Träume als reales Erlebnis

In einer Galaxis weit entfernt von unserer Erde

Sebastian Guhr hat, bevor er beim Blogbuster 2019 mit seinem Manuskript zu „Die langen Arme“ gewonnen hatte, ein Buch beim Luftschacht Verlag veröffentlicht, welches allein von seiner Beschreibung her richtig absurd und seltsam klingt. „Die Verbesserung unserer Träume“ spielt auf einem fremden Planeten, weit entfernt von unserer Erde zu einer nicht definierten Zeit, aber zumindest weit entfernt von unserer heutigen Zeit, denn es wird angedeutet, dass viele Generationen zwischen den ersten Siedlern und der aktuellen liegen. Ein ungewöhnlicher Roman, der wie eine Überraschungstüte über einen kommt und man selbst nach dem Lesen immer noch rätselt, um was es denn nun genau ging.

Träume, die Wirklichkeit werden

Eine Inhaltsangabe für dieses Buch zu schreiben fällt mehr als schwer, denn so richtig eindeutig greifbar war es selbst zum Ende hin nicht, um was es denn genau in diesem Buch geht. Ganz grob umrissen, beschreibt dieser Roman die Endzüge einer Gesellschaft, die seit vielen Generationen auf einem fremden Planeten ihr Überleben sichert. Dabei macht es der Planet den Menschen nicht leicht, denn die Lebensbedingungen sind nicht gerade ideal und es scheint auch, dass der Planet auf die Psyche der Menschen beziehungsweise deren Träume direkten Einfluss nimmt. Kontakt zur Erde besteht kaum, da dieser sehr umständlich erstellt werden muss, soviel wird am Rande erwähnt, und so wissen wir auch nicht, wie es unserem Heimatplaneten ergangen ist und es erscheint, dass die Siedler von Anfang an auf sich gestellt waren. So konnten sich Gesellschaftsformen und –normen entwickeln, die völlig anders sind zu dem, was wir kennen und wirken damit vollkommen fremd.

Science Fiction? Horror? Drama? Endzeitthriller?

Irgendwie steckt in diesem Buch alles von diesen Dingen drin. Das Drama dreht sich um einige wenige Menschen, die wir näher kennenlernen und über die wir auch näheres zu dem Planeten, der Siedlung und der Gesellschaftsform erfahren. Die Menschen selbst wirken seltsam entrückt und nicht greifbar, weshalb es schwer fällt, diese näher zu beschreiben und sie hier auch nicht näher vorgestellt werden. Es ist alles seltsam auf diesem weit von der Erde entfernten Planeten, insbesondere die Träume scheinen einen großen Einfluss auf die Psyche zu nehmen. Dann geht der Plot in einer Art Endzeitstimmung auf und die Menschen, die wir  bis zur Hälfte des Romans kennenlernen fliehen in eine Art Wüste. Dort entwickelt sich alles in die Richtung Science Fiction- Horror, der manchen Schauer erzeugen wird. Bilder von Wüstenplaneten und Schauerfiguren tauchen vor dem geistigen Auge auf, die, geprägt durch das Kino der 70er Jahre bis heute, direkt auf der Netzhaut präsent sind (Stichwort: Wüstenplanet, Interstellar, Alien, Star Wars etc.).
Das klingt sicher alles sehr verwirrend und das bleibt es auch. Sebastian Guhr hat mit „Die Verbesserung unserer Träume“ keinen einfachen Roman erschaffen. Er fordert einen die ganze Zeit heraus, sprachlich wie inhaltlich. Klare Kante sucht man hier vergebens. Das es aber nicht im Buchstabenchaos endet und das Buch entnervt in die Ecke gepfeffert wird, liegt vor allem an der großartigen Fabulierkunst des Autors. Er erschafft hier eine völlig neue Welt auf einem fremden Planeten und wir glauben ihm diese Situation sofort, auch wenn es schwer ist, in diese Welt hinein zu finden. Er beschreibt zwar das Handeln und die technischen Möglichkeiten sehr abstrakt, aber dafür wirkt die Umgebung, in der die Menschen ihr Dasein fristen, sehr plastisch und detailgetreu dargestellt. Dieser Sprache könnte man locker über das doppelte an Seitenzahlen genießen, was die Geschichte selber auch bräuchte, damit es klarer wirkt. Doch muss es das auch? Sind denn Bücher nicht auch dazu da, die Fantasie ein wenig anzuregen und sich nicht nur berieseln zu lassen und das alles bis ins kleinste erklärt werden muss? Aber ja, ruft man da und genau das macht dieses Buch ebenfalls aus. Vieles an Vorwissen, welches aus der Vergangenheit (also unserer aktuellen Gegenwart und nahen Zukunft) resultiert, wird nur angedeutet, alle Entwicklungen die hin zu dem Istzustand der beschriebenen Gesellschaft führten, sind verborgen und uns als Leser*in unbekannt. So muss man sich in diese Geschichte erst einmal hineintasten, um zu verstehen, was da vor sich geht. Ist man dann soweit, ist auch schon die Hälfte des Buches vorbei und die Geschichte entwickelt sich in den schon beschriebenen Horror-Science Fiction- Plot.

Ein schwieriges, ein fesselndes Buch

Sebastian Guhr hat mit „Die Verbesserung unserer Träume“ kein einfaches Buch erschaffen. Dieser Text erzeugt eine innere Unruhe mit der man erstmal umgehen muss. Der Autor versteht es dabei, seine Geschichte in Zaum zu halten und nicht ausufern zu lassen, was es etwas unverständlich wirken lässt, aber die eigene Fantasie anregt. Dadurch entstehen manchmal Leerstellen, die man mit eigenen Gedanken füllen muss. Und so tastet man sich nach und nach in diese Geschichte und wird aus dieser wieder verwirrt hinausgeworfen. Allerdings gelingt es diesem Text, weithin über die eigentliche Lesezeit hinaus über das Geschehen nachzudenken, dieses zu reflektieren. Insbesondere die Gesellschaftsform, die Sebastian Guhr sich für diesen Roman erdacht hat, lässt tiefere Gedankengänge zu. Inwieweit könnte sich eine Gesellschaft so entwickeln, wie in diesem Buch beschrieben? Ist es durch die äußeren Umstände geschehen oder wären Ansätze dieser Gesellschaftsform auch  ohne diese Randbedingungen möglich? So ist man zwar nach dem Zuklappen des Buches recht irritiert, denkt aber über das Gelesene doch länger nach, als man es sich nach Beenden des Buches hätte eingestehen wollen. Dadurch kann es als starkes Debüt angesehen werden, bei dem es gilt, ein wenig die Zähne zusammenzubeißen. Entlohnung erhalten alle, die durchhalten, indem sie starke Bilder bekommen, die an einschlägige Science- Fiction- Meisterwerke aus dem Kino erinnern.

Sebastian Guhr
Die Verbesserung unserer Träume

Luftschacht Verlag
196 Seiten
20 Euro

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