Queere Literatur, 2016: Katy Derbyshire

Katy Derbyshire - Übersetzerin, Bloggerin und, beim Festival "Empfindlichkeiten", deutsche Vorlesestimme der internationalen Gäste

Katy Derbyshire – Übersetzerin, Bloggerin und, beim Festival „Empfindlichkeiten“, englische Vorlesestimme der internationalen Gäste

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Queere Literatur – aus Europa und der Welt: Vom 14. bis 16. Juli 2016 veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin (LCB, am Wannsee) ein Festival zu Homosexualitäten – „Empfindlichkeiten“ (mehr Infos in der Spex und auf der LCB-Website).

Ich werde das Festival als Liveblogger begleiten… und stelle bis Sonntag mehreren Künstler*innen, Autor*innen und interessierten Besuchern kurze Fragen über Queerness, Widerstand und das Potenzial homosexueller Literatur.

Die ersten Antworten…

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…von Katy Derbyshire – Übersetzerin, Bloggerin und, beim Festival „Empfindlichkeiten“, die englischeVorlesestimme der internationalen Gäste.

Katy Derbyshire wurde 1973 in London geboren. Nach dem Studium der Germanistik an der Universität in Birmingham setzte sie ihre Ausbildung an der Universität in London fort und schloss dort 2001 als Diplom-Übersetzerin ab. 1996 zog sie nach Berlin, wo sie bis zu ihrem Mutterschutz 2001 u. a. als Englischlehrerin für Kinder arbeitete. Seit 2002 ist sie als freiberufliche Übersetzerin vom Deutschen ins Englische tätig. 

Katys Blog  |  Katy auf Twitter  |  Katys Portrait-Reihe im Tagesspiegel: „Going Dutch with German Writers“

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01_Eine eigene Arbeit, ein Text, Link oder Bild, der/das mich vorstellt und/oder der/das einen Blick wert ist:

http://lithub.com/berlin-its-not-all-sex-all-the-time/

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02_Ein queeres Buch, das mich beeinflusst hat (und wie?)…

Ich habe viel zu jung Last Exit to Brooklyn bei meiner Mutter entdeckt und heimlich gelesen. Gilt das als queeres Buch? Ich glaube, ich war etwa 14 und ich weiß noch, dass ich das Buch beängstigend fand. Hätte sie besser verstecken sollen. Später gab mir meine Mutter die süßen, harmlosen San Francisco-Romane von Armistead Maupin (einmal mit Autogramm sogar), die ich auch nicht so recht verstanden habe – was zur Hölle sind Quaaludes? – aber ehrlich gesagt ist viel mehr von Hubert Selby Jr. bei mir hängengeblieben und ich mag immer noch eher schonungslose Literatur als seichte.

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03_Das Queerste, das ich in meiner Kindheit sah oder kannte, war…

Unsere Untermieterin, die dann recht unvermittelt mit einer Frau zusammengezogen ist. Nach dem Umzug sagte mir meine Mutter: Du weißt, dass Jo und Sarah ein Paar sind, oder…? Und dann sagte sie sinngemäß: Es wäre völlig OK, wenn du auch Lesbe werden solltest, nur hättest du es schwerer im Leben.

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04_Wenn mich jemand „homosexuelle(r) Autor*in“ nennt…

Macht keineR – ich bin Übersetzerin und identifiziere nicht als queer. Wobei das bei Übersetzer*innen sowieso selten Thema ist – wir müssen uns in alle Figuren und Erzählende hineinversetzen können: alt, jung, klug, doof, Männer, Frauen, sprechende Hunde…

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05_Ein heterosexueller Ally/Verbündeter, dem ich dankbar bin und/oder den ich schätze:

Ich antworte hier vielleicht umgekehrt. Ich fühle mich als heterosexuelle Verbündete von Florian Duijsens, meinem Mit-Gastgeber bei der Dead Ladies Show. Florian gibt die Berliner Literaturzeitschrift SAND mit heraus und arbeitete lange für die Onlinezeitschrift Asymptote. Wir legen manchmal zusammen auf und genießen zusammen das Leben und er gibt gute Ratschläge und tauscht Filmtipps mit meiner Tochter aus.

