„Man versucht zu schlafen, meint, dass die Knochen durch die Haut schaben. Es ist kalt, kalt, ständig kalt“
Leo Nilheims Geschichte ist ein schmales Büchlein, in dem der schwedischsprachige finnische Autor Leo Ǻgren, der 1984 verstorben ist, vom Zweiten Weltkrieg erzählt – allerdings „von der anderen Seite“. Er lässt einen Russen berichten, der aufgewachsen ist mit der Verehrung Stalins und dem Hunger, der an die Ideale der Sowjetunion glaubt und in den Krieg gegen die Deutschen bzw. die Finnen ziehen muss. Wie der Kampf der Deutschen an der russischen Front endete, ist bekannt, aber freilich ist es nicht so, als hätten die russischen Soldaten ihren Spaß gehabt. Leo Nilheim ist alt und müde, er ist ein resignierter Erzähler, der in jener einen Nacht längst Vergangenes heraufbeschwört: Kälte, bittere Kälte, Einsamkeit, Todesangst, Hunger. Da er überlebt hat, schildert er alle Widrigkeiten als etwas, das man besiegen konnte, doch der Schrecken ist in jedem Satz spürbar. Zwei fremde Männer sitzen beisammen, der eine breitet sein Leben auf dem Tisch aus, der andere bleibt stumm und schaut es sich an. Ein wenig schade finde ich, dass die Erzählung gar so kurz geraten ist und ein wenig unvermittelt endet, andererseits bin ich beeindruckt, dass sie trotz der Kürze so kraftvoll und erschütternd ist. Ein kleines Stück Zeitzeugnis, das Einblick gibt in Ereignisse, die begraben liegen unter Tonnen von Schnee und Jahrzehnten des Vergessens – und an die wir uns doch stets erinnern sollten.
Leo Ǻgren: Leo Nilheims Geschichte. Aus dem Schwedischen von Erik Gloßmann. Osburg Verlag 2014, 160 Seiten, 17,99 €. Bei ocelot.de ist das Buch versandkostenfrei erhältlich.