Lila Azam Zanganeh: Der Zauberer Nabokov und das Glück

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»Aus Liebe zu Nabokov«

Die Liebe zu einem Autor ist eine ganz besondere – denn es ist ein eigentlich fremder Mensch, mit dem man sich dennoch durch eine unsichtbare Schnur verbunden fühlt. Nur allein dadurch, was und wie er seine Geschichten schreibt und einen so begeistert. Deshalb war ich neugierig, was die junge Autorin Lila Azam Zanganeh in ihrem Buch »Der Zauberer Nabokov und das Glück« über ihren Lieblingsautor Vladimir Nabokov schreiben würde.

Bereits die ersten Seiten lassen mich erahnen, dass dies eine bezaubernde Lektüre werden wird. Ein Buch des Wiederfindens, aber auch die spannende Entdeckungsreise eines großen Autors. Zunächst muss ich grinsen, denn die Autorin hat sich – genauso wie ich seinerzeit – erst einmal durch die ersten Seiten von »Ada oder Das Verlangen« gekämpft. Ja, die berühmten ersten 100 Seiten. Die muss man erklimmen wie eine Bergsteigerin, die sonst nur auf der Tiefebene wandert. Es schmerzt und gleichzeitig bezirzt Vladimir Nabokov seine Leser durch seine Beschreibungen, die voller Bildfreude und Sinnlichkeit das überanstrengte Auge liebkosen. Warum – trotz aller Zauberei – sich durch lange, schwierige Sätze quälen? Lila Azam Zanganeh spricht mir dabei aus der Seele: »Wir lesen, damit die Welt wieder verzaubert ist. Das hat natürlich seinen Preis, auch für den gewandteren Leser – dechiffrieren, durch unvertrautes Gelände stapfen, sich einen Weg durch komplizierte Satzlandschaften bahnen, durch überraschende Dunkelheit, unbekannte Flora und Fauna. Trotzdem sollte man mit Entdeckergeist und verbissener Neugier weitergehen, denn dann und wann taucht eine spektakuläre Aussicht, eine sonnendurchflutete Landschaft oder glitzerndes Meeresgetier auf.«

Diese Passage legt sich wie Schokolade aufs Gemüt. Eine rettende Hand, die mich aus verwirrenden Lesemomenten herauszieht. Und eine der vielen schönen Aussagen in dem wunderbar gestalteten Buch. Literatur ist nicht immer auf den ersten Blick durchschaubar, sie kann genauso stahlhart sein oder dem Gang durchs Labyrinth ähneln. Doch es lohnt sich, schwierige Pässe zu überwinden, durchzuatmen, um sich dann an der Schönheit einzelner Worte zu erfreuen. Wer dieses Gefühl empfinden will, dem empfehle ich dringend »Ada oder Das Verlangen«. Ein Klassiker, der einen in den Wahnsinn treibt und gleichfalls unglaublich betört wie ein farbenprächtiger Schmetterling. Aber auch dieses hier lädt dazu ein.

IMG_3753Flattern wir zu den Schmetterlingen zurück. Sie spielten in Nabokovs Leben eine große Rolle. Der Mann kletterte dafür auf hohe Berge, um sie zu fangen, rutschte sogar aus und fiel mehrere Meter tief. Woher die Begeisterung für den Fang rührte, offenbart uns die Erzählerin. Es sei die gefühlte Zeitlosigkeit bei der Jagd, die sein Herz mit Glück fülle. Mit seinen Worten klingt das so: »Das ist Ekstase, und hinter der Ekstase ist etwas anderes, schwer Erklärbares. Es ist wie ein kurzes Vakuum, in das alles strömt, was ich liebe. Ein Gefühl der Einheit mit Sonne und Stein.«

Für mich zeigt die Passion eine neue Seite des Schriftstellers, die ich erst durch das Buch erfahre, wie auch seinen Lebensweg von Russland über Deutschland bis hin nach Amerika und am Ende in die Schweiz. So auch die Frauen an seiner Seite. Véra sollte nicht nur seine Ehefrau werden, sondern genauso Partnerin an der Seite eines Schriftstellers, die ihn unterstütze. Aber dieses Buch ist keine klassische Biographie, es ist viel mehr ein Sammelsurium verschiedener Gattungen: Essays, eigene Interpretationen und Betrachtungen, geschmückt mit dem zarten Hauch fiktionaler Elemente. Und in alldem tanzt das Glück in vielfältiger Form. Vorrangig zu finden in den Nabokov’schen Wortbildern und Beschreibungen, die Lila Azam Zanganeh durch ihr Teleskop einfängt und mir staunend vor die Augen hält, als wären sie exotische Schmetterlingsarten. Diesen Zauber fängt das erzählende Ich überaus sinnlich ein. Und schöpft selbst daraus eine fantasievolle Kraft, wie ein inszeniertes Interview mit dem Autor.

Nicht immer fällt es mir leicht, den zahlreichen Rezeptionen zu folgen, aber die verführerisch charmante Feder wischt zart über meine kleinen Verwirrungen und lässt mich alsbald wieder staunen über das Wundermeer an Worten. So bin ich, die Liebhaberin schöner Sprache, bald darin gefangen wie ein Schmetterling im Netz. Und nehme den Duft des Glücks mit allen Sinnen auf.

»Der Zauberer Nabkov und das Glück« ist wahrlich ein kostbares Geschenk für alle Nabokov-Leser. Wir entdecken darin interessante Details, die die Autorin in Feinarbeit recherchiert hat und wundervoll wiedergibt. Sogar diejenigen, die noch keine »Lolita« oder »Ada« gelesen haben, werden eine immer größere Neugier nach den Werken spüren, wenn sie die einfühlsamen, fantastisch formulierten Sätze lesen. Sätze, die so nur die Liebe zu einem Autor formulieren kann.

Lila Azam Zanganeh: Der Zauberer Nabokov und das Glück. Aus dem Englischen von Susann Urban. Edition Büchergilde, 2015, 220 Seiten, 22,95 €.

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