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06_Ein Gast beim „Empfindlichkeiten“-Festival, auf den ich mich besonders freue: … (und: warum?)

Antje Rávic Strubel, weil sie einige der besten Bücher in Deutschland geschrieben hat. Hauptsächlich deswegen. Und weil sie in ihrem neuen Roman irre gut und flüssig über flüssige Leben, Sexualitäten, Gender schreibt, oft am Wasser, mit super Sexszenen. Ich glaube, sie hat das Gefühl, wenig Vorbilder in der Belletristik zu haben und ich wünsche ihr (und mir), dass das Festival eine Gelegenheit zum Austausch anbietet.

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07_Eine queere Figur, ein queerer Star oder eine queere Geschichte aus dem Mainstream, über deren Popularität/Strahlkraft ich mich freue:

Vielleicht die Köch*in und Aktivist*in Jack Monroe. Sie (ich schreibe jetzt “sie”, weil Monroe als nicht-binär identifiziert und ich kein besseres Pronomen in deutsch finde, auf die Schnelle. Frag mich aber bei Gelegenheit nach dem noch nicht patentierten nicht-binären Pronomen, das ich halb erfunden habe…) – jedenfalls Jack Monroe ist für ihre bezahlbaren Rezepte berühmt geworden und hat ihren Ruhm dann für ihren Aktivismus gegen Armut und Austerity Politics genutzt. Monroe ist aus der Labour-Partei ausgetreten, nachdem sie Kaffeetassen mit anti-Immigrations-Parolen verteilt haben. Diese Arschgeigen. Und jetzt hilft sie mir und anderen, ihr Verständnis von Transgender nachzuvollziehen.

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08_Ich wünschte, folgendes reaktionäre Vorurteil/Denkfigur würde endlich verschwinden/nicht immer wieder neu diskutiert werden:

Frauen sollen warten, bis Männer sich für sie interessieren und bloß nicht einen Mann fragen, ob er was unternehmen möchte. Hatte ich heute erst wieder. Erstaunlich, wie zugeknöpft sie dann werden.

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09_Am Literarischen Colloquium Berlin…

…fühle ich mich seit Jahren als Übersetzerin wohl. Es freut mich, dass das Haus sich immer mehr öffnet und sich wandelt – weg vom Biederen, weg vom Blick zurück in seine doch sehr männlich dominierte Geschichte – lange hing ein großes Foto der Gruppe 47 an prominenter Stelle – und hin zum jetzigen Leben in Berlin und der Welt. Das Festival ist ein Teil davon, aber auch das Fest der kleinen Verlage, Aufmerksamkeit für Graphic Novelists, Ausstellungen… es müsste nur noch eine Frau in einer Führungsposition eingestellt werden, dann wäre ich zufrieden.

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10_Der Mainstream räumt Queerness oft mittlerweile etwas mehr Platz ein. Räumt Queerness auch dem Mainstream mehr (zu viel?) Platz ein – in Fragen wie Familien- und Rollenbildern, Selbstdarstellung, Konsum und Politik? Wo reiben sich Queerness und „Normalität“? Reiben sie sich genug?

Das ist hier vielleicht nicht angebracht aber ich sage es trotzdem: bei der Konzentration auf die “Homoehe” fühle ich mich manchmal unwohl. Ich freue mich, dass queere Menschen auch andere Beziehungsmodelle vorleben, sie können eine Art Verbündete gegen den Pärchenterror sein. Wenn es aber von queeren Menschen auch noch erwartet wird, sich zu ehelichen, wo stehe ich – als Alleinerziehende in der vierten Generation? Be careful what you wish for, denke ich manchmal.

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11_Ein Mensch (oder, abstrakter: eine Eigenschaft/ein Wesenszug), den ich sehr sexy finde:

Kahlköpfige Männer im Allgemeinen – was in meinem Alter günstig ist. Hutträger. Selbstbewusstsein. Gesunde Selbstzweifel.

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all my 2016 interviews on Queer Literature:

…and, in German:

Kuratoren & Experten am Literarischen Colloquium Berlin: 

Queer Literature: “Empfindlichkeiten” Festival 2016:