Auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt haben die Klappentexterin und ich endlich Sebastian Guggolz aus Berlin Schöneberg kennen gelernt. Als junger Verleger und Gründer des Guggolz Verlages ist er in diesem Herbst mit zwei vergessenen Klassikern der Weltliteratur gestartet. Wir erfahren, warum Guggolz vorerst „der Verlag mit den zwei Büchern“ bleiben soll und warum er keine eBooks produzieren will. Mit großer Begeisterung erzählt Sebastian uns, dass er die Bücher für sein Programm beim Stöbern in Antiquariaten findet.
Wie ist es zur Gründung des Verlages gekommen?
Ich hatte zuvor einige Jahre als Lektor gearbeitet (bei Matthes & Seitz Berlin), aber der Wunsch, meine eigenen Vorstellungen umzusetzen, wurde immer stärker. Als sich dann alles fügte und ich durch private Unterstützung und durch die Bank genug Geld für die Gründung zusammenbekommen hatte, habe ich sofort losgelegt.
Welche Schwerpunkte setzt Guggolz? Was zeichnet den Verlag aus?
Der Verlag verschreibt sich der Neu- und Wiederentdeckung vergessener oder übersehener Autoren und Bücher, also Büchern, die es heute nicht mehr lieferbar gibt. Da gibt es eine riesige Menge an zu Unrecht vergessenen Autoren, deshalb fokussieren wir uns auf Ost- und Nordeuropa. Allein da ist die Fülle an tollen vergessenen Autoren so groß, dass ich aus dem Lesen gar nicht mehr herauskomme.
Welchen Herausforderungen musstest Du Dich anfangs stellen? Sind es dieselben wie heute?
Zu Beginn ging es für mich erst einmal darum, die Strukturen zu schaffen, vor allem im Vertrieb, aber auch einen Presseverteiler aufzubauen und das Netzwerk mit den Übersetzern zu stärken. Das war viel Arbeit, hat aber sehr gut geklappt – nach dem Start mit dem ersten Programm wird es in Zukunft eher um eine Verbreiterung und Verfestigung der Bekanntheit des Verlags gehen. Und natürlich darum, dass meine Bücher so gut werden, dass man als Leser und als Buchhändler einfach nicht dran vorbei kommt.
Was schätzt Du an der unabhängigen Kleinverlagswelt?
Dass man viel freier ist in seinen Entscheidungen! Das mag paradox klingen, weil man natürlich deutlich weniger Geld zur Verfügung hat und immer um seine Existenz kämpfen muss, aber man ist nicht so von Entscheidungen anderer abhängig, wie das bei größeren Verlagen oder gar Konzernen ist. Natürlich muss man sich auch als Kleinverleger seine Entscheidungen gut überlegen, ab man muss sie nicht mit so vielen anderen abstimmen. Man kann seinen Leidenschaften folgen, seinen Überzeugungen, und das ist es ja auch, was einen dann letztlich in der Arbeit glücklich macht.
Welche Entwicklungen auf dem Buchmarkt / im Literaturbetrieb beschäftigt Dich zurzeit besonders stark?
Die neue Stärke der unabhängigen Buchhandlungen im Zuge all der Diskussionen freut mich sehr, da wünsche ich mir natürlich dass sich das so weiterentwickelt. Man kann auch nirgendwo so gut Bücher einkaufen, wie in Buchhandlungen. Digitalisierung, E-Books und so weiter – das betrifft mich nicht besonders, eher auf dem umgekehrten Weg: Durch das Aufkommen von E-Books ist plötzlich wieder mehr Raum für schöne Bücher, glaube ich, also für gute Gestaltung und Bücher, in die man sich beim Lesen versenken, in die man eintauchen kann.
Möchtest Du uns erzählen, warum deine Bücher nicht als eBooks erscheinen?
Aus genau den eben erwähnten Gründen. Ich lehne E-Books gar nicht ab, lese aber selbst ausschließlich analog. Und ich bin der Überzeugung, dass sich E-Books nur für bestimmte Textsorten eignen, und das sind nicht wiederaufgelegte Klassiker. Ein Buch ist ein Buch, ein Objekt, das man anfassen, liebhaben und liebgewinnen kann. Alle Emotionen und Erfahrungen, die ich mit einem Buch verbinde, werden allein durch den Anblick und das In-die-Hand-nehmen des Buches aufgerufen, wenn ich es aus dem Regal ziehe. Ein E-Book ist ein Text, den man nicht spüren und mit dem man nicht leben kann. Mir fehlt da was.
Zum Abschluss würden wir uns über eine Buchempfehlung freuen – aus Deinem eigenen Programm oder dem eines anderen Indie-Verlages.
Da ich selbst bisher nur zwei Bücher habe, kann ich die beiden natürlich uneingeschränkt empfehlen. Maxim Harezkis »Zwei Seelen« und »Frommes Elend« von Frans Eemil Sillanpää. Dann will ich auf jeden Fall »Am Fluß« von Esther Kinsky empfehlen, das bei Matthes & Seitz Berlin erschienen ist. Ein Buch, wie es noch kein zweites gibt. Es ist eine Art nature writing, die man besser geographical writing nennen müsste, Die Erkundung von Landschaft und die Gedanken und Erinnerungen, die dabei aufkommen. Und all das in einer unerschöpflich reichen Sprache, die einen überwältigt, von der ich mich aber auch sehr gerne habe überwältigen lassen. Jetzt ist der Platz wahrscheinlich schon zu Ende – dabei gäbe es noch so vieles zu empfehlen! Dann empfehle ich einfach auf jeden Fall noch zum Schluss, ohne Scheu vor vorher noch nicht Gekanntem in den Indie-Programmen zu stöbern. Da gibt es jede Menge ungewöhnlicher Schätze zu finden!
Wir danken Sebastian Guggolz für das Interview und wünschen dem Verleger weiterhin viel Erfolg! Ebenso bedanken wir uns herzlich bei masuko13, die das Interview geführt hat.
Sehr liebenswert :) Beim Stichwort Matthes&Seitz fühle ich mich ohnehin total angesprochen, aber vielmehr finde ich es großartig zu sehen, wie kleinverlegerische Ideen den Mut und die Möglichkeiten finden, sich zu verwirklichen. Ich werde Guggolz auf jeden Fall im Auge behalten!
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