Erzählbilder sind für mich etwas vollkommen Neues. Eva Muggenthalers „Als die Fische spazieren gingen…“ besteht aus eben jenen Bildern und kommt dadurch gänzlich ohne Text aus. Was sucht nun ein Buch ohne Text in meinen Bilderbuchwochen, in denen ich doch eigentlich Anregungen zum Vorlesen geben möchte?
Die Antwort ist einfach: Um Kinder an Bücher heranzuführen, braucht es einen Anreiz und was ist verlockender, als sich große, bunte Bilder anzusehen und damit die Aufmerksamkeit und Neugier des Kindes zu wecken? Erzählbilder eignen sich ganz wunderbar dazu, zumal die Kinder noch nicht lesen können müssen, um die Geschichten zu verstehen.
Der Clou bei der Sache ist, dass die Bilder nicht den Text untermalen, sondern für sich selbst sprechen. Jede Illustration birgt eine Vielzahl von Geschichten in sich, ohne dass das geschriebene Wort dabei die Richtung vorgibt. Vielmehr laden die Abbildungen dazu ein, sich selbst Geschichten auszudenken und zu rätseln, warum die gezeigten Figuren so handeln, wie sie es tun und was verschiedene Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen wohl bedeuten könnten.
Eva Muggenthaler hat zu diesem Zweck zwölf farbenfrohe und detailverliebte Bilder gemalt. Jedes von ihnen erstreckt sich über eine Doppelseite und lädt den Betrachter dazu ein, genauer hinzusehen, denn neben dem großflächigen Hauptmotiv findet man zahlreiche Details, die die Fantasie anregen. So arbeiten z.B. Zwerge im Wald und schleppen schwere Baumstämme durch die Gegend, während unten links am Bildrand ein paar kleine Pilze Karten spielen. Ein anderes Bild erzählt die Geschichte von einem Stachelschwein, das sich furchtbar über einen singenden Pinguin unter seinem Fenster aufregt und dem Spektakel mit einem Eimer Wasser ein Ende bereiten möchte. Doch der Pinguin hat Glück, denn zufällig kommt ein netter Eisbär vorbei, der schützend seinen Hut über ihn hält.
Jede dieser Geschichten setzt Muggenthaler auf sehr fantasievolle Weise künstlerisch um. Die Konturen sind weich, was in meinen Augen eine gemütliche Wärme ausstrahlt, doch trotz dieser Weichheit kann man viele kleine Feinheiten erkennen. Tiere schlüpfen in die Rolle von Menschen, es regnet und schneit und hier und da scheint auch die Sonne.
Die Vielfalt der Motive entführt den Betrachter in Welten, die er einerseits aus dem eigenen Alltag kennt, die andererseits aber auch höchst fantastisch wirken.
Unter jedem Erzählbild gibt die Autorin kleine Interpretationsanregungen, die meist aus gegensätzlichen Empfindungen bestehen (z.B. Wütend sein vs. Verständnis zeigen). Ein Nachwort der Kinderphilosophin und Dozentin Dr. Kristina Calvert rundet das Buch mit interessanten Informationen für die Eltern ab.
In meinen Augen eignet sich „Als die Fische spazieren gingen…“ perfekt für gemütliche Stunden, in denen man gemeinsam mit dem Nachwuchs fabulieren kann. Der Fantasie werden keine Grenzen gesetzt, da die Erzählbilder viele spannende Anregungen bieten, die zudem den Blick für Details schulen. Außerdem können die Kleinen die Richtung der Geschichten selbst bestimmen, ohne schon des Lesens mächtig zu sein.
Eine schöne und sinnvolle Alternative zur Trickfilmberieselung – in meinen Augen absolut empfehlenswert!
Altersempfehlung: ab 3 Jahren
Eva Muggenthaler: Als die Fische spazieren gingen. mixtvision 2010, 32 Seiten, 14,90 €.
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