Ein anziehendes Badezimmer
Schwarzes Loch als Metapher für das große schwarze Loch namens Großstadt
Hildi, aus deren Sicht das Buch geschrieben ist, hat nun so ein Schwarzes Loch von einem Onkel aus der Schweiz geerbt. Dieses ist eines von der größeren Sorte und übt eine starke Anziehungskraft aus. Es wird in ihrem Badezimmer installiert und vermeintlich isoliert. Ein paar kurze Instruktionen werden Hildi noch mitgegeben, in welchen Intervallen sie das Schwarze Loch zu kontrollieren hat und was sie alles beachten muss, damit das Schwarze Loch dort bleibt, wo es installiert wurde. Doch alle Vorsichtsmaßnahmen nützen nichts, denn schon in der ersten Nacht verschwinden ungewöhnlich viele Fahrräder in der Gegend. Ist das Schwarze Loch schuld daran? Oder als Hildi die erste Nacht in ihrer Wohnung verbringt, fühlt sie sich und ihr Inneres so auf links gedreht, dass sie sich nicht mehr in der Wohnung aufhalten will und Hilfe bei ihren Freunden Gregor und Bodo sucht.
Diese zwei, die mich entfernt an Jay&Silent Bob erinnerten, verarbeiten unterschiedlichste Dinge zu Medizin, Klamotten oder anderem Zeug, was sie dann auf dem Wochenmarkt verkaufen. Außerdem ist Bodo noch in einem Klub namens „Das Loch“ aktiv, wo er als eine Art Manager arbeitet und die Gigs plant, die dort stattfinden. Als Hildi mit dem in ihrem Badezimmer installierten Schwarzen Loch nicht mehr zurecht kommt (also nach der ersten Nacht), zieht sie zu Gregor und Bodo und bald entsteht daraus eine Art intime Beziehung zwischen Gregor und ihr, während Bodo schon dem nächsten großen Ding auf der Spur ist. Vor allem möchte er aus den Möglichkeiten, die das Schwarze Loch bietet, Profit schlagen, wie bei so vielen Gelegenheiten, wie zum Beispiel der Verarbeitung von Hagebutten zu einem Dämmstoff, was ebenfalls wie ein roter Faden durch das gesamte Buch immer mal wieder Thema ist.
Absurd lustiges Großstadttheater
Klingt das jetzt alles eine Spur zu verrückt? Es mag auf den ersten Blick so erscheinen, dass es alles ein wenig wirr und überdreht klingt. Im Grunde ist es aber genau das nicht, sondern der ganz normale urbane Wahnsinn, mit einer Portion magischem Realismus. Chrizzi Heinen versteht es, diesen Plot, den ich an dieser Stelle extrem abgekürzt habe, in einen Roman über drei Menschen und ihr Leben in der Großstadt Berlin zu gießen. Alle drei haben ihre ganz eigenen Sehnsüchte, Wünsche und auch Spleens, die sie in sich verkapselt mit sich herum tragen. Erst das Erbe, welches Hildi antritt, gibt allen den Schubs in die Richtung, diese Dinge ans Tageslicht zu lassen, sich von irgendwelchen Zwängen zu befreien und nach vorn zu schauen. Und doch werden dadurch Ereignisse losgetreten, die kaum mehr beherrschbar erscheinen. Das Schwarze Loch trägt dazu sein Übriges bei. Es wirkt wie ein Katalysator und Verstärker für all die Beweggründe, die Hildi, Gregor und Bodo antreiben. Und am Ende wirkt es sogar wie eine Art Götze, dem man ein „Opfer“ bringen muss, um es zu beruhigen. Denn dieses Schwarze Loch macht immer mehr auf sich aufmerksam bis hin zu einer kleinen Katastrophe, die fast die halbe Stadt betreffen.
Shortlist beim ersten Blogbuster
Das alles wird erfrischend und teilweise sogar heiter an die Lesenden herantgetragen. An einigen Stellen muss man sogar lachen ob der absurden Situationen, die sich da auf dem Papier ergeben. Ich hatte mit dem Buch jedenfalls meinen Spaß und kann es für die Lektüre weiter empfehlen. Es ist ein mehr als gelungenes Debüt und stand wohl auch völlig zurecht auf der Shortlist zum Blogbusterpreis. Vielen Dank an den Satyrverlag, dass ihr dem Manuskript eine Chance eingeräumt habt. Es wäre schade um diesen komischen, manchmal tragischen Stoff gewesen, wenn er wieder in der Schublade verschwunden wäre. Ich hoffe, dass wir von der Autorin in Zukunft noch mehr literarisches lesen werde.
Chizzi Heinen
Am schwarzen Loch
Satyr Verlag
18,90 Euro