Vom 20. – 24. April 2016 findet zum zweiten Mal der Zwickauer Literaturfrühling statt, zu dem sechzehn Verlage mit einem vielfältigen Programm beitragen. Ich werde dort die Autorin und Verlegerin Zoë Beck, den Buchhändler Klaus Kowalke und den Literaturkritiker Marc Reichwein treffen. Anlässlich des Welttages des Buches am 23 April wollen wir in einem gemeinsamen Gespräch die Risiken und Chancen der Buchbranche ausloten. „Alles gut, Buchbranche?“
Im Vorfeld des Literaturfrühlings in Zwickau stand mir freundlicherweise bereits Zoë Beck Rede und Antwort; nun Klaus Kowalke. Er betreibt in Chemnitz die Buchhandlung Lessing und Kompanie, eine der 108 Buchhandlungen, die für ihr Engagement im vergangenen Jahr mit dem „Deutschen Buchhandlungspreis“ ausgezeichnet wurden.
Allseits ist zu hören, dass der Buchhandel derzeit eine Renaissance erfährt. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Die Indiebookszene hat dem stationärem Sortiment imagemäßig sehr geholfen (oder war es umgekehrt?). Es gibt tatsächlich eine positive Grundstimmung in der Branche, die nehmen wir auch wahr. Es gibt eine Renaissance des schönen Buchs. Lesen ist cool. Die kleine (literarische) Buchhandlung ist cool.
Lange Zeit stand der Buchmarkt unter dem Verdikt, die Herausforderungen der Digitalisierung zu verschlafen. Inzwischen erweckt die Branche den Anschein, als sei alles im Lot …
Ich zitiere den Buchmarkt: „Im aktuellen BuchMarkt-Heft entzaubert Markus Klose ein paar digitale Mythen, die sich in den Köpfen mancher Digital Natives festgesetzt haben. Er belegt: „Die Buchbranche hat die Digitalisierung nicht verschlafen, sondern mit vorangetrieben.“ Diese Meinung teile ich. Im Lot? Ich weiß nicht, mich interessieren die technischen Fortschritte nicht. Die Auseinandersetzungen mit den Möglichkeiten der digitalen Zukunft des Buchmarkts müssen andere führen.
Wo verorten Sie derzeit die größten Risiken?
Nach wie vor im Onlinehandel, er betrifft alle Branchen. Die Umwälzungen die sich hier abzeichnen, lassen uns Abschied nehmen von belebten Innenstädten. Lassen uns aber auch Abschied nehmen von der Gewerbesteuerfinanzierung der Kommunen und Gemeinden. Ob Aktionen wie buy local hieran etwas ändern? Das ist eine globale Entwicklung, da bin ich skeptisch.
Was meinen Sie, wie wird sich der Buchmarkt in den kommenden Jahren entwickeln?
Die Branche wird schrumpfen. Vielleicht gesundschrumpfen. Das Buch wird es weiterhin geben. Grundsätzlich: positiv.
In unserem Gespräch im Juli 2013 haben Sie „Buch pur“ promotet. Damals waren weder das elektronische Buch, noch Publikationen von Self-Publishern eine Option für Ihre Buchhandlung „Lessing und Kompanie“. Halten Sie an dieser Linie fest?
Ja, unbedingt! Wir fahren sehr gut damit und bauen die Marken „Buch pur“ und „EinfachBuch“ weiter aus. Unsere Umsatzzuwächse resultieren hauptsächlich aus der intensiven Auseinandersetzung mit den Büchern der Schriftstellerinnen und Schriftsteller (und deren Verlagen).
Natürlich verkaufen wir 5-10 Ebooks im Jahr, wir haben auch 4-5 Titel von Selfpublishern im Programm. Es geht um Kundenwünsche bei den Ebooks und um die Relevanz bei den Selfpublishern. Aber das hinterlässt wirtschaftlich keine Fußspuren. Um nicht den Unmut der Selfpublisher heraufzubeschwören: Wir führen ein kleines hochliterarisches Sortiment in einem Wohngebiet ohne Laufkundschaft, d. h. unser Einkauf ist ohnehin geprägt von „zu viel“, was die Verlage anbieten (und wir auswählen müssen), und den Möglichkeiten, die unsere Stammkundschaft uns gibt bzw. erwartet und/oder wir ihr empfehlen können und wollen.
Der Aspekt der Filterfunktion Lektorat/Verlag darf nicht hoch genug eingeschätzt werden. Unsere Zeit ist begrenzt, wir müssen uns auf die Programmqualität der Verlage verlassen können. Und das Ganze muss sich unter wirtschaftlichen Bedingungen abspielen. Da spielt die Rolle der Bündelung der Auslieferungen eine Rolle, da spielen Bezugs- und Transportkosten eine Rolle, da spielen Vertretertermine eine Rolle. Gerade die nicht kleine Indiebookszene hat es geschafft, mit einigen Partnern einen professionellen Vertrieb aufzubauen, der es erlaubt wirtschaftlich einzukaufen. Mittlerweile kaufen wir für unser Sortimentsprogramm nur noch über Verlagsvertreter ein. Ein Sortimentsprogramm spiegelt genauso wie das Programm eines Verlages die Intention der Inhaber wider.
Was halten Sie von der Entwicklung, dass Verlage immer stärker auf den Direktverkauf setzen und die Leser fokussieren?
Wir beobachten das sehr genau. Falls Verlage als Partner für den Buchhandel wegfallen oder besser gesagt „wegfallen wollen“ so ergibt sich daraus nicht unmittelbar ein Problem: Es gibt eine Überproduktion im deutschsprachigen Buchmarkt, es ließen sich leicht andere Verlagspartner finden. Aber auf bestimmte Verlage möchten wir nur ungern verzichten. Also gibt es doch ein Dilemma.
Welche Themen brennen Ihnen auf den Nägeln? Und was würden Sie gerne in unserem Gespräch im Rahmen des Zwickauer Literaturfrühlings aufgreifen?
Danke sehr, Klaus Kowalke. Ich freue mich auf unser Wiedersehen in Zwickau.
Das Gespräch setzen wir am 23. April um 19.30 Uhr fort. Ort: KV Freunde Aktueller Kunst e.V. | Hölderlinstraße 4 | 08056 Zwickau