Sind Buchhändler tatsächlich die Verlierer der Digitalisierung? Wie gehen sie mit den Schreckensszenarien um? Wo sehen sie Risiken, wo Chancen und welche Weichen stellen sie, um zukunftsfähig zu bleiben? Wie halten sie es mit dem E-Book und wären Titel von Self Publishern für sie eine Option? Diese u.a. Aspekte will die Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” beleuchten, in der Interviewpartner in loser Folge standardisierte Fragen beantworten.
Welche Buchmenschen und Buchhandlungen wir zukünftig etwas näher kennenlernen, schlagen zum einen jene vor, die mir Rede und Antwort stehen. Darüber hinaus freue ich mich auf Empfehlungen von Euch, wer hier ebenfalls zu Wort kommen sollte. Und, bitte sehr, vermerkt Eure Vorschläge hier (nebst Link zur Buchhandlung); und nicht etwa auf diversen anderen Kanälen im Social Web. Danke sehr! Im Übrigen freue ich mich auch über Gastbeiträge: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen?
Trix Niederhauser habe ich gebeten, hier mit zu tun. Sie hatte sich verschiedentlich zum Beitrag von Edda Braun geäußert; unter anderem dahingehend: „Die Bezahlung mag einer Verkäuferin gleich kommen – aber es ist nach wie vor (für mich) ein absoluter Traumberuf, wenn man in einer kleinen Buchhandlung arbeiten kann, mit den meisten Kunden per Du ist, um Rat oder eine ehrliche Meinung gefragt wird und es wichtig ist, wenn man sich mit den Neuerscheinungen auseinandersetzt – eigentlich was man früher unter Buchhändlerin verstanden hat. Ich habe dieses Glück.“
Nun freue ich mich, dass wir heute mehr über eine Buchhändlerin aus der Schweiz und die Buchhandlung am Kronenplatz in Burgdorf/Emmental erfahren dürfen, und sage Trix herzlich danke.
Eine Skizze vom Laden…
Die Buchhandlung am Kronenplatz steht in Burgdorf (Emmental, Schweiz) und wurde 1831 gegründet, damals unter dem Namen Langlois. 2009 haben wir uns mit der ebenfalls ortsansässigen Buchhandlung Volare zusammen geschlossen und uns in Buchhandlung am Kronenplatz umbenannt. Allerdings wird nach wie vor von Langlois gesprochen, wenn jemand die Buchhandlung meint.
Wir führen alle Gebiete, sind etwas spezialisiert auf Krimis, da wir die Buchhandlung der Burgdorfer Krimitage, dem größten Krimifestival in der Schweiz sind.
Warum sind Sie Buchhändlerin geworden?
Aus Liebe zu den Büchern – ist wohl die Standartantwort, aber stimmt natürlich. Mit zehn Jahren war mir klar, dass es für mich nur einen Beruf gibt: Buchhändlerin. Zum Glück hat es geklappt und ich bin nach wie vor mit Leib und Seele dabei.
Würden Sie sich unter heutigen Bedingungen abermals für diesen Beruf entscheiden?
Ich arbeite hier unter den denkbar besten Voraussetzungen (ich bin Geschäftsführerin und habe völlig freie Hand), weiß aber auch, dass dies ein Privileg ist. Wenn ich mir den Buchhandel mit den Buchketten anschaue, würde ich es mir heute sicher gut überlegen, und mich vermutlich wieder für diesen Beruf entscheiden, in der Hoffnung, erneut eine Anstellung in einer kleinen, unabhängigen Buchhandlung zu finden (man ist in diesem Alter ja noch etwas naiv und denkt, dass man alles schaffen kann).
Was hat sich in den vergangenen Jahren in Ihrem beruflichen Alltag verändert?
Es sind vor allem die technischen Errungenschaften, wie der Buchkatalog auf CD-ROM, das Bestellwesen, Internet. Was neu dazu kommt: Da wir in der Schweiz keine Buchpreisbindung mehr haben, müssen wir für Firmen/ Schulen Offerten schreiben und gehen dadurch bis an den Rand der Möglichkeiten (die Marge wird bis zum Geht-nicht-mehr gedrückt), eine Entwicklung, die mir nicht gefällt.
Die Devise heißt ja: Buchhandel go online! Was unternehmen Sie in dieser Richtung?
Natürlich haben auch wir eine Homepage mit Buchkatalog, inkl. der Möglichkeit E-books herunterzuladen und wir sind auf Facebook vertreten, wobei die meisten Liker aus Deutschland sind und von daher als Kunden leider nicht in Frage kommen, trotzdem freue ich mich darüber.
Das Sterben der Buchläden ist allgegenwärtig. Wo verorten Sie für Ihre Buchhandlung die größten Gefahren?
Sicher sind Internetshops nicht zu unterschätzen, gerade weil wir keine Buchpreisbindung haben und es Anbieter gibt, die auf jeden Ladenpreis 20% geben, damit können wir schlichtweg nicht konkurrieren.
Wie halten Sie es mit dem E-Book?
Wir bieten in unserem Shop natürlich E-books an, haben diese auch etwas beworben, allerdings scheint sich unsere Kundschaft bisher fast nur für „richtige“ Bücher zu interessieren.
Mir ist viel mehr daran gelegen, die Kunden im Laden zu haben, an den E-books verdient man viel zu wenig (und mich braucht es dazu eigentlich gar nicht), ich betrachte sie als netten Zusatz.
Wäre das eine Option für Sie, auch Titel von Self Publishern anzubieten?
Es kommt immer wieder vor, dass uns Eigenproduktionen angeboten werden, in der Regel von Menschen aus unserem näheren Buchhandlungsumfeld, sprich regionale Geschichten. Da bin ich immer offen und nehme sie in Kommission. Allerdings verkaufen sich solche Werke meist schlecht. Oft ist die sprachliche Qualität leider nicht besonders gut. Ein Lektorat/ Korrektorat ist sehr wichtig, das fehlt in der Regel.
Wie verkauft man heutzutage Bücher?
Mit Persönlichkeit, Großzügigkeit und einem guten Service. Das heißt, ich lese so viel wie möglich, kaufe meiner Kundschaft entsprechend ein, was nach 20 Jahren am gleichen Ort machbar ist, versuche für jeden das richtige Buch zu finden, mit wenig Angaben einen Titel suchen (ich lasse nicht so schnell locker), bringe auch oft nach Ladenschluss ein Buch vorbei, öffne die Ladentür, auch wenn eigentlich noch nicht offen wäre. Mit dem größten Teil der Kundschaft bin ich per Du, das schafft eine sehr persönliche Atmosphäre, man nimmt am Leben seiner Kunden ein bisschen teil.
Alle paar Monate packe ich ein paar Kisten Bücher und fahre damit ins Seniorenheim, wo ich einen Nachmittag lang eine Buchhandlung führe und in der Regel schon freudig erwartet werde. Zudem machen wir hier den Vorverkauf für diverse Theater, wenn irgendwo ein Büchertisch gewünscht wird, fahre ich hin, auch wenn dies oft nicht lukrativ ist. Ich bin im Organisationskomitee der Burgdorfer Krimitage, organisiere da sämtliche Lesungen und führe abends nach Ladenschluss während dem 10-tägigen Festival eine kleine Krimibuchhandlung in der Krimikneipe und eile mit den Büchern von Veranstaltung zu Veranstaltung.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, die Ihnen Verlage erfüllen… Welche wären das?
Ich wäre schon zufrieden, wenn auf jedem Umschlag ein paar Angaben zum Inhalt stehen würden und keine geheimnisvollen Sätze aus dem Buch. Es mag originell sein, aber die Kunden legen so ein Buch meist zurück.
Wieder mehr Leseexemplare im Hinblick auf den Einkauf und natürlich den Verkauf. Was ich gelesen habe, kann ich in der Regel auch verkaufen.
Manchmal wäre weniger mehr. Die Bücherflut ist gewaltig und Perlen gehen manchmal unter.
Was treibt Sie in der literarischen Szene, dem Literaturbetrieb derzeit besonders um?
Am ehesten noch der Preiskampf, allerdings lasse ich mir deswegen keine grauen Haare wachsen und freue mich über die vielen interessanten Bücher, die Perlen, die immer wieder ausgegraben werden.
Warum sollten Kunden in eine Buchhandlung gehen?
Weil die Atmosphäre einfach schön ist, man über Bücher diskutieren und sie in die Hände nehmen kann, zudem erhält man gute Tipps fern der Bestsellerliste und auf die Person abgestimmt. Außerdem haben wir hier immer viel zu lachen und wir hören zu, auch wenn es nicht um Bücher geht.
Welche anderen Buchhandlungen empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
In der Schweiz wäre sicher Marianne Sax (Bücherladen Marianne Sax) eine interessante Buchhändlerin und in Deutschland gibt es Beate Laufer-Johannes von der Bücherinsel in Frauenaurach, die mit Leib und Seele unserem Beruf nachgeht.
Danke vielmals!
Die Schweizer Buchhandlung am Kronenplatz findet Ihr im Netz: Die Homepage, die Präsenz bei Facebook und das Krimifestival, das Lieblingsfestival der Buchhandlung.
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Zu Wort gekommen sind bislang:
Susanne Martin von der Schiller Buchhandlung in Stuttgart/Vaihingen
Edda Braun mit ihrer Buchhandlung am Turm in Ochsenfurt
Samy Wiltschek von der Kulturbuchhandlung Jastram in Ulm
Margarete Haimberger mit ihrer Schröersche Buchhandlung in Berlin/Schöneberg
Sonja Lehmann vom Bücherwurm Borken im Nordhessischen
Martina Bergmann mit der Buchhandlung Frau Bergmann in Borgholzhausen
Thomas Calliebe mit seiner Buchhandlung Calliebe in Groß-Gerau
Mila Becker mit Milas Buchladen in Voerde
Bin mal gespannt, ob darauf eine Antwort kommt. Aber unabhängig davon, finde ich es auch gut, dass Buchhandlungen aus der Schweiz und vielleicht auch noch anderen Ländern mit deutschsprachigem Sortiment vorgestellt werden.
[quote]wobei die meisten Liker aus Deutschland sind und von daher als Kunden leider nicht in Frage kommen[/quote]
Aus meinem persönlichen Kenntnisstand zu Zeiten der schweizer Buchpreisbindung kann ich das zumindest bezogen auf Bücher deutscher Verlage (sowie zumindest auch dem Diogenes Verlag dessen Verlagsprogramm auch in Deutschland erhältlich ist) verstehen. Denn zu der Zeit war es eigentlich immer so, dass Bücher in der Schweiz zumindest paar Cent oder Pfennig teurer waren.
Aus dem Grund lohnte sich ein Kauf nicht, wenn man dasselbe Druckwerk paar Kilometer weiter nördlich ebenfalls bekommen konnte. Allenfalls wenn man noch paar Franken und Rappen übrig hatte, die man nicht mehr umtauschen wollte, konnte sich eine grenznahe Buchhandlung freuen.
Aber bezogen auf Bücher oder eBooks schweizer Verlage, die in Deutschland nicht präsent sind, kann ich diese Äußerung nur teilweise verstehen.
Weil ein solches Buch in Deutschland sicher auch nicht günstiger zu bekommen ist, da erstens unsicher ist, ob es überhaupt erhältlich ist und wenn, was an Zollgebühren + Versandkosten + Recherchekosten noch auf den Kaufpreis drauf gerechnet wird.
Da ist eine schweizer Buchhandlung, die sich mit dem Verlagsprogramm schweizer Verlage auskennt klar im Vorteil. Mir ist da spontan nur der Diogenes Verlag bekannt, doch für diese Bücher brauche ich hier nur in eine Buchhandlung gehen und bekomme dort das gewünschte Buch gleich mit.
Aber es gibt bestimmt viele Verlage, die hier völlig unbekannt sind, da könnte sich also ein Kauf in der Schweiz lohnen.
[quote]und mich braucht es dazu eigentlich gar nicht[/quote]
Sehe ich persönlich als ein Irrtum. Das fiel mir wieder auf, als ich mir die Suchseite der Buchhandlung am Kronenplatz ansah. Da war ein Suchfeld, in das man Daten eingeben sollte.
So im Stil: „Was suchen sie?“
Da kam mir die Antwort in den Sinn: „Wenn ich wüsste was ich suche, würde ich nicht suchen sondern finden.“
Wäre ich das in einer schweizer Buchhandlung gefragt worden, hätte ich folgendes geantwortet: „Ein Buch eines schweizer Verlags, das ich nicht einfach in der nächstgelegenen Buchhandlung in Deutschland kaufen kann.“
Nur wie man das in die Suchmaske eingibt und dann auch noch was finden kann, ist mir noch unbekannt.
Insofern sehe ich die Beratung weiterhin als nützlich und brauchbar an, denn in einem direkten Gespräch kämen da bessere und schnellere sinnvolle Ergebnisse zustande, als wenn ich selbst einfach mal auf gut Glück losrecherchiere.
[quote]die auf jeden Ladenpreis 20% geben, damit können wir schlichtweg nicht konkurrieren[/quote]
Aus meiner deutschen Sicht ist das auch nicht notwendig, denn zumindest ich bin presigebundene Bücher gewöhnt und solange ich nicht merklich mehr für ein Buch zahlen muss als in Deutschland, haben schweizer Bücher bei mir durchaus eine Chance.
Vergünstigte Angebote kaufen lohnt sich selten, weil ich die in vielen Fällen irgendwann in Deutschland ebenfalls bekommen kann. Nur bei Werken die ich nicht kenne und die hier nicht angeboten werden, ist das nicht der Fall, doch das bekomme ich ja meistens gar nicht mit.
Mal ein Beispiel: Wenn ein Buch zum Ladenpreis 20 Franken kostet und mir das Wert ist, lohnt es sich für mich das zu kaufen. Ob es irgendwo anders für 16 Franken erhältlich ist, ist dann ziemlich egal, weil ich da dann wieder erstmal danach suchen müsste. Zudem ist dann auch nicht gesagt, ob ich das Buch bekomme, weil nicht alle Buchhandlungen nach Deutschland verkaufen.
Die Frage ist eben, was da noch an zusätzlichen Kosten dazu kommt.
Schöne Grüße
Digitalleser
Lieber Digitalleser
Da antworte ich doch gern. 🙂
Bei der Bemerkung, dass viele unsere Liker aus Deutschland kommen und von daher nicht als Kunden in Frage kommen, beziehe ich mich darauf, dass der Standort Emmental nicht besonders nahe an Deutschland ist und von daher niemand extra zu meiner Buchhandlung reist. Ab und zu gibt es Touristen, die uns besuchen, denen zeige ich gerne die regionalen Bücher.
Um ein ebook herunter zu laden, denn darauf hat sich dieser Satz bezogen, braucht es mich tatsächlich nicht (es sei denn, wenn etwas nicht klappt). Gerne berate ich die Kunden, sei es am Telefon, via Mail und am liebsten natürlich im Laden. Unser Online-Shop ist eine Standartvariante, da wir uns als kleines Geschäft keinen eigenen Shop leisten und betreuen können. Ich finde ihn auch nicht optimal, zur Zeit gibt es für uns aber leider keine bessere Lösung.
Die Kunden vor Ort machen in der Regel selten Preisvergleiche, da gebe ich Ihnen recht (ist aber natürlich auch schon vorgekommen). Allerdings ist der Online-Handel nicht zu unterschätzen, der zum Teil die Bücher 20% günstiger anbietet und bequem nach Hause liefert. Nicht umsonst hat das Buchhandelssterben in den letzten Jahren sehr zugenommen. Wir halten uns an die vorgegebenen Preise der Verlage und gehören damit zu den günstigeren Anbietern (oft werden noch ein paar Franken drauf geschlagen, das lassen wir vorerst).
Es war und ist immer ein Kampf, im Buchhandel bestehen zu können. Ich tue es seit vielen Jahren und werde es weiterhin mit viel Freude tun.
Herzliche Grüsse
Trix Niederhauser