmen ist, ein Meer, Ebbe und biegsame Flut, ein Universum, randgefüllt mit Wasser. Aus einer unsagbaren Ferne wehen die Klänge dickbreiiger Musik heran, die Sprache eines Pentagruel im Wasser auf der Suche nach der Flasche, das Rätsel des Raumes. Ich könnte mich erinnern, aber ich erinnere mich nicht an den Tag, der aus einem fortschreitenden Abend bestand. Das Gras roch wie nächtliche Haut, Dosen schepperten gegen Steine und Hausbeine. Wir sind aufgeklappte Schilder, tugendhafte Gespenster, beanspruchen Sichtbarkeit nur für den mitternächtlichen Moment, wiederholen das Spiel der Jahrhunderte (die Taschen gefüllt mit Froschskeletten) mit Händen, die in eine Richtung deuten, die es längst nicht mehr gibt, entschwunden im Geröll unzähliger Geschichten, die alle dasselbe meinen, die Grenze möglicher Wanderschaft.
21.07.17
Turmzimmer zu Karstenfels
Ich muss erneut eingeschlafen sein. So viele Schlafe, da mag ein Schlaf getrost kein Schlaf sein. Schlaff natürlich wird der Körper, daher kommt’s; aufstehen, erschlaffen und so fort. Ich stecke im Hotelzimmer meiner Chimären fest, das vorzeitige Erwachen betrifft nur meine doppelte Existenz. Jede der beiden will die Oberhand gewinnen. Das könnte sich als wichtig erweisen, wenn es einmal darum geht, wer ich bin, wer ich heute bin, wer ich gestern war. Der Ausschluss anderer Existenzen ist der konsequente Wegfall vieler alternativer Möglichkeiten, aber die Existenz selbst ist so schwammig, dass jedes Philosophieren darüber nur ein weiteres Spiel bleibt, ein Zeitvertreib; jeder Gedanke an ein anderes Leben ein Schatten, der nie wirklich da ist, aber auch niemals ganz verschwunden; mauvaise foi.
Unter verklebten Lidern befindet sich noch ein Rest der wirklichen Umgebung, eine dampfende Laterne, von Faltern umschwärmt. Da ist keine Erinnerung, nur eine trockene Kehle. Körperfunktionen halten inne, der Puls ist ein kleinwüchsiges Klopfen, die Säfte sind erstarrt, tief ins Gewebe zurückgezogen; die letzten Inseln lauernder Funktionslosigkeit. Bilder kehren mit dem Blut zurück zum Herzen, reisen mit Transferrin im Eisenbahnwaggon, Schubtore geschlossen, damit während der Langsamfahrt niemand aufspringen kann, Rucksack in die Ecke, Guitarre raus (ein Hobo!). Nichts gegen den King Of The Delta Blues Singers oder Seasick Steve, wir aber reden hier von Gedanken, von Geschehnissen. Das ist kein Swamp-Soundtrack, das ist eine Geige, die sich Ritzen sucht. Da fällt durch, was sie ausscheidet, klagende, kratzende Diarrhoe.
Das Licht spielt, wie es von jeher mit der Welt spielte. Planetenstaub, angebumst von koronalen Massenauswürfen, Tiktaalik rosea, der dann Affe wurde. Bettzeug, das nach barocken Liebeslagern muffelt. Die Zunge der Zeit hat hier mit fetten Zotten den frischen Geschmack in den Rachen befördert. Der Eindruck ist nur noch ein finsteres, oxidierendes Relief. Wo bin ich? Ich will nur meine Stimme hören, die mir der Katzenjammer zugesteht. Es gibt Märchen, da antwortet der Teekessel überschwappend der magischen Brühe: »Rauss mitt dirr, bevor man die Prinsessin skalpiert!«
Und ein Pferd tritt ein (Ah! Es ist ein Friesenhengst, mit Hafer in den Ganaschen!), der junge Held von burlesker, ganymed’scher Schönheit tränkt seinen Körper im jetzt golden dahinfunkelnden Sonnenschein, der durch die Risse der garstigen Schwiegermutterscheiben taumelt. Dann ein recht merkwürdiger Name, sagen wir, Behrokh, sagen wir, Behrokh Espenlauba, die zitternd mit noch blonder Mähne im Turmzimmer zu Karstenfels ganz oben unterm Dach dem Einen harrt, der eine sehr, sehr durstige Kehle hat. Das Märchen beschreibt das runde, zugige, und von außen abgeriegelte Zimmer mit ein, zwei romantischen Paradesätzen, verschweigt die Bettpfanne, den stinkenden Essenstrog, erwähnt allerdings die Unmöglichkeit, das Gemäuer zu erklimmen. Viele haben’s schon versucht, hört man da, alle sind sie schauerlich deformiert und zerbreit an ihrem Leib ins Geisterreich gefahren.
Unter verklebten Lidern befindet sich noch ein Rest der wirklichen Umgebung, eine dampfende Laterne, von Faltern umschwärmt. Da ist keine Erinnerung, nur eine trockene Kehle. Körperfunktionen halten inne, der Puls ist ein kleinwüchsiges Klopfen, die Säfte sind erstarrt, tief ins Gewebe zurückgezogen; die letzten Inseln lauernder Funktionslosigkeit. Bilder kehren mit dem Blut zurück zum Herzen, reisen mit Transferrin im Eisenbahnwaggon, Schubtore geschlossen, damit während der Langsamfahrt niemand aufspringen kann, Rucksack in die Ecke, Guitarre raus (ein Hobo!). Nichts gegen den King Of The Delta Blues Singers oder Seasick Steve, wir aber reden hier von Gedanken, von Geschehnissen. Das ist kein Swamp-Soundtrack, das ist eine Geige, die sich Ritzen sucht. Da fällt durch, was sie ausscheidet, klagende, kratzende Diarrhoe.
Das Licht spielt, wie es von jeher mit der Welt spielte. Planetenstaub, angebumst von koronalen Massenauswürfen, Tiktaalik rosea, der dann Affe wurde. Bettzeug, das nach barocken Liebeslagern muffelt. Die Zunge der Zeit hat hier mit fetten Zotten den frischen Geschmack in den Rachen befördert. Der Eindruck ist nur noch ein finsteres, oxidierendes Relief. Wo bin ich? Ich will nur meine Stimme hören, die mir der Katzenjammer zugesteht. Es gibt Märchen, da antwortet der Teekessel überschwappend der magischen Brühe: »Rauss mitt dirr, bevor man die Prinsessin skalpiert!«
Und ein Pferd tritt ein (Ah! Es ist ein Friesenhengst, mit Hafer in den Ganaschen!), der junge Held von burlesker, ganymed’scher Schönheit tränkt seinen Körper im jetzt golden dahinfunkelnden Sonnenschein, der durch die Risse der garstigen Schwiegermutterscheiben taumelt. Dann ein recht merkwürdiger Name, sagen wir, Behrokh, sagen wir, Behrokh Espenlauba, die zitternd mit noch blonder Mähne im Turmzimmer zu Karstenfels ganz oben unterm Dach dem Einen harrt, der eine sehr, sehr durstige Kehle hat. Das Märchen beschreibt das runde, zugige, und von außen abgeriegelte Zimmer mit ein, zwei romantischen Paradesätzen, verschweigt die Bettpfanne, den stinkenden Essenstrog, erwähnt allerdings die Unmöglichkeit, das Gemäuer zu erklimmen. Viele haben’s schon versucht, hört man da, alle sind sie schauerlich deformiert und zerbreit an ihrem Leib ins Geisterreich gefahren.
19.07.17
Let the Breakfest begin
Fresko: Es gibt die vielen Ungereimtheiten beim Anblick einer Szene wie dieser. Ich meine das Steingesicht, das seine Schatten über die Narben wölbt.
Zugig plempert die Sonne durch den Tag, in Lichtspitzen gekleidet das gelbe helle Ding, verströmt ein Plemper-Leuchten in dieser saumseligen Jahreszeit, Kräuterasche trägt träge Windes Algebra vor. Verfrorene Hüte bedecken wärmend Köpfe, damit diese eben nicht auch angefasst von Kältefingern in den nächsten Hauseingang stolpern müssen, den Regenabprall vor Schaufenstergefrierungen jedoch können sie nicht halten; wie im Spiegel daheim winkt da einer hinter mir mit kunterbunten Wollhandschuhen, ein sportliches Grinsen im ganzen Gesicht, ein Ballon mit Haarverlust sein Kopf. Falten, tief eingeprägt wie die Exerguen auf den karthagischen Münzen. Ich schließe mich an, denn die Bäckerei ist berühmt dafür, nächtliche Stürme wieder in die Flasche locken zu können, aus der sie zwar jeden Abend wieder entkommen werden, aber für den Moment ... Sonnensoll und Sonnenzins (zwölf Uhr mittags auf der Nachtseite des Mondes) backt die Erde jetzt doch frisch auf. Semmelbrand breitet schwarze Schwingen über raubmordende Täler. Libellenwaben, windelblau und aufgefaltet, flippern mit den neuesten Bällchen, die jüngst in das Sortiment aufgenommen wurden. Lupinenhonig, spreizgeblümt, steht auf jedem Tisch. »Täterätää!« Die Zungen betreten den Saal durchs Aluminiumtürchen neben dem Toilettentrakt. Let the Breakfest begin!
Es wäre mir auch diesmal ernst gewesen, aber ich erwache jedes Mal und frage mich, wo diese Bäckerei wohl steht. Die Antwort ist immer dieselbe: in meinem Labyrinth, das aus Schenkeln besteht, nackte weiße Haut, Mandarinenduft.
Zugig plempert die Sonne durch den Tag, in Lichtspitzen gekleidet das gelbe helle Ding, verströmt ein Plemper-Leuchten in dieser saumseligen Jahreszeit, Kräuterasche trägt träge Windes Algebra vor. Verfrorene Hüte bedecken wärmend Köpfe, damit diese eben nicht auch angefasst von Kältefingern in den nächsten Hauseingang stolpern müssen, den Regenabprall vor Schaufenstergefrierungen jedoch können sie nicht halten; wie im Spiegel daheim winkt da einer hinter mir mit kunterbunten Wollhandschuhen, ein sportliches Grinsen im ganzen Gesicht, ein Ballon mit Haarverlust sein Kopf. Falten, tief eingeprägt wie die Exerguen auf den karthagischen Münzen. Ich schließe mich an, denn die Bäckerei ist berühmt dafür, nächtliche Stürme wieder in die Flasche locken zu können, aus der sie zwar jeden Abend wieder entkommen werden, aber für den Moment ... Sonnensoll und Sonnenzins (zwölf Uhr mittags auf der Nachtseite des Mondes) backt die Erde jetzt doch frisch auf. Semmelbrand breitet schwarze Schwingen über raubmordende Täler. Libellenwaben, windelblau und aufgefaltet, flippern mit den neuesten Bällchen, die jüngst in das Sortiment aufgenommen wurden. Lupinenhonig, spreizgeblümt, steht auf jedem Tisch. »Täterätää!« Die Zungen betreten den Saal durchs Aluminiumtürchen neben dem Toilettentrakt. Let the Breakfest begin!
Es wäre mir auch diesmal ernst gewesen, aber ich erwache jedes Mal und frage mich, wo diese Bäckerei wohl steht. Die Antwort ist immer dieselbe: in meinem Labyrinth, das aus Schenkeln besteht, nackte weiße Haut, Mandarinenduft.
18.07.17
Das letztliebliche Tal
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17.07.17
Das Zimmer
In meinem Zimmer gibt es keinen Tisch, an dem vier Stühle stehen könnten, in meinem Zimmer gibt es nichts. Das Zimmer ist nicht etwa leer, es ist vielmehr angefüllt mit allem, was nicht hier ist. Kein Tisch, kein Bett, kein Teller, kein Besteck. Es ist unmöglich, etwas hinein zu tun, etwa einen Stuhl, um darauf zu sitzen, solange ich hier bin. Um so mehr Dinge nämlich hereingebracht würden, desto mehr würde ich verschwinden, bis ich, wenn der Raum komplett ausgestattet wäre, mit allem, was man so braucht, mich völlig aufgelöst haben würde. Ich meine damit nicht etwa, dass man mich dann nicht mehr sehen könnte, dass ich unsichtbar wäre, nein, ich wäre ganz einfach nicht mehr da. Ausgelöscht. In diesem Zimmer hielt ich mich den ganzen Tag über auf und auch den überwiegenden Teil der Nacht. Ich verließ das Zimmer nur in den frühen Morgenstunden zwischen 2 und 3 Uhr, wenn mir die Existenz der Dinge am wenigsten Schaden zufügen konnte. Dann schlich ich düstere Wege entlang, verschwand mit den Schatten in Seitengassen oder durchwanderte die langgestreckte, unbeleuchtete Parkanlage. Der einzige andere Zeitvertreib war die Briefe zu lesen, die mir ein Unbekannter regelmäßig unter der Tür hindurch schob. Es war nie mein Bedürfnis, nachzusehen, wer mir die Briefe brachte. Ganz ruhig saß ich auf dem Boden und wartete auf die sich entfernenden Schritte. Erst dann ging ich hinüber, hob den Brief auf, der wie stets in einem strahlend weißen Kuvert, ohne Absender oder Adressat, geliefert wurde.
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