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Gerade habe ich mein Profilbild bei Google+ geändert. Die Tasse ist weg, die ich immer vors Gesicht gehalten hatte. Ursprünglich hatte ich das Tassenbild für Twitter verwendet. Ich wollte mich etwas bedeckt halten. Damit die Bilder einheitlich sind und einen Wiedererkennungswert beteht, habe ich diesmal umgekehrt auch das Bild bei Twitter geändert.
Warum diese Änderung nach all den Jahren?
Ausschließlich und allein wegen der Aufmerksamkeit und der Klicks!
Ich habe es aus einem Grund getan, den ich eigentlich gar nicht gutheißen kann und der der Neutralität des Netzes widerspricht. Ich habe mein Bild geändert, dass es auf Google neben den Suchergebnissen des literaturcafe.de steht, damit die Leute »meine« Ergebnisse eher anklicken als andere.
Ich habe es getan, weil Google das eigene Angebot bevorzugt.
Und das finde ich eigentlich doof!
Zu denken gegeben hat mir dieser Artikel über die Wirkung der Autorenfotos im Google-Suchergebnis. Und wie das immer so ist, wird sofort alles ausgereizt und die beste Art gesucht, wie noch mehr Menschen im Suchergebnis die eigene Website anklicken. Da geht es um Farben und Blickrichtungen und andere »Tricks«.
Obwohl technisch schon längst realisiert, erschien bei literaturcafe.de-Beiträgen von mir nie mein Bild. Das hatte mich stutzig gemacht, doch schnell war klar, dass es nicht an der Technik bzw. der Implementierung lag. Es gibt genügend Plug-ins für Wordpress, die das perfekt erledigen.
Es lag am Bild. Es lag an der Tasse.
Gleich einer deutschen Behörde auf dem Personalausweis verlangt Google ein eideutig zu erkennendes Gesicht auf dem Profilbild. Es gibt zwar eine gewisse Toleranz und es funktionieren auch Zeichnungen, aber eine Tasse geht nicht.
Also hab ich letzte Woche das Bild geändert und die Tasse weggenommen und gewartet, was passiert.
Eine knappe Woche später zeigen alle Suchergebnisse das Bild an.
Es lag also am Bild.
Seither werde ich als Google+-Nutzer von Google bevorzugt. Das Bild wird zwar erst seit drei oder vier Tagen angezeigt aber schon merke ich eine Zunahme von Personen, die auf Google-Suchergebnisse klicken und aufs literaturcafe.de kommen.
Läuft ja alles prima, könnte man sagen. Ich soll doch zufrieden sein.
Und wer einen Beitrag geschrieben hat oder eine Website betreibt, der kann doch auch sein Gesicht zeigen. Dafür gibt es Klicks.
Aber das klingt für mich verdammt nach: Wer nichts zu verbergen hat ...
Eigentlich will und muss ich mein Gesicht nicht überall zeigen. Aber es bringt Klicks und wertet mein Suchergebnis auf und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht will.
Bin ich jetzt meine eigene Klickhure? Nein, das wäre zu drastisch ausgedrückt.
Aber irgendwie gefällt es mir nicht ganz, dass ich damit zwei Dinge unterstütze, die ich gar nicht soooo toll finde: jeder sollte sein Gesicht zeigen und Autoren mit Google+ werden bevorzugt.
Beides Dinge, die der Aussage »Auf den Inhalt kommt es an« zuwiderlaufen.
Warum diese Änderung nach all den Jahren?
Ausschließlich und allein wegen der Aufmerksamkeit und der Klicks!
Ich habe es aus einem Grund getan, den ich eigentlich gar nicht gutheißen kann und der der Neutralität des Netzes widerspricht. Ich habe mein Bild geändert, dass es auf Google neben den Suchergebnissen des literaturcafe.de steht, damit die Leute »meine« Ergebnisse eher anklicken als andere.
Ich habe es getan, weil Google das eigene Angebot bevorzugt.
Und das finde ich eigentlich doof!
Zu denken gegeben hat mir dieser Artikel über die Wirkung der Autorenfotos im Google-Suchergebnis. Und wie das immer so ist, wird sofort alles ausgereizt und die beste Art gesucht, wie noch mehr Menschen im Suchergebnis die eigene Website anklicken. Da geht es um Farben und Blickrichtungen und andere »Tricks«.
Obwohl technisch schon längst realisiert, erschien bei literaturcafe.de-Beiträgen von mir nie mein Bild. Das hatte mich stutzig gemacht, doch schnell war klar, dass es nicht an der Technik bzw. der Implementierung lag. Es gibt genügend Plug-ins für Wordpress, die das perfekt erledigen.
Es lag am Bild. Es lag an der Tasse.
Gleich einer deutschen Behörde auf dem Personalausweis verlangt Google ein eideutig zu erkennendes Gesicht auf dem Profilbild. Es gibt zwar eine gewisse Toleranz und es funktionieren auch Zeichnungen, aber eine Tasse geht nicht.
Also hab ich letzte Woche das Bild geändert und die Tasse weggenommen und gewartet, was passiert.
Eine knappe Woche später zeigen alle Suchergebnisse das Bild an.
Es lag also am Bild.
Seither werde ich als Google+-Nutzer von Google bevorzugt. Das Bild wird zwar erst seit drei oder vier Tagen angezeigt aber schon merke ich eine Zunahme von Personen, die auf Google-Suchergebnisse klicken und aufs literaturcafe.de kommen.
Läuft ja alles prima, könnte man sagen. Ich soll doch zufrieden sein.
Und wer einen Beitrag geschrieben hat oder eine Website betreibt, der kann doch auch sein Gesicht zeigen. Dafür gibt es Klicks.
Aber das klingt für mich verdammt nach: Wer nichts zu verbergen hat ...
Eigentlich will und muss ich mein Gesicht nicht überall zeigen. Aber es bringt Klicks und wertet mein Suchergebnis auf und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das nicht will.
Bin ich jetzt meine eigene Klickhure? Nein, das wäre zu drastisch ausgedrückt.
Aber irgendwie gefällt es mir nicht ganz, dass ich damit zwei Dinge unterstütze, die ich gar nicht soooo toll finde: jeder sollte sein Gesicht zeigen und Autoren mit Google+ werden bevorzugt.
Beides Dinge, die der Aussage »Auf den Inhalt kommt es an« zuwiderlaufen.
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Die Diskussion (u.a. mit mit Till Kreutzer) kam gerade im Radio. Ich konnte selbst vorhin nur den Anfang hören, aber es gibt sie dankenswerterweise auch als MP3 auf der SWR-Website zum Download. Und zwar nicht kostenlos - sondern bezahlt von meinen Gebühren :-)
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Noch ist nicht klar, ob das literaturcafe.de auf Google+ sein muss, aber hier ist es.
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So leben Sie hin
Eine Kurzgeschichte
Habe nach Jahren wieder mal Google+ besucht. Ich erinnere mich noch an früher, als alle so begeistert davon waren. Einige hatten damals sogar geglaubt, es würde Facebook ablösen.
Heute lachen wir darüber, so wie wir darüber lachen, dass wir damals geglaubt hatten, dass die Zukunft des Internets dreidimensional sei. Damals musste jede Firma bei Second Life sein – sagten die Werbeberater. Und danach mussten alle hier und da sein.
Karin war damals »Social Media Redakteurin« bei einer großen Online-Zeitung. Heute ist sie arbeitslos, wie so viele.
Irgendwann werden sie auch die letzten freien Server abschalten. Es lohnt sich einfach nicht mehr. Sie sind alle bei Facebook. Nicht mal, als Zuckerberg damals tödlich verunglückte und nach vielen Rechtsstreitigkeiten Facebook schließlich von der US-Regierung verstaatlicht wurde, haben die Menschen dieses Netzwerk verlassen. Sie waren es so gewohnt. Dass ab und zu an den Haustüren ihrer Nachbarn Herren in Schwarz auftauchten und neugierige Fragen stellten und dass sie manchmal sogar Bewohner einfach mitnahmen, hat viele nicht mehr gestört. So sei das eben, irgendwas werden die schon gemacht haben und wer sich im Netzwerk wie im realen Leben gut und vorschriftsmäßig verhält, der braucht nichts zu befürchten.
