SteglitzMind

„Für die Eitelkeit ist es geil, zu wissen, dass die Bücher mich überleben werden.“ – SteglitzMind stellt Vanessa Wieser vom Milena Verlag vor

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Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?

Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute stellt sich diesen Vanessa Wieser vom Milena Verlag in Wien. Vorgeschlagen hatten das Jasper Nicolaisen vom Verlag das Beben und Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag.

Seit wann existiert Ihr Verlag?

Vanessa Wieser © Milena Verlag

Unser Sitz ist in Wien, den Verlag gibt es seit 1980. Von 1980 bis 2007 war er ein reiner Autorinnenverlag , dann drohte die Insolvenz.

Machen Sie alles alleine?

Seit 2007 sind wir ein neues Team, das aus der neuen Verlegerin, Vanessa Wieser, und aus Evelyn Steinthaler für Presse und Metka Wakounig als Assistentin der Geschäftsführung besteht. Plus viele Außenposten wie für Grafik, Korrektorat, Buchhaltung etc.

Die Programmschwerpunkte?

Wir führen 8 Reihen, wobei Krimi und Sachbuch derzeit vernachlässigt werden, unsere Schwerpunkte sind Romane, Klassiker, Humor, (kluger) Horror und Zeitgeschichte. Die meisten Neuerscheinungen gibt es nach 3 Monaten auch als E-Book.

Ihre Highlights im Bücherjahr?

Highlights heuer: Andreas Latzko, Menschen im Krieg; Friedrich Torberg, Hier bin ich, mein Vater; Stefan Abermann, Schatzkästlein des reinlichen Hausfreundes; Wolfgang Pollanz & Wolfgang Kühnelt, Das letzte Lied. Songs zum Abschiednehmen.

Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?

Man wird vom Schicksal halt nicht gefragt, man greift zu, wenn sich eine Chance auf einen geilen Beruf bietet. Das war bei mir so. Ich hab’s mir zugetraut, den Verlag zu übernehmen, und es war auf jeden Fall leichter als eine Neugründung, weil die Grundpfeiler schon da waren.

Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?

Was Freude macht, ist nette Autorinnen und Autoren kennenzulernen (die Bösen werden ausgesiebt) und mit diesen zu arbeiten, auch die Programmgestaltung. Was mir außerdem mega Freude macht, ist, sich Gedanken über die Covergestaltung jedes einzelnen Buches zu machen und dann, trara, die Coverentwürfe von den Grafikern geschickt zu bekommen, das ist wie früher Weihnachten. Für die Eitelkeit ist es geil, zu wissen, dass die Bücher mich überleben werden. Und wunderbar ist es, wenn das Publikum uns sagt, dass wir ein super Programm haben! Man muss als Verlag an vielen Fronten kämpfen, wenn von ihnen positives Feedback kommt, dann ist das Erfolg, und Erfolg befriedigt.

Hätten Sie sich auch ohne die Innovationen infolge der Digitalisierung zugetraut, den Milena Verlag neu aufzustellen?

2007 habe ich das E-Book noch gar nicht wahrgenommen. Heute nehme ich es auch nicht über Gebühr wahr, aber anbieten tun wir es trotzdem, man will ja mit der Zeit gehen und jeder Verkauf ist wichtig.

Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?

Als „fresher“ Verlag positionieren wir uns über die Vielfalt unseres Programms. Diese ist selten bei einer Größenordnung wie unserer, also mit 3 Mitarbeitern und 12 Büchern im Jahr. Zeitgeschichte, Horror, Humor, „Der weiße Hai“, „Wenn das der Führer wüsste“, „How I Fucked Jamal“ – das alles unter einen Hut zu bringen, gibt’s nicht oft. Was mir auch sehr wichtig ist: dass die Cover auffallen. So es zum Inhalt passt. Unsere Cover erfahren starken Zuspruch, sie polarisieren auch sehr. Die einen lieben sie, die anderen schauen weg oder regen sich auf.

So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?

Eigentlich nichts. Außer dass es gescheiter gewesen wäre, statt der Comicreihe eine Kinderbuchreihe aus der Taufe zu heben.

Wie gewinnen Sie Autoren?

Bei Gewinnspielen! Kleiner Scherz. Entweder die Autoren kommen auf mich zu, oder ich auf die Autoren. Toll ist, dass wir in Mieze Medusa und Markus Köhle seit 2007 zwei Autoren aus der Poetry-Slam-Szene haben, von den beiden kamen schon wichtige Anregungen und Tipps bzgl. interessanten Neuzugänglern in der Literatur. Vielen Dank!

Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?

Unsere Auslieferungen übernehmen die ganze Logistik, anders geht es für keinen Verlag. Unsere Vertreterinnen bereisen die Buchhandlungen und wenn Bücher über unsere Homepage bestellt werden, dann machen wir ein liebevolles Packerl. Das sind die Eckpfeiler unseres Vertriebs. Immer wieder besuchen auch wir selbst Buchhandlungen, um unsere Gesichter zu zeigen und persönliche Bindungen aufzubauen.

Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?

Siehe Vertrieb. Mediale Präsenz über Rezensionen sind zentral, Besuche bei Buchhändlern sind oft super, manchmal aber auch sinnlos, weil sie manchmal gar keinen Bock auf uns haben. Jetzt nach acht Jahren als Verlegerin in Österreich kann ich nur sagen: dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben. Oft stellen sich Erfolgsschübe erst nach Jahren kontinuierlicher Arbeit und steten Bohrens ein. Nicht aufgeben, weitermachen.

Wie halten Sie es mit Amazon?

Die Gretchenfrage des Buchhandels. Ich denke, ich spreche für alle Verlage unserer Größenordnung, wenn ich sage: Amazon ist neben unserer Homepage die einzige bekannte Plattform, auf der man in allen unseren Bücher schnuppern kann und Bestellungen zeitgerecht bearbeitet und verschickt werden.

Dass die Leute heutzutage gerne über Internet bestellen, hängt hier in Wien mit dem Geschäftesterben zusammen. Außer auf einigen Einkaufsstraßen gibt es in Wien kaum mehr Geschäfte. Der Kleinhandel wird zu wenig unterstützt, die Mieten für Geschäftslokale sind wie alle Mieten hier phantastisch hoch und, und, und. Mit der Buchhandlungsdichte ist es ein bisserl besser, aber viele Leute gewöhnen sich immer mehr daran, ihre Waren bis zur Tür geliefert zu bekommen. Ich weiß nicht, wie lange es Amazon nun schon gibt, aber ich verstehe nicht, dass die Branchenhauptverbände deren gierigem Treiben so lange tatenlos zugeschaut haben (vielleicht habe ich deren Widerstand auch nicht mitgekriegt).

Dass Amazon von Verlagen frech hohe Prozente verlangt, ist eine Sauerei. Dass auf Amazon bei den Klassikern ein Sauhaufen gelistet ist, ist geschäftsschädigend. Uralte Bücher sind noch im Programm und verdrängen Neuerscheinungen. Dass man bei Ortung von Fehlern nirgendwo anrufen kann, regt mich jedes Mal so auf, dass ich fluchend durch den Verlag laufe. Eine Unart, dieses Konzerngebaren, für die Hersteller, von denen Amazon lebt und reich wird, keine Ansprechpartner zu installieren. Nordkorea, Grüß Gott.

Mein Vorschlag: Alle großen Verlage sollen bei Amazon aussteigen, dann blüht der stationäre Buchhandel wieder auf und wir Kleinen folgen dann. Denn die Neuerscheinungen der großen Verlage finde ich ohnehin in fast jeder Buchhandlung, die der kleinen Verlage … ja, das soll jeder selbst austesten und nach unseren Büchern fragen. Bitte, danke!

Was tun Sie für Ihr Marketing?

Alles, was uns möglich ist.

Wie halten Sie es mit dem Hauptverband des österreichischen Buchhandels?

Darüber möchte ich nichts sagen.

Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?

Für alle, denen sie gefallen. Ich überlege mir keine Zielgruppe, wer sie mag, der ist der Richtige. Man kann sich sein Publikum sowieso nicht aussuchen, ich habe da schon einige Überraschungen erlebt. Eine 82-Jährige kam mit Rollator zur Buchpräsentation von Dee Dee Ramones Roman „Chelsea Horror Hotel“. Wer hätte das vorher gedacht! Man lernt nie aus.

Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?

Darin, dass wir fleißig wie die Mäuschen jedes Jahr 12 gute bis sehr gute Bücher rausknallen, bis dann endlich fast jeder literaturaffine Mensch uns kennt. In der Kontinuität der Präsenz. Außerdem sind wir drei sehr liebreizend und sympathisch.

Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?

Independent sind ja alle, die zu keinem Konzern gehören. Also alle kenne ich natürlich nicht, da gibt es ja hunderte. Die, die ich kenne, wie Verbrecher, Voland & Quist, Orange Press, Mairisch, Ventil, Weidle, Luftschacht, Lilienfeld etwa, schätze ich, weil man mit ihnen offen reden kann und ohne PR-Geschwätz, Selbstüberschätzung und Angeberei auskommt. Weil man sich mit ihnen auf Augenhöhe austauschen kann und es keine Tabu-Themen gibt.

Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?

Ruft mich an 🙂

Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?

Luftschacht, Hablizel, Lilienfeld, AvivA, Weidle.

Herzlichen Dank für diesen Einblick!

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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier

Milena im Netz:

www.milena.verlag.at

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