Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten (hier etwas mehr zum Vorhaben). – Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort standen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte.
Nach Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung, die die Gesprächsreihe vergangene Woche eröffnet hat, und Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt erfahren wir heute mehr über Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm, dem ich herzlich danke.
Eine Skizze vom Laden …
Eine kleine literarische Buchhandlung seit 1952 in Ulm, seit 1984 fast direkt hinter dem Münster. Das heißt zwar sehr zentral, bedeutet jedoch sehr versteckt.
Ich denke, dass wir uns als literarische Buchhandlung in Ulm bezeichnen können.
Warum bist du Buchhändler geworden?
Schulkinder fragen mich immer: Warum sind Sie Buchhändler geworden? Und ich antworte, weil ich meine beiden Traumberufe erlernt habe. Zuerst Grundschullehrer. Damals gab es aber zu wenig Stellen und wir hatten schon eine Tochter. Somit ein Neuanfang und eine Lehre in genau dieser Buchhandlung.
Würdest du dich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Schwere Frage. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden und wenn ich wieder 30 wäre, dann wohl ja. Ich wüsste ja dann auch gar nicht, WAS da auf mich zukäme!
Was hat sich in den vergangenen Jahren in deinem beruflichen Alltag verändert?
Einerseits mehr Arbeit (im Netz), anderseits Arbeit abgeben an wirklich junge Mitarbeiter, die unendlich Kraft für Vieles haben.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternimmst du in dieser Richtung?
Wir haben drei Blogs und eine Website. Begonnen hat es mit Jastram Kulturblog, mit täglichen Verlinkungen auf Facebook. Danach kam noch das Bilderblog der Jastramwelt dazu. Im Moment gibt es zu unserer Sommeraktion noch Jastrampixi.
O Mann, das muss reichen.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verortest du für deine Buchhandlung die größten Gefahren?
Vom Wegfall der Preisbindung mag ich gar nicht reden. Für uns kleine Buchhandlung bedeutet auch das Verschwinden von zwei, drei großen Kunden (Privatpersonen und Institutionen) ein sehr großer Einschnitt.
Wie hältst du es mit dem E-Book?
Ich habe welche da, ich berate auch intensiv, ich benutze seit Jahren eine Maschine.
Was das Finanzielle angeht, halte ich das alles für mehr als fragwürdig. Für mich stellte sich nur die Alternative: Mitmachen und zeigen, dass wir das auch haben/können, oder gleich die Kunden weiterschicken. Allerdings werden die Downloadwege an uns und vielen anderen Buchhandlungen vorbeiziehen, was ja schon der Fall ist. Schön daran: ich rate meinen Kunden dingend vom Kauf eines Kindles oder eines iPads ab, wenn sie nur lesen wollen.
Wäre das eine Option für dich, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Mir reichen schon die Bücher, die mir von den Verlagen angeboten werden.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Mit Herzblut. Alles, was wir selbst gelesen und alles, was uns gefallen hat, können wir wirklich gut verkaufen. Und seien es auch die kleinsten Verlage und unbekanntesten AutorInnen.
Wenn du drei Wünsche frei hättest, die dir Verlage erfüllen… Welche wären das?
– Lesungen sollten kostenlos sein / honorarfrei.
– Nicht so viele Bücher produzieren
– Weiterhin so viele freundliche VertreterInnen zu uns in den Laden schicken.
Die anderen 20 Wünsche lasse ich einfach mal weg…
Du hast hier ja auch nur drei frei. – Und was würdest du dir vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel wünschen?
Da ist mir vieles fremd. Ich denke, all diese Seilschaften und Kungeleien, die es bei solch großen Unternehmungen gibt, sind immer problematisch. Buchhändler sind ein schwieriges Völkchen, den Lehrern nicht unähnlich. Und die unter einen Hut zubekommen, ist doch sehr mühselig.
Was treibt dich in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Ich lese mit Interesse die Streitereien um den Suhrkamp Verlag. Die Folgen lassen mich allerdings kalt. Ich freue mich, dass es eine Gegenbewegung zum Massenartikel „Buch“ gibt und immer wieder schöne, feine, edle (die nicht teuer sein müssen) Titel auf den Markt kommen.
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Na, weil es viel lustiger ist.
Wo bleibt denn die „Erotik“ im Netz?
Wo halten denn die Kunden ihr Schwätzle?
Welche anderen Buchhandlungen empfiehlst du? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Ach, es gibt so viele schöne, interessante Buchhandlungen, aus denen ich mit neuen Ideen wieder herauskomme. Wir müssen nur die Augen aufhalten.
Ohne jedoch den großen Reisenden heraushängen zu wollen: Aus dem Ausland bringe ich immer ganz prima Ideen mit nachhause. Es ist schön so ganz andere Ideen auch bei uns zu verwirklichen. – Als Gesprächspartnerin empfehle die sehr engagierte Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Vaihingen, die immer wieder mit neuen Ideen aufwartet.
Die war doch schon an der Reihe…
Dann die Buchhandlung Lesen und Lesen lassen, ein kleiner, feiner Laden in Berlin/Friedrichshain. Wenn wir in Berlin sind, schauen wir da öfters mal rein und finden das sehr pfiffig.
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Die Kulturbuchhandlung Jastram findet Ihr hier im Netz:
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Mit meinem Versuch, das Augenmerk auf unabhängige Buchhandlungen zu lenken, stehe ich im Netz gottlob nicht alleine da. Und deshalb dürfen Hinweise auf mir bekannte Initiativen hier natürlich nicht fehlen:
Ende Mai 2013 rief Sophie auf ihrem Blog Literaturen die Aktion „Die Kleinsten werden die Größten sein“ ins Leben, Simone Finkenwirth listet auf ihrem Blog Klappentexterin seit längerem auserlesene Buchhandlungen und seit April 2013 stellen Autoren bei schmerzwach, dem Blog von Jannis Plastargias, ihre Lieblingsbuchhandlung vor. Frank Maria Reifenberg präsentiert auf schreibkraft_fmr verschiedentlich 4 Buchtipps von Buchhändler/innen für 4 Jungs; auch We read Indie – das brandneue Projekt von Ada Mitsou (Ada Mitsou liest….), Dorota Federer (Bibliophilin), Simone Finkenwirth (Klappentexterin), Svenja (Syn-ästhetisch), Mareike Fallwickl aka Bücherwurm Mariki (Bücherwurmloch), Caterina (SchöneSeiten) und Mara Giese (Buzzaldrins Bücher) – das sich Publikationen von unabhängigen Verlagen annimmt, stellt in loser Folge Buchhandlungen vor.
Ich freue mich auf die Gespräche bei SteglitzMind – und Eure Vorschläge, wer in der losen Interviewreihe mit Buchhändlerinnen und Buchhändlern ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr!
Am Mittwoch erfahren wir mehr über Margarete Haimberger von der Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg.