In der Literaturgeschichte und im Literaturbetrieb sind Pseudonyme keine Seltenheit. Tatsächlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich Autoren für eine Deckung entscheiden und Verlage Pseudonyme achtsam nutzen. Allerdings ist der Ruf, und zwar der von Autor und Verlag gleichermaßen, dann akut gefährdet, wenn es um ein zielgerichtetes Täuschungsmanöver geht.
Und genau darum scheint es sich beim vermeintlichen Schwedenkrimi „Der Sturm“ zu handeln, hinter dem nicht Per Johansson, sondern das Autoren-Duo Thomas Steinfeld und Martin Winkler steht. Und wofür sich der S. Fischer Verlag eben nicht nur ein Pseudonym und eine Mogelpackung, nämlich die Tarnung „Schwedenkrimi“, ausgedacht hat.
Dreist ist der Fall deshalb, weil der Verlag für Thomas Steinfeld, der amtierender Feuilleton-Chef der Süddeutschen Zeitung ist, einen aufwändig inszenierten Maskenball geplant hatte: Mit einer frei erfundenen Biografie zu Per Johansson, einer gefakten Übersetzerin aus dem Schwedischen und einem gefälschten Originaltitel griff man ebenso tief in die Trickkiste wie mit Testimonials von Hakan Nesser und Orhan Pamuk, die auf Buchcover und Buchrücken ebenfalls für die Narretei herhalten sollten. – Und vermutlich ist die Geschichte, dass ein Redakteur der WELT rein zufällig auf die gewitzte Idee gekommen sein soll, die Leiche zu sezieren, um schließlich Frank Schirrmacher mit viel Gedöns als Mordopfer zu identifizieren, auch nur Teil eines abgekarteten Spiels zwischen Autoren-Duo, Verlag und exklusiv ausgewählten Medien-Vertretern. Man kennt sich und ist sich gerne gefällig …
Ist die Affäre tatsächlich nur ein Sturm im Wasserglas, wie ich in meinem letzten Blogbeitrag noch einlenkend konstatierte? Oder verweist das Komplott nicht vielmehr auf haarsträubende Missstände in der Verlagsbranche, wo auf Teufel komm raus getrickst und gezinkt wird, um möglichst groß abzuzocken?
Tatsächlich wirft der Fall Steinfeld & Co auf den S. Fischer Verlag ein denkbar schlechtes Licht. So mancher, der das Spektakel verfolgt hat, dürfte sich inzwischen fragen: Wieso führt ein traditionsreicher Publikumsverlag mit guten Renommee Leser und Buchhändler gezielt hinters Licht? Welches Geschäftsmodell steckt hinter solchem Gebaren? Ist der Fall ein Unikat oder steht die Trickbetrügerei stellvertretend für eine gängige Praxis in der Branche? Und: Welche Achtung bringen Verlage Zielgruppen entgegen, die sie derartig verhohnepiepeln?
Da wurde in der vergangenen Woche viel Reputation verbrannt. Ein Imageverlust für den Verlag, womöglich die Branche insgesamt, könnte eine Folge aus diesem Sturm sein. Leser lassen sich nämlich nicht gerne zum Narren machen und Buchhändler nicht für gänzlich dumm verkaufen! Mit seiner Entscheidung, die falschen Angaben im Schwedenkrimi zu überkleben und mit einer zweiten, bereinigten Auflage an den Start zu gehen, dürfte der S. Fischer Verlag jedenfalls den Flurschaden nicht wettmachen können, den er gemeinsam mit sensationsgierigen Medien angerichtet hat.
Zu Teil 1 geht es hier: Ein Sturm im Wasserglas. Zum Sommertheater Steinfeld und Co