PEGIDA, Verbote, Charlie Hebdo: „Nimmst du das hin? Lässt dich das kalt?“

turtles issue 291Heft 29 von „Teenage Mutant Ninja Turtles“, Cover von Ross Campbell, mehr hier..

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In China kann man Schildkröten kaufen – als Schlüsselanhänger. Lebende Tiere, in Plastik eingeschweißt, ohne viel Bewegungsraum in bunt gefärbtem Wasser: Verhungern sie? Ersticken sie? Wer kauft sie – und wer schweißt sie ein? Gibt es eine Nachfrage, einen Markt? Tausende Abnehmer? Lebt dort ein einziger zynischer Händler, irgendwo? Oder eine ganze Industrie? Millionen Kunden? Und jetzt, wo ich das weiß: Weiß ich damit auch “etwas über China”? Oder nur über eine einzelne, traurige Randfigur?
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Um das zu wissen, müsste ich Links öffnen und Texte lesen. Nachfragen stellen, deutsche und englische Quellen vergleichen – am besten gleich: chinesische Freunde fragen.
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Denn fast jeder kennt die Fotos, sah kurz die Meldungen auf der GMX-Startseite oder im “Vermischtes”-Teil von Plattformen wie Focus oder Stern. Vielleicht auch im persönlichen Newsfeed auf Facebook: Ich bin recht sicher, dass gut ein Drittel meiner Freunde seit zwei, drei Jahren von diesen Schildkröten-Anhängern wissen – und immer weiter davon hören, immer wieder, nebenbei. Höre ich selbst “Schildkröte” oder “Schlüsselanhänger” mittlerweile, denke ich: “China”! Sagt jemand “Straßenhändler”, denke ich sofort an sterbende Tiere – und zynische Asiaten.
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Tiefer aber reicht mein Wissen nicht. Denn tiefer reicht mein Interesse nicht: Auch in einer Welt, in der Schildkröten laminiert werden, muss ich aufstehen, essen, mich über Wasser halten, schlafen. Tierrechte sind mir nicht wichtig genug, als dass mich solche Meldungen aus der Bahn stoßen würden. Ich halte das aus, mental. Ich sehe weder Handlungsbedarf – noch Handlungsmöglichkeit. Ich sehe mich nicht mal in der Pflicht, mich eigenständig und besser darüber zu informieren.
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Mein großes Glück: Ich bin nicht hilflos, unglücklich, frustriert darüber, dass ich gern handeln würde… aber keine Optionen finde: Mich lähmt das nicht. Mich schmerzt das kaum. Werden Fotos dieser Schildkröten durch meine Medienwelt gespült, dann sehe ich Schildkröten. Nicht: Belege meiner eigenen Hilfs-, Macht- und Wirkungslosigkeit.
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“Nimmst du das hin? Lässt dich das kalt?” fragen Medien und laden uns ein, immer wütender zu werden: über globale Ungerechtigkeiten – und über einzelne Sätze, Ansichten, Entscheidungen und Marotten einzelner Menschen. Über eine Frau (in China!), die junge Kätzchen tottrampelt in hochhackigen Schuhen. Über blöde Leute auf Twitter, bornierte Redner im TV, Nicht-Freunde mit anderen Meinungen in meiner Timeline, Unsympathen auf der Straße. So vieles sehe ich anders. So vieles gefällt mir nicht.
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Als Leser, Social-Media-Nutzer und Medienkonsument werden mir täglich Hunderte Schnipsel gezeigt, zu denen ich mich positionieren soll. Alles wird mir vorgelegt, oft mit der Einladung, zu kommentieren, abzustimmen, zu unterstützen oder mich zu empören. Ich soll eine Meinung entwickeln. Mehr noch: eine echte Haltung. Und dann die Konsequenzen ziehen aus dieser Haltung – als Leser, als Nachbar, als Fan, als Kommentator, als Konsument, als Wähler.
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15.000 Menschen gehen in Dresden auf die Straße, gegen die “Islamisierung des Abendlandes”. 12 Redakteurinnen und Redakteure der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo werden hingerichtet – wegen Karikaturen und Satire. In meiner Facebook-Timeline versuchen Freundinnen und Freunde seit Stunden semi-öffentlich, ihre Gedanken zu ordnen. Eine Haltung zu finden. Sich weiter zu informieren und Zeugnis abzulegen: “Nehme ich das hin? Lässt mich das kalt? Seht her: DAS macht es gerade mit meinem Kopf, meinem Herzen und meinen Haltungen. Und mit euch? Lasst uns reden!”
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Die Welt ist fairer, offener, humaner als vor 2000 Jahren. Vor 80 Jahren. Oder auch nur vor 20! Für viele von uns wuchsen die Möglichkeiten, sich auszudrücken, zu vernetzen, zu sprechen, sich zu informieren. Überall sind Widersprüche, Ungerechtigkeiten – Dinge, die mich wütend machen. Oder wütend machen sollten. Oder, wie die Schildkröten – verstören, weil ich nicht weiß, wie viel Wut angemessen ist, und was aus dieser Wut, Empörung, Überforderung, Hilflosigkeit erwachsen sollte.
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Obwohl Verbrechensraten fallen, setzen die meisten Zuschauer von Nachrichtenmagazinen Gewalttaten und Chaos als immer alltäglicher und erwartbarer voraus. Die Welt erscheint kaputter, haltloser, willkürlicher, unerträglicher – weil uns bei jedem Klick ein Dutzend neuer Belege dazu vor Augen stehen. Meine Wut- und Traurigkeits-Reserven kommen nicht mit bei all den Angeboten, die mir Journalismus, Aktivisten und Freunde zehnmal pro (Online-Lese-)Stunde machen. Trauer? Wut? Fassungslosigkeit? Überall spülen genug Dinge durch, die uns solche Gefühle abnötigen wollen. Und die unser Mitleid, unsere Empörung unbedingt “verdienen”.
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Vielleicht bin ich ganz gut im Ab- und Umschalten und Mich-aufs-Wesentliche-Konzentrieren. Vielleicht bin ich verroht, stumpf, egozentrisch. Vielleicht habe ich nur Glück: Wut liegt mir eher fern. Trotzdem verstehe ich PEGIDA-Demonstrant*innen, Kommentarschreiber*innen, “Wutbürger”, denen sich die Welt nicht mehr als Spektrum darstellt, als Raum und Ort für Stimmen und Kulturen und die verschiedensten Kontexte, Lebensentwürfe, Widersprüche. Sondern als Lawine und kreischiges Durcheinander aus Tabubrüchen, Willkür, Angst und Chaos. “Lässt Sie das kalt? Nehmen Sie das hin? Finden Sie das etwa richtig hier? Stimmen Sie jetzt ab!”
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“Du schreibst zu viel auf Facebook”, warnte mich Freundin S. vor Weihnachten: “Damit tust du dir keinen Gefallen!” – “Das sind oft tolle Gespräche Ich mag diese Debatten!” – “Du machst dich angreifbar, Stefan: Positionierst dich viel zu sehr. Du schaffst dir mindestens so viele Feinde damit wie neue Freunde.” Für jede Person, die irgendwo “gefällt mir” drückt, gibt es auch jemanden, der mit den Augen rollt und denkt: “DAS sehe ich ganz, ganz anders!”
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Mich begeistert, dass keine Schildkröte mehr irgendwo in China laminiert werden kann, ohne, dass Aktivisten oder Whistleblower, Politiker und engagierte Privatpersonen, Medien und besorgte Freunde helfen, diese Schildkröte sichtbar zu machen.
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Aber mich beklemmt, dass jeder Schritt, den jeder Mensch für sich nehmen darf (und wirklich: so viel Handlungsspielraum und Eigenwirksamkeit bleibt eh den wenigsten!) global als Einladung zu einer Pro-und-Kontra-“Debatte” verstanden wird: Nehme ich das hin? Finde ich das richtig? Verschleierte Frauen? Kurze Röcke? Dicke Kinder? Jagd auf Singvögel? Leihmutterschaft und Social Freezing? Nicken wir das ab? Winken wir das durch? Können wir ertragen, in einer Welt zu leben, in der Menschen andere Prioritäten setzen, andere Vorstellungen haben von Gerechtigkeit, Selbstverwirklichung, Freiheit und Glück? Wo wird es uns zu fremd? Zu bunt?
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Ich lese Artikel und private Reaktionen auf die Attentate in Paris, seit heute Mittag. Ich sehe Freunden zu, wie sie seit Wochen semi-öffentlich versuchen, eine Haltung zu PEGIDA zu finden: Entfreunden oder im Gespräch bleiben? Verlachen oder streiten? Zeichen setzen? Wie?
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Habe ich nur Glück? Dass tote Schildkröten mir keinen Schlaf rauben? Ich stelle mir Leserinnen und Leser vor, seit 10 und mehr Jahren online, die jeden Tag 20, 50 Dinge sehen, die sie verstören: Mormonen dürfen mehrere Frauen heiraten. Konzerne dürfen Kinder Schuhe, Kleidung, Fußbälle nähen lassen. Politiker akzeptieren Spenden aus der Industrie, Menschen ändern ihr Geschlecht und ihren Namen, Leute demonstrieren – gegen dich und deine Kultur und Journalisten, Satiriker, “Eliten” machen sich lustig über die Art, wie du dich kleidest, wohnst und sprichst. Was sich gehört, was gut und richtig ist, wer Erfolg hat, wer aufsteigt entscheiden andere.
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Du stehst im Aus. Deine Mails und Bankbewegungen werden überwacht. Das Job Center droht mit Sanktionen. Du darfst nur draußen rauchen. Leute lachen über deine Frisur, deine Kinder, deine Musik. Man trägt dir nach, dass du trinkst. Oder nicht trinkst. Dass du viel billiges Fleisch kaufst. Oder kein Schwein isst. Immer wieder werden Worte, Ausdrücke plötzlich verboten. Viele alte Witze sind tabu. Alle um dich herum berufen sich auf ihre Befindlichkeiten und Rechte, ihre “Geschichte” und “Kultur” – nur du sollst bitte schweigen, aussterben, verschwinden. Und vorher lebenslang auf Leute Rücksicht nehmen, die sich eh alles erlauben dürfen.
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Nie waren globale Ungerechtigkeiten sichtbarer.

Nie wurde ich eingeladen, mehr und schneller zu urteilen. Über alles.

Nie hatte jeder Einzelne mehr Möglichkeiten, sich auszudrücken.

Nie hatte jeder Einzelne mehr Pflichten, sich öffentlich zu positionieren.

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Und nie herrschte trotz dieser dauernden Positionierungs-Tänze und -Zwänge weniger Bewegungsraum: Wir werden pausenlos eingeladen, wütend zu werden. Über Dinge, die wir kaum verstehen und selten ändern können. Wir fühlen uns machtlos, überstimmt, abgehängt und furchtbar schlecht informiert. Leben in der Angst, dass jederzeit tausend furchtbare, willkürliche Dinge entschieden werden können. Gleichzeitig werden alle von allen kontrolliert. Beobachtet. Bewertet. Jeder steht unter sozialem Druck. Die falsche Meinung, Haltung kann entlarven, ausgrenzen, ruinieren.
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Ich habe noch keine “Haltung”, keine abschließende, kluge These zu PEGIDA und dem Anschlag auf Charlie Hebdo. Wütend bin ich heute Abend vor allem auf eine Medienlandschaft, die mich 20, 50 Mal pro Tag fragt: “Nimmst du das hin? Lässt dich das kalt? Bist du dafür oder dagegen?” und dabei nur Empörung, Wut aufpeitschen will. Ein Flüchtlingsheim – bei uns? Nebenan? Eine Zeitung – die meine Religion verspottet? Islamisten – die Europa bedrohen? Flüchtlinge – die an den Grenzen Europas sterben? Eine Frau – verschleiert? Eine Frau – zu dick? Eine Frau – mit 18 Kindern? Eine Schildkröte – in Plastik eingeschweißt? Ein Veggie-Day? Ein Rauchverbot?
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Und jetzt? Wie fühlst du dich? Soll das so sein? Soll das so bleiben? Stimm ab! Schimpfe los!

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Stefan Mesch, geboren 1983 bei Heidelberg, schreibt für ZEIT Online, Deutschlandradio Kultur, den Berliner Tagesspiegel und das Magazin Kulturaustausch. Er empfiehlt Bücher bei Büchergilde Gutenberg und monatlich im Blog, war Finalist des 20. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin und 2012 Preisträger des Dietrich-Oppenberg-Sonderpreis der Stiftung Lesen.

29 Kommentare

  1. Ein sehr schöner, sehr kluger Text. Ja, wir sehen heute so viele Gräuel und Ungerechtigkeiten, aber wir sehen sie heute auch mehr als früher, weil es die Möglichkeiten dazu gibt. Die Welt ist sehr viel kleiner, viel sichtbarer geworden. Aber es ist ein Trugschluss, zu glauben, dass wir sie, nur weil Dinge medial in unsere Reichweite rücken, sich auch von uns beeinflussen lassen. Wie die Schildkröten. Und natürlich, so widerwärtig das ist, gibt es auch den Aufschrei, dass es ja wohl wichtigeres geben muss auf der Welt, über das man sich empören sollte. Aber ist das so? Wer entscheidet, was wichtig ist und was nicht? Früher waren das zum Teil die journalistischen Medien, deren vertreter mit Weltgewandtheit und Klugheit Informationen bündelten und weitergaben. Natürlich sind dabei Dinge ungesagt geblieben und hinten runtergefallen. Aber weniger Information kann auch heißen, weniger Last mit der eigenen Positionierung zu haben.
    Und schon merke ich, wie auch ich in diesem Post darum ringe, eine Position zu finden. War die höhere Filtermacht der Miedien früher besser oder schlechter? Die Wahrheit ist: Ich weiß es nicht. Und ich kann es auch nicht angemessen beurteilen, denn mir fehlen die Daten. Ich könnte recherchieren. Aber ist diese kleine Positionierung diesen Aufwand wert?
    Die Wahrheit ist: ich weiß es nicht. Und es ist egal.

  2. Ich sehe die Informationen in den Medien eigentlich nicht als Zwang, mich zu positionieren, sondern in erster Linie als (ständig wachsendes, OK) Informationsangebot. Welches ich entweder annehmen oder aber auch ignorieren kann.

    So viel zu den Medien und dem reinen Angebot an Informationen. Nun zur Verarbeitung in der Gesellschaft, insbes. in den sogenannten Social Media:

    Dass einige meiner Online-Bekannten sich im permanenten Empörungszustand befinden und zum Teil auch massiven emotional-moralischen Druck auf ihr Umfeld ausüben, sich gefälligst mit zu empören, ist mir zwar auch schon aufgefallen. (Und ja, es nervt. Sehr.) Aber ich führe das nicht auf mangelnde Empathie meinerseits, sondern auf ihre eigene mangelnde Fähigkeit zur Abgrenzung zurück. Schaut man mal genauer hin, haben diese Extrem- bzw. Dauerempörer fast alle auch in anderen Bereichen ihres Lebens erhebliche Probleme mit Überforderung, sei es im Beruf, in der Partnerschaft oder sonstwo. Es mag sein, dass Dauerempörer auf den ersten Blick als die informierteren, besseren, moralischeren Menschen dastehen, aber für mich sind sie kein Maßstab, dem ich mich anzupassen hätte. Wenn mich einer verurteilt, weil mich ein Thema nicht in dem Maß tangiert, wie er das gerne von mir hätte, dann ist das sein Pech.

  3. Vielen Dank für diesen exzellenten Artikel! es spricht glaube ich sehr vielen Menschen aus der Seele!
    Es gibt meiner Ansicht nach nur eine einzige Lösung; Selbstbestimmung.
    Vieles muss man ausblenden, manches kann man einfach registrieren und gleich wieder vergessen.
    Wenn es aber um die Verteidigung von Werten geht, die die meisten Menschen auf diesem Planeten miteinander teilen, dann ist sogar jeder verpflichtet sich zu äußern und zu handeln. Jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten; ob mit Zeichenstiften oder Tastaturen, das spielt keine Rolle.
    Jeder, dem Freiheit wichtig ist muss sich mit seinen Mitteln äußern, damit die Welt sieht: wir sind da und wir sind viele!

  4. Diese „Positionierungszwänge“ beobachte ich auch. Es geht übrigens einher mit einem Konformitätsdruck. Der heutige Spiesser stellt keine „Rasen betreten verboten“-Schilder mehr auf, sondern scannt seine Freunde nach pro oder contra ab. Grauzonen unerwünscht. Eine Haltung zu einem Thema kann sich kaum noch entwickeln, es geht nur noch um „die“ Meinung – möglichst die richtige. Medien befeuern diese Spirale noch, berichten über Busunglücke in Bangladesh oder einen Brückeneinsturz in den Wüste Gobi. Die einzige Chance der Weltrettung: Petitionen unterschreiben, Bio-Eier kaufen, Jute statt Plastik (ach nein, das ist 80er). All dies vermittelt einem mindestens das Gefühl, etwas bewegen zu können. Das ist der süsse kern der Positionierung: Die frierenden Stacheltiere der Moderne rücken zusammen. Es ist nur verdammt anstrengend.

    Es gäbe ein einfaches Mittel dagegen: Den Tab löschen; die Steckdose ziehen. Ach nein, das geht ja auch nicht belehren einem die Missionare des Infotainments und haben zur Denunziation flugs den Begriff des (Neo-)Biedermeiers erfunden. Und so bleibt die Suggestion erhalten für das gesamte Wohl und Wehe der Welt verantwortlich zu sein.

  5. die schildkrötenfrage macht mich auch fertig und ich denk, so lange leute das kaufen, kann ich noch so sehr geschockt sein, ich werde es vermutlich gar nicht ändern können :/

  6. Vielen Dank Stefan für diesen durchdachten und sauber formulierten Gedankengang. Ich sortiere. ich überlege, Ich recherchiere. Ich lese. Ich höre zu. Ich hinterfrage. Auch mich. Und Schildkröten. Presse. Blogger. Pegida. Christen. Billigfleisch. Alles und jeden. Das aktuelle Wirrwarr in meinem Kopf habe ich bisher nicht so gut zum Ausdruck bringen können, wie du hier. (Auch wenn ich es versucht habe.) Das muss ich hinnehmen. Vorerst. Kalt lässt es mich nicht. Dass ich das überhaupt gefragt werde, macht mich allerdings nicht wütend. Ebenso wenig gebe ich mich dem Gedanken hin, dass meine Antwort auf diese Fragen die interessiert, die sie stellen. ich empfinde das eher als Gedankenanstüße. Aber eines kann ich aus Überzeugung sagen: Alleine dass ich lesen kann, wie beispielweisweise du oder andere darüber denken und dass wir uns darüber austauschen können, wenn wir es wollen, dafür nehme ich die 50- und mehrfache Frage pro Tag: „Nimmst du es hin? Lässt es dich kalt?“ gerne in Kauf. Herzliche Grüße, Heike

  7. Die wahre ökotherische Leere

    Eine Wertung (Wahl, Urteil, Entscheidung) ist ein emotionaler Vorgang, der den Menschen daran hindert, sein Mitgefühl zu entwickeln. Nur die emotionalisierten Leute sind manipulierbar, der einfühlsame Mensch ist es nicht. Der rationale homo oeconomicus ist eben nichts anderes als ein emotionalisierter Vollpfosten.

    Die Gleichsetzung von Emotion und Gefühl verhindert Diskussion und damit auch eine entwickelte Haltung. Der Gläubige wertet, denn er hat kein Wissen, er benötigt auch keines, er ist schliesslich bereits im Besitz der einzig wahren Wahrheit, die sich über die WERTUNG des GUTEN selbst ausdrückt.

  8. ..ein sehr anregender Artikel – sowohl über die eigene Haltung als auch über die gedankliche Offenheit im Allgemeinen.. Danke

  9. Reblogged this on Übermüdet and commented:
    Sehr schöner Text – nachher noch mal in Ruhe damit beschäftigen und evtl meinen Senf dazugeben

  10. – – – Edit, 8. Januar:

    Ralf Grünke, Stellvertretender Direktor Öffentlichkeitsarbeit Europa, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, merkt an:

    „Sie gestatten mir bitte einen inhaltlich eher nebensächlichen Hinweis: Seit 125 Jahren dürfen Mormonen nicht mehr mehrere Frauen heiraten. Einige amerikanische Polygamisten berufen sich auf die frühere mormonische Praxis, das macht sie jedoch noch lange nicht zu Mormonen.“

    nicht gewusst. danke für den Einwurf!

    mehr hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Polygamie_%28Mormonen%29

  11. Mir gefallen diese Schlüsselanhänger. Ich finde sie hübsch. Sehr sogar. Ich möchte glatt ein Dutzend davon bestellen. Für das kommende Familienfest als Mitbringsel. Darf ich aber nicht. Deswegen warte ich, bis es diese Anhänger mit naturgetreuen Nachbildungen, also Plastikschildkröten, gibt.

    Weniger gefällt mir, dass Sie eine Positionierung zu wichtigen Themen gleich als Zwang empfinden. Und noch weniger gefällt mir, dass einige Ihrer Mitmenschen auch so fühlen. Die Flut an Informationen und deren Auswertung ermüdet. Sich Äußern ist oft schwierig und sorgt für Reibung. Sie müssen schlafen, essen und „den Kopf über Wasser halten“.

    Das kann doch wohl nicht wahr sein! Dann schlafen Sie weniger! Essen Sie seltener. Sie alle! Arbeiten Sie dafür mehr und machen Sie sich die Mühe, noch mehr Texte über arme Schildkröten, Vorurteile in unserer Gesellschaft und Fatalisten zu verfassen. Noch mehr! Noch viel mehr! Ich will das alles lesen. Überall. Immer. In den Zeitungen. Auf Facebook. Im Radio will ich es hören. In den Nachrichten will ich alles sehen. Wer das alles als Nachteil sieht, vielleicht sogar Entschleunigung fordert, der hat nichts verstanden.

    Sie sollten niemals überfordert sein. Natürlich fragt man Sie. Sie sind Autor und Kritiker. Sie sind Journalist! Wenn Sie sich als kluger Kopf nicht zu allen Themen positionieren können, warum sollte es dann der Postbote tun? Oder der Malermeister? Warum überhaupt jemand?

    Markus S. Neumann

    PS: Das ist für die Mormonen aber wirklich ein großer Verlust, werter Herr Grünke.

  12. Legitimer Rundumschlag. Aber bei mir ist das alles ganz anders. Null Zwang, Null Überforderung, sondern eine Fülle an Optionen, die ich recht gut zu managen weiß. Auch wollen die Medien keine Empörung oder Wut bei mir aufpeitschen.

  13. In 100 Jahren sind wir alle mit allen unseren Problemen nicht mehr da.

    Den Gedanken denke ich manchmal, wenn es wieder besonders viel wird.

    Wir müssen aber versuchen hier und jetzt den Menschen in 100 Jahren eine halbwegs intakte Infrastruktur und entsprechendes Knowhow zurückzulassen.

    Aber auch das ist sekundär angesichts des Lebens hier und jetzt in dem ich mir Gedanken mache über den Spaß, den ich demnächst wieder haben möchte. Andere machen sich zur gleichen Zeit Gedanken darüber, wie sie das morgen überhaupt erleben können.

    Und jetzt geh ich mal wieder an meinen Arbeitsplatz, damit es mit meiner Rente in diesem fantastischen Land auch tatsächlich klappt, wenn nicht …… Aber das kann ich auch nicht wesentlich beeinflussen.

    Aber am Montag geh ich zur Demo gegen Pegida. Die erste Demo seit langem, an der ich teilnehme. Komm mit!

  14. Nö, seh‘ ich nicht so.
    Die Fülle an Information finde ich notwendig, Filtern und Bewertung ist natürlich anspruchsvoll bis anstrengend. Denken kann mit Anstrengung verbunden sein.

    Ich wünsche mir, dass es für mehr Menschen auch zu Reaktionen und Handlungen führt.
    Wo Hilfe fehlt, sollte geholfen werden (jeder wie ihm möglich), wo Unrecht ist, sollte für Recht gesorgt werden.
    Was soll daran falsch sein?

    Klar kann ich schlecht alle Probleme in China lösen… ist mir aber trotzdem lieber, einen Eindruck davon zu haben, was dort Alltag ist. Lieber so als Illusionen zu haben und blind durch die Welt zu gehen.

  15. Danke.

    Seit Tagen, ach Wochen denke ich darüber nach, was mich genau daran stört, dass jeder immer alles sagen darf. Es ist nicht das Dürfen, es ist das Müssen. Ja, du hast meine Gedanken etwas sortiert.

  16. Ein schöner Artikel, der meine wenigen wirren Gedanken ganz gut widerspiegelt. Aber ich finde den etwas unvollständig. Die Medienschelte kommt mir viel zu kurz.
    Den Medien – und damit meine ich die Redakteure, die unter welchen Bedingungen auch immer ein CMS befüllen müssen – springen nur noch von Schlagzeile zu Schlagzeile. Wäre heftig.co mit Tagesnachrichten aktiv – einige Portale könnten einpacken bei den „guten“ Schlagzeilen.
    Und so wird Pegida wie auch Charlie in 1, 2 oder maximal 3 Wochen verschwunden sein. Letzte Woche war nämlich das einzige Thema der bevorstehende Weltuntergang durch den kommenden Sturm am Wochenende. Gut, war kein Weltuntergang. War stürmisch, aber so richtig wollte das beschriebene Horrorszenario auch nicht aufkommen und hier bei mir hats halt 1,5 Tage stark gewindet, was das Fönwetter mit einer außerordentlichen Weitsicht aber auch wieder aufgewogen hat. Tja, dann kam Charlie, für die Medien im Sinne von Schlagzeilen -> Klicks -> Geld ein Geschenk. Und so wichtig es ist – so viel Anteilnahme erwartet wird – so unwichtig wird es demnächst sein. Da wird dann die nächste Sau durchs Dorf getrieben. Entweder windet es irgendwo oder in China ist tatsächlich auch mal ein Sack Mais umgefallen anstatt Reis – wenn das keine Meldung wert ist!!! Vielleicht schafft es Pegida auch länger in den Medien zu übeleben, vielleicht werden sie „endlich“ gewalttätig oder man sieht mal wieder mehrere Tausend Menschen den Hitlergruß zeigen in diesem Land.
    Was fehlt ist der Journalismus, der wichtig und unwichtig unterscheidet und der gut recherchierte Artikel so leicht verständlich wie möglich aufbereitet; gute Gründe liefert warum man die eine oder andere Meinung haben könnte. Die besten Artikel zu HoGeSa und Pegida und Wügida hab ich auf kleinen Blogs gelesen bzw. gesehen, die die Teilnehmer teils näher vorgestellt haben. Da sind dann altbekannte Größen wie SS Siggi unterwegs, Karl-Michael Merkle. Der erste gute Artikel stand im Spiegel jetzt – Beweise für die Verbindungen der Macher zu Motorradclubs und verfassungsfeindlichen Vereinen sowie eine Umgangssprache, die einfach nur richtig rechts ist! Dumm nur, dass der Spiegel zumindest Online dauerhaft keine englischen Quellen richtig übersetzen kann. Da werden nicht nur falsche Wörter benutzt sondern der komplette Sinn verdreht – nicht aus Böswilligkeit sondern wohl einfach unter dem Druck, schnell mal ne Schlagzeile -> Klicks -> Geld zu produzieren.
    Ausgenommen von allem ist die Kontext Wochenzeitung.

  17. M. E. ignorierst du einen nicht zu unterschätzenden Aspekt: Jegliche Information wird vom Gehirn bewertet und katalogisiert, ob du willst oder nicht. Da machste nix, gegen die Evolution hilft kein Intellekt. Wer also behauptet, er habe zu etwas keine Meinung, lügt schlichtweg. Wahr wäre lediglich die Aussage, man wolle sich aufgrund der womöglich einseitigen/unvollständigen Informationen noch nicht zum Sachverhalt äußern, weil die aktuelle Meinung nach weiterer Recherche womöglich eine andere wäre.
    Eben das macht aber diese Informationsschnipsel so gefährlich. Erscheint mir das Thema nicht wichtig genug, um tiefer zu recherchieren (weil es mich eben emotional nicht bewegt), dann bleibt der Schnipsel inklusiv meiner Meinung dazu irgendwo im Hinterkopf hängen. Fatale Folge: Diese Meinung wird sich auf weitere Informationen als zusätzlicher Filter auswirken. Der Mensch neigt bekanntlich zur Adhäsion, also werden zur eigenen Meinung passende neue Informationen als „wahr“ einsortiert, während widersprüchliche bestenfalls als zweifelhaft angesehen werden…

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