Baba Zula ist wohl die außergewöhnlichste Psychedelic Band Istanbuls. Levent Akman, Murat Ertel, Coşar Kamçi und der wunderbaren Melike Şahin ist es zu verdanken, dass der Oriental Dub weltweit den Weg in die Konzerthallen gefunden hat. Und spätestens nach Fatih Akins Dokumentarfilm „Crossing the bridge“ haben sie auch in Deutschland mehr Bekanntheit erlangt.
Wer Baba Zula aber verstehen will, muss definitiv einmal ihre Live-Show erlebt haben. Ich sage bewusst Show, weil ein Konzert von ihnen einer Mischung aus Freakshow und Verschmelzung mehrerer Kulturen gleicht: Ost, West, Nord, Süd; Orient und Okzident; Funk und Elektro, traditionelle Töne und moderne Beats verschmelzen ineinander. Baba Zula nimmt dich mit auf eine lange unvergessliche Reise! Du schließt die Augen und bist plötzlich im tiefsten Anatolien, dann reißt man dich heraus und du landest melodisch auf einer türkischen Hochzeit und tanzt Halay und zwischendrin hörst du immer wieder Reggae, Dub und Folk, während die schamanistischen Geister zur Sufi-Musik schwingen! Und während du dich automatisch zu diem unbeschreiblichen Rhythmus bewegst (mit oder ohne türkischem background), begeistert dich das ganze interaktive Bühnenbild! Die Vereinigung der Symbole auf allen sinnlichen Ebenen! Gesang, Poesie, Tanz und die hohe Symbolkraft der Kleidung!
Man versteht sehr schnell warum sich die Baba Zula Crew nicht als Musiker, sondern als Künstler verstehen. Wir durften sie kürzlich im Club Ehrenfeld in Köln erleben und haben im Anschluss ein Interview mit ihnen geführt.
Wer oder was steckt hinter Baba Zula?
Baba Zula ist eine neue Wortkombination und bedeutet so viel wie „das große Geheimnis“. Das ist auch die Philosophie und Inspirationsquelle der Band: Das Leben als das größte Geheimnis und die größte Gabe zugleich. Die Kraft ihrer kulturellen Wurzeln, die vom Türkischen, zum Osmanischen bis hin zur vorislamischen Zeit der Schamanen reicht, lassen sie in ihre Musik einfließen und nutzen so ihre Kunst als Sprachrohr für Freiheit und Wertschätzung des Lebens! Sie lassen sich durch die Musik von nationalen als auch internationalen Künstlern wie Barış Manço und Erkin Koray oder Jimi Hendrix und James Brown inspirieren. Die 1996 gegründete Band bricht dabei selbst bei ihren Musikstücken jegliche Normen. Es gibt Tracks, die dauern 15 Sekunden aber auch Tracks, die 15 Minuten dauern. Genauso eigen sind sie bei ihren Bünenkostümen: 80er Jahre Glitzerblusen, alevitische Frauenröcke, der anatolische Hirtenmantel oder das kitschige Bling-Bling-Dancing-Queen-Kleid. „Empathie bilden. Das, was einem nicht gehört zu eigen machen, und den eigentlichen Träger verstehen“, ist ihre Antwort. Sie wollen gar nicht normal sein, aber nicht weil sie provozieren wollen, sondern alle kulturellen, religiösen und ethnischen Ressentiments und Vorurteile überwinden möchten. Um diese Brücke zu bauen, benutzen sie ihre Kunst und ihre Musik. So können sie Menschen zusammenbringen.
„Mit unserer Musik wollen wir Stereotype und Vorurteile brechen. Das ist unsere Mission! Wir sind alle Menschen! People are people!“
Das haben wir auf dem Konzert auch gespürt: Es waren deutsche, türkische, deutsch-türkische, anders-ethnische, gesunde, behinderte, junge und alte Frauen und Männer dabei, die die Baba Zula Lebensphilosophie gefühlt und getanzt haben. Nach dem Interview haben wir uns mit dem Gewissen verabschiedet, eine außergewöhnliche Band getroffen zu haben, die ihre Einstellung tatsächlich in allen Zügen auslebt. Baba Zula sind nämlich rebellierende Weltverbesserer, die der Konformität des Alltags den Kampf angesagt haben, Stereotype brechen und mehr Individualität fordern!
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TEXT / INTERVIEW: Saliha Kubilay
VIDEO: Ömer Mutlu
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