fuhr ich nachmittags von München ab, obwohl mich A&A noch zum Bleiben zu verführen gesucht hatten.
Wäre ich doch …?
Aber nein. Abends noch Freund N beim Umzug innerhalb der kleinen Stadt geholfen, dabei, die Gasse zuparkend, von einem offenkundig entnervten Taxifahrer angehupt, bis das Be- und Entladen ein Endegut Allesgut gefunden hatte.
Hätte ich doch das Zeichen gesehen …?
Aber nein. Nach vollbrachtem Umzug das Gut eingeräumt. N schließt, wie es sich gehört, als erstes den Plattenspieler an. AC/DC, Elvis und Beatles sowie vier Bier später entschließe ich mich zum Aufbruch. „She’s got a ticket to ride“, raten mit John und Paul.
Hätte ich den fünfzig Jahre alten Hinweis doch übersetzen können …?
Aber nein. Zwei Kreisel und eine Abbiege später sehe ich den blauweißen Daimler im Innenspiegel. Also Strich fünfzig fahren, innerhalb. Blaues Blinken und rotes, pointiliertes STOP belehren mich, dass solches nicht immer ausreicht. Wegen des verdammten blinden Scheinwerfers links halten die beiden mich an. Tausenzweihundert Kilometer war ich mit „Odin“, wie ich ihn seit dem Befall mit Scheinwerfer-Star scherzhaft nenne, gefahren, aber
jetzt halten sie mich an! Er ungefähr in meinem Alter, mit meiner Frisur und meinen Dreitagebart, dafür mit Brille. Und einer der charmant-belehrenden Goschen, die dieser Landstrich mit unverwechselbarem Dialekt versieht. „Was hebbe Sie davoo, wenn a entgegekummdes Auto Sie firra Motorrad helt? – Nix.“ Wo er wahr hat, hat er recht.
Sie, Mitte zwanzig, blondgesträhnt, pferdegeschwänzt und im homerischen Sinne kuhäugig, will Papiere sehen. – Gern doch. – Woher wohin? … Alkohol? – „Ein paar Bier.“
Wenn eine junge Frau einen alten Mann zum Blasen auffordert, ist die Welt verrückt geworden, schießt mir – völlig unpassend – durchs Hirn, während meine Lungen alles geben. 2,9 mal zwei, damit bin ich „drüber“, sehe ihm bedröppelt nach, wie er Odin wendet und einparkt, während sie nach Messgeräten „auf der Wache“ telephoniert. Zuvor: „Die Tasch packeSe in de Kofferraum, ich weiß ja net, was Sie so mitführe. Messer oder was.“ Da lache ich. Und Abtasten, von ihm allerdings, ist auch mit dabei, denn „Sie könnde der netteste Mensch sei oder a totaler Asi. Ich weiß es net, ich kennSe net.“ Soso. „Totaler Asi“ murmle ich missgestimmt, während Kuhauge mir zuraunt: „Mir sage ja nit, das Sie’S
sind.“ – Über den „Asi“ ruminiere ich noch, während die Ohren merken, dass sie kein Testgerät findet. Er erklärt natürlich: Werden alle drei Jahre geeicht, und zwar alle auf einmal. „Des könnde gut fir Sie sei, wenn wir weiter fahre misse. Oder schlechter, wenn’mer Blutabnahme mache misse. Dann zahleSe nemlich auch de Arzt.“ Puh, denke ich und antworte „Vor zwei Stunden.“ Auf ihre Frage nämlich, wann ich das letzte Bier getrunken hätte. Wie jeder gute Staatsbürger, der alkoholkontrolliert wird, verschweige ich die drei Pflaumenwein, die der Blitzjunge N mir noch eingeschenkt hat vor dem „ticket to ride“, das ich so missachtet habe. Und sie lächelt schmal: Dann könnte ich, bis sie zum nächsten Messgerät gefahren sind, noch ein paar Promille abbauen.
Tatsächlich geht es in die Nachbarstadt, auf ein Revier, wo er nach eigenem Bekunden noch nie gewesen ist. Zu finden mit der Daimler-Navigation, denn streckenkundig in die Fremde sind beide nicht. Und so befahren wir drei die Autobahn: die Strecke, die ich einst hundertmal gefahren bin, als ich noch in S***heim wohnte. Und auch das eine Mal, viel zu schnell, als Kollegen meines Pärchens mir das Vierteljahr Fahrverbot aufbrummten.
Ein böses Omen? Aber nein. Nicht dran denken.
Autobahnpolizei mitten im Nirgendwo, S***heim bei S***heim. „Ihr kriegt aach nie Besuch“, begrüßt er den Wachhabenden. Das über Funk avisierte, stationäre Messgerät hockt schon bereit in einem kahlen funktionsgebauten Zimmer, dessen Inventar seit den Siebzigern gut gepflegt wird. Werden muss, denn die Polizei hat’s auch nicht leicht. Umgebungsluft wird geprüft, Mundstück angewärmt, Nullpunkt ermittelt, an dem ich vielleicht in wenigen Minuten sein werde. Star Wars, schießt es mir – abermals unpassend – durchs Hirn, während die Lungen schon wieder, und nochmal, alles geben, um Sterne reihenweise wegzupusten. Beim zweiten Mal klappt’s perfekt. „Ich bin also noch steigerungsfähig.“ Er lacht meckernd, sie schmunzelt. –––– 2,3 mal zwei, also wieder „drunter“! „Sie kenne jetz gern tanze“, bemerkt er, während er den Bericht über die erfolglose Jagd auf den Trunkenbold tippt. Sie scheint plötzlich sehr gelangweil von den vierhundert Euro, die ich gerade eingespart habe. Der Steigerungsfähige hat also abgebaut. Ich freue mich innerlich, nur um den Aufwand tut es mir leid. Und ein langer Tag war es auch. Für die beiden wohl nicht minder. Also bringen sie mich wieder zu Odin. Obwohl sie das nicht müssten, wie er mich belehrt, denn ein polizeilicher Grund für meine Beförderung besteht ja nicht mehr. „Un die Wage sind net haftpflichtversichert fir sowas. Wenn jetz was passiert, wer zahlt des?“ Ich erkundige mich angelegentlich nach Beamtenverhältnis und Versicherungsmodalitäten. In der Tat: Die Polizei hat’s nicht leicht.
2:45 Uhr: „SchaldeSe Fernlicht aa.“ – „Da bin ich garnicht drauf gekommen.“ (1200 Kilometer lang nicht) – „Darum sin Sie ja Akademigger un kei praktischer Polizist.“
Den Erfolg gönne ich ihm, versichere beide meines ehrlichen Mitgefühls für ihre Mühen, aber sie nehmen’s sportlich. „Wenn Ihne des eine Lektion war …“ und „Aber nach L*** müsseSe noch durch zwee annere Reviere.“ – „Na, das wäre der Hauptgewinn!“ Papier, Schlüssel, Tasch aus dem Kofferraum, und der blauweiße Daimler ab.
Wer an nichts Böses denkt, der kann was erleben.