So leben sie hin – im Netz. Viel wird man nicht mehr ändern können.
Veröffentlicht unter CC-Lizenz. Keine Kommerzielle Nutzung. Nennung der Quelle: literaturcafe.de
Eine Kurzgeschichte
Habe nach Jahren wieder mal Google+ besucht. Ich erinnere mich noch an früher, als alle so begeistert davon waren. Einige hatten damals sogar geglaubt, es würde Facebook ablösen.
Heute lachen wir darüber, so wie wir darüber lachen, dass wir damals geglaubt hatten, dass die Zukunft des Internets dreidimensional sei. Damals musste jede Firma bei Second Life sein – sagten die Werbeberater. Und danach mussten alle hier und da sein.
Karin war damals »Social Media Redakteurin« bei einer großen Online-Zeitung. Heute ist sie arbeitslos, wie so viele.
Irgendwann werden sie auch die letzten freien Server abschalten. Es lohnt sich einfach nicht mehr. Sie sind alle bei Facebook. Nicht mal, als Zuckerberg damals tödlich verunglückte und nach vielen Rechtsstreitigkeiten Facebook schließlich von der US-Regierung verstaatlicht wurde, haben die Menschen dieses Netzwerk verlassen. Sie waren es so gewohnt. Dass ab und zu an den Haustüren ihrer Nachbarn Herren in Schwarz auftauchten und neugierige Fragen stellten und dass sie manchmal sogar Bewohner einfach mitnahmen, hat viele nicht mehr gestört. So sei das eben, irgendwas werden die schon gemacht haben und wer sich im Netzwerk wie im realen Leben gut und vorschriftsmäßig verhält, der braucht nichts zu befürchten.
So leben sie hin – im Netz. Viel wird man nicht mehr ändern können.
Veröffentlicht unter CC-Lizenz. Keine Kommerzielle Nutzung. Nennung der Quelle: literaturcafe.de
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Der geschlossene Kreis
Kurzgeschichte von Andreas Eschbach
Ich hatte die Lust am Lesen eigentlich schon verloren. Ich meine: Wer braucht das Zeug, was heute so produziert wird? Von Auftragsschreibern nach den Vorgaben von Marketinganalysten produzierte Texte, die uralte Trends totreiten? Ich nicht. Ich habe mich lange an die Klassiker gehalten, aber irgendwann sind die einem eben dann doch zu alt. Und an die zeitgenössische Literatur – die wirkliche Literatur, meine ich – ist ja kein Herankommen mehr. Also hab ich’s gelassen.
Doch dann hat mich eine gute Freundin einmal etwas aus ihrem Buchkreis lesen lassen. Nicht das ganze Buch, leider – nach den ersten zwei Kapiteln hat sie schließlich Muffensausen gekriegt. „Ich darf das nicht“, hat sie mich beschworen. „Wenn das rauskommt, bin ich ruiniert.“ Es half nichts. Ich musste ihr das Buch angelesen zurückgeben. Es war gut gewesen. Der Gedanke, dass ich nie erfahren werde, wie die Geschichte ausgeht, zerreißt mir das Herz. Aber was will man machen?
Jedenfalls hatte ich Blut geleckt. Jetzt wollte ich auch in einen Buchkreis. Das nötige Geld dafür hatte ich, also schrieb ich meine Bewerbungen.
Eine frustrierende Zeit. Unglaublich, wie viele Leute in Buchkreise drängen. Kein Wunder, dass die Autoren kaum mit dem Schreiben nachkommen. Am liebsten wäre ich ja in einen amerikanischen Kreis gegangen, aber in die kommt man als Europäer praktisch nicht rein. Und was meine alte Liebe zu skandinavischen Krimis anbelangt, hätte ich erst mal Norwegisch lernen müssen. Übersetzungen gibt es ja kaum noch. Nicht in diesen Kreisen.
Und dann, endlich, bekam ich eine Zusage, für „Der geschlossene Kreis“ von Peter Eisenhardt. Meine gute Freundin wurde vor Neid ganz blass, als ich ihr das erzählte, weil der Schwager ihrer Arbeitskollegin beim Vorläufer dabei gewesen war, dem Roman „Der offene Kreis“, und der sei echt toll gewesen. Meinte die Kollegin. Ich fragte mich, woher die das wusste. Wahrscheinlich war ihr Schwager nicht so zimperlich gewesen wie meine Bekannte.
Als der Vertrag kam, ging ich damit zu meinem Anwalt, um ihn durchzuchecken. „Das Übliche“, meinte er. „Abgesehen von den Beitrittsgebühren müssen Sie versichern, dass nur Sie das Werk lesen werden, dass Sie es niemandem zugänglich machen und mit niemandem außerhalb des Kreises darüber sprechen, niemandem etwas vom Inhalt erzählen, und so weiter. Bei Zuwiderhandlung ist eine Vertragsstrafe fällig ... hmm, die ist hier ganz schön happig. Sie müssen den Besitz eines Schließfachs nachweisen. Und eine Bankbürgschaft hinterlegen, damit garantiert ist, dass Sie diese Strafe auch zahlen können.“
Ich muss gestehen, dass mir in dem Moment etwas mulmig wurde. „Muss das denn sein?“, fragte ich, mehr an mich selbst gerichtet.
„Solange Sie sich daran halten, ist es nur eine Formalie“, erklärte er mir. „Ein variiertes Non - Disclosure - Agreement. Das ist nötig, damit die Aushändigung des Werkes an Sie nicht als Veröffentlichung gilt. Formell sind Sie erst ein Testleser. Nach den Buchstaben des Gesetzes befindet sich das Werk damit erst noch in der Entstehung.“
„Aber ich kriege doch ein gedrucktes und gebundenes Exemplar, oder?“
„Die Form, in der Sie das Manuskript erhalten, spielt rechtlich keine Rolle. Worauf es ankommt, ist, dass die Exemplare personalisiert sind. Ihr Name wird drinstehen und eine laufende Nummer.“
„Aber er wird den Roman doch nie wirklich veröffentlichen. Also – im klassischem Sinne, meine ich?“
„Nein. Natürlich nicht. Niemand kann einen Autor dazu zwingen, ein Werk zu veröffentlichen. Und er wäre ja schlecht beraten, seit das Urheberrecht auf fünf Jahre nach Veröffentlichung beschränkt ist. Fünf Jahre sind schnell vorbei, und danach wäre der Text gemeinfrei, jeder könnte damit machen, was er will, könnte mit den Figuren eigene Romane schreiben ...“ Er reichte mir den Buchkreis-Beitrittsvertrag zurück. „Was ja auch passiert. All die Romane, die zu politischen Zwecken umgeschrieben wurden. All die Kürzungen, Verhunzungen, all die unübersehbaren Varianten, unter denen die Originalfassungen verlorengehen. Von den, hmm, pornographischen Varianten ganz zu schweigen. Ich bin froh, dass ich den Rat meines Vaters befolgt und Jura studiert habe. Da weiß man, was man hat.“
Ich unterschrieb natürlich. Bezahlte die Aufnahmegebühr. Und erhielt eine Einladung zu einer Lesung, in deren Rahmen ich mein Exemplar des Romans erhalten würde.
Ich war einer von etwa hundert Leuten, die an jenem Abend kamen. Man musste alle elektronischen Geräte abgeben und einen Metalldetektor passieren. Danach gab es Champagner und Häppchen. Sehr edel alles. Nun, es hatte ja auch genug Geld gekostet.
Ich kam mit einem jungen Mann ins Gespräch, der zu jung war, um die alten Zeiten noch miterlebt zu haben. Reich geerbt habe er, vertraute er mir an, mit einem Lächeln voller Genugtuung. „Nur eintausend Menschen werden dieses Buch zu sehen bekommen“, meinte er dann, nippte an seinem Glas und fügte zufrieden hinzu: „Hat etwas, diese Exklusivität.“
„Wie man’s nimmt“, meinte ich. „Als ich in Ihrem Alter war, konnte jeder jedes Buch kaufen. Einfach so. Manche hatten ganze Sammlungen davon. Bibliothek nannte man das.“
Er musterte mich skeptisch. „Jeder? Jedes Buch?“
„Ja“, sagte ich. „Egal welches. Was nicht da war, konnte bestellt werden, war am nächsten Tag da.“
Er rümpfte die Nase. „Bizarre Vorstellung“, meinte er schnippisch und suchte das Weite. Mir war es recht.
Schließlich kam der Autor. Er begrüßte uns der Reihe nach mit Handschlag, schien sich zu freuen, dass wir gekommen waren. Dann nahm er vorn am Lesepult Platz und begann zu lesen.
Und mehr darf ich nicht verraten. Sorry.
(Dieses Werk steht unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Unported Lizenz.)
Kurzgeschichte von Andreas Eschbach
Ich hatte die Lust am Lesen eigentlich schon verloren. Ich meine: Wer braucht das Zeug, was heute so produziert wird? Von Auftragsschreibern nach den Vorgaben von Marketinganalysten produzierte Texte, die uralte Trends totreiten? Ich nicht. Ich habe mich lange an die Klassiker gehalten, aber irgendwann sind die einem eben dann doch zu alt. Und an die zeitgenössische Literatur – die wirkliche Literatur, meine ich – ist ja kein Herankommen mehr. Also hab ich’s gelassen.
Doch dann hat mich eine gute Freundin einmal etwas aus ihrem Buchkreis lesen lassen. Nicht das ganze Buch, leider – nach den ersten zwei Kapiteln hat sie schließlich Muffensausen gekriegt. „Ich darf das nicht“, hat sie mich beschworen. „Wenn das rauskommt, bin ich ruiniert.“ Es half nichts. Ich musste ihr das Buch angelesen zurückgeben. Es war gut gewesen. Der Gedanke, dass ich nie erfahren werde, wie die Geschichte ausgeht, zerreißt mir das Herz. Aber was will man machen?
Jedenfalls hatte ich Blut geleckt. Jetzt wollte ich auch in einen Buchkreis. Das nötige Geld dafür hatte ich, also schrieb ich meine Bewerbungen.
Eine frustrierende Zeit. Unglaublich, wie viele Leute in Buchkreise drängen. Kein Wunder, dass die Autoren kaum mit dem Schreiben nachkommen. Am liebsten wäre ich ja in einen amerikanischen Kreis gegangen, aber in die kommt man als Europäer praktisch nicht rein. Und was meine alte Liebe zu skandinavischen Krimis anbelangt, hätte ich erst mal Norwegisch lernen müssen. Übersetzungen gibt es ja kaum noch. Nicht in diesen Kreisen.
Und dann, endlich, bekam ich eine Zusage, für „Der geschlossene Kreis“ von Peter Eisenhardt. Meine gute Freundin wurde vor Neid ganz blass, als ich ihr das erzählte, weil der Schwager ihrer Arbeitskollegin beim Vorläufer dabei gewesen war, dem Roman „Der offene Kreis“, und der sei echt toll gewesen. Meinte die Kollegin. Ich fragte mich, woher die das wusste. Wahrscheinlich war ihr Schwager nicht so zimperlich gewesen wie meine Bekannte.
Als der Vertrag kam, ging ich damit zu meinem Anwalt, um ihn durchzuchecken. „Das Übliche“, meinte er. „Abgesehen von den Beitrittsgebühren müssen Sie versichern, dass nur Sie das Werk lesen werden, dass Sie es niemandem zugänglich machen und mit niemandem außerhalb des Kreises darüber sprechen, niemandem etwas vom Inhalt erzählen, und so weiter. Bei Zuwiderhandlung ist eine Vertragsstrafe fällig ... hmm, die ist hier ganz schön happig. Sie müssen den Besitz eines Schließfachs nachweisen. Und eine Bankbürgschaft hinterlegen, damit garantiert ist, dass Sie diese Strafe auch zahlen können.“
Ich muss gestehen, dass mir in dem Moment etwas mulmig wurde. „Muss das denn sein?“, fragte ich, mehr an mich selbst gerichtet.
„Solange Sie sich daran halten, ist es nur eine Formalie“, erklärte er mir. „Ein variiertes Non - Disclosure - Agreement. Das ist nötig, damit die Aushändigung des Werkes an Sie nicht als Veröffentlichung gilt. Formell sind Sie erst ein Testleser. Nach den Buchstaben des Gesetzes befindet sich das Werk damit erst noch in der Entstehung.“
„Aber ich kriege doch ein gedrucktes und gebundenes Exemplar, oder?“
„Die Form, in der Sie das Manuskript erhalten, spielt rechtlich keine Rolle. Worauf es ankommt, ist, dass die Exemplare personalisiert sind. Ihr Name wird drinstehen und eine laufende Nummer.“
„Aber er wird den Roman doch nie wirklich veröffentlichen. Also – im klassischem Sinne, meine ich?“
„Nein. Natürlich nicht. Niemand kann einen Autor dazu zwingen, ein Werk zu veröffentlichen. Und er wäre ja schlecht beraten, seit das Urheberrecht auf fünf Jahre nach Veröffentlichung beschränkt ist. Fünf Jahre sind schnell vorbei, und danach wäre der Text gemeinfrei, jeder könnte damit machen, was er will, könnte mit den Figuren eigene Romane schreiben ...“ Er reichte mir den Buchkreis-Beitrittsvertrag zurück. „Was ja auch passiert. All die Romane, die zu politischen Zwecken umgeschrieben wurden. All die Kürzungen, Verhunzungen, all die unübersehbaren Varianten, unter denen die Originalfassungen verlorengehen. Von den, hmm, pornographischen Varianten ganz zu schweigen. Ich bin froh, dass ich den Rat meines Vaters befolgt und Jura studiert habe. Da weiß man, was man hat.“
Ich unterschrieb natürlich. Bezahlte die Aufnahmegebühr. Und erhielt eine Einladung zu einer Lesung, in deren Rahmen ich mein Exemplar des Romans erhalten würde.
Ich war einer von etwa hundert Leuten, die an jenem Abend kamen. Man musste alle elektronischen Geräte abgeben und einen Metalldetektor passieren. Danach gab es Champagner und Häppchen. Sehr edel alles. Nun, es hatte ja auch genug Geld gekostet.
Ich kam mit einem jungen Mann ins Gespräch, der zu jung war, um die alten Zeiten noch miterlebt zu haben. Reich geerbt habe er, vertraute er mir an, mit einem Lächeln voller Genugtuung. „Nur eintausend Menschen werden dieses Buch zu sehen bekommen“, meinte er dann, nippte an seinem Glas und fügte zufrieden hinzu: „Hat etwas, diese Exklusivität.“
„Wie man’s nimmt“, meinte ich. „Als ich in Ihrem Alter war, konnte jeder jedes Buch kaufen. Einfach so. Manche hatten ganze Sammlungen davon. Bibliothek nannte man das.“
Er musterte mich skeptisch. „Jeder? Jedes Buch?“
„Ja“, sagte ich. „Egal welches. Was nicht da war, konnte bestellt werden, war am nächsten Tag da.“
Er rümpfte die Nase. „Bizarre Vorstellung“, meinte er schnippisch und suchte das Weite. Mir war es recht.
Schließlich kam der Autor. Er begrüßte uns der Reihe nach mit Handschlag, schien sich zu freuen, dass wir gekommen waren. Dann nahm er vorn am Lesepult Platz und begann zu lesen.
Und mehr darf ich nicht verraten. Sorry.
(Dieses Werk steht unter einer Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung 3.0 Unported Lizenz.)

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Da mich die ahistorische Kenntnislosigkeit in der Urheberrechtsdebatte ärgert, habe ich einen fast 20 Jahren alten Text über die Ursprünge (und vermutete Entwicklung) des Urheberrechts von mir wiedergelesen und stelle ihn hiermit ein. Er erschien 1993/94 in zwei Teilen in der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift LEVIATHAN, das Wort "Internet" kommt noch nicht vor, nur einmal "CompuServe". Wie oft bei alten Texten, ist man gerührt, erstaunt und erschüttert über die Denkarbeit, die man mal geleistet hat. In diesem Fall ist es besonders krass: Der Doppelessay könnte heute als ideologischer Grundtext der Piratenbewegung durchgehen und entspricht damit absolut nicht meinen politischen Präferenzen von heute. Ich lege die Lektüre dennoch und trotz der Länge (42 Seiten) nachdrücklich ans Herz, denn das darin enthaltene Wissen fehlt der Debatte heute größtenteils. (Da ich kein Jurist bin, ist er nicht juristisch formuliert und gut lesbar.)
Hier als Appetizer nur der Schluss:
"Selbst der betont urheberfreundliche Chefreferent der EG-Kommission, Jean-Francois Verstrynge, präsentierte auf einem Kongreß der „Verwertungsgesellschaft Wort" im Oktober 1992 eine düstere Vision: 'Wenn wir nicht jedes Mal die Exklusivität eines Rechts durchsetzen können, weil wir nicht jedem Bürger einen Polizisten für Überwachungszwecke zuteilen können, wenn wir jedes Mal nur reagieren durch die Schaffung eines bloßen Vergütungsanspruchs, bewegen wir das Urheberrecht allmählich weg von seiner Natur als fundamentalem Recht in Richtung eines Besteuerungssystems. Die erste solche Bewegung fand beim privaten Kopieren bis zur Reprographie statt. Wenn sich das ohne eine Reaktion fortsetzt, wird das Urheberrecht in 30 Jahren tot sein.' Das wird es. Der klassische Urheber ebenfalls. Wie in den großen Industrien des 19. Jahrhunderts transformiert er sich in einen Arbeitnehmer, der auf Anforderung Ware herstellt, auch wenn sich der kreative Prozeß gegen industrielle Zugriffe sperrt. Vom Ausdrucksgewerbe zum Informationsbetrieb: ein Gewinn an Märkten, ein Verlust an Seele."
Das mit der Seele wird zuvor erklärt, die Seele spielt in der Debatte des 18. Jahrhunderts eine große Rolle zur Begründung des geistigen Eigentums. - Aber die Verstrynge-Prophezeiung erscheint erstaunlich präzise ...
Hier als Appetizer nur der Schluss:
"Selbst der betont urheberfreundliche Chefreferent der EG-Kommission, Jean-Francois Verstrynge, präsentierte auf einem Kongreß der „Verwertungsgesellschaft Wort" im Oktober 1992 eine düstere Vision: 'Wenn wir nicht jedes Mal die Exklusivität eines Rechts durchsetzen können, weil wir nicht jedem Bürger einen Polizisten für Überwachungszwecke zuteilen können, wenn wir jedes Mal nur reagieren durch die Schaffung eines bloßen Vergütungsanspruchs, bewegen wir das Urheberrecht allmählich weg von seiner Natur als fundamentalem Recht in Richtung eines Besteuerungssystems. Die erste solche Bewegung fand beim privaten Kopieren bis zur Reprographie statt. Wenn sich das ohne eine Reaktion fortsetzt, wird das Urheberrecht in 30 Jahren tot sein.' Das wird es. Der klassische Urheber ebenfalls. Wie in den großen Industrien des 19. Jahrhunderts transformiert er sich in einen Arbeitnehmer, der auf Anforderung Ware herstellt, auch wenn sich der kreative Prozeß gegen industrielle Zugriffe sperrt. Vom Ausdrucksgewerbe zum Informationsbetrieb: ein Gewinn an Märkten, ein Verlust an Seele."
Das mit der Seele wird zuvor erklärt, die Seele spielt in der Debatte des 18. Jahrhunderts eine große Rolle zur Begründung des geistigen Eigentums. - Aber die Verstrynge-Prophezeiung erscheint erstaunlich präzise ...
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Für die kostenlose Hörbuch und EPUB-Version von Georg Büchners »Lenz« haben wir erstmals auch eine iBooks-Version mit Text- und Audiodatei erstellt. Die erste Gelegenheit das Programm iBooks Author in der freien Wildbahn zu testen. Der Eindruck ist sehr zwiespältig. Mehr dazu wird demnächst in einem Testbericht zu lesen sein. Besitzer eines iPad 2 (und demnächst 3) können also eine kostenlose »Textbook«-Version herunterladen.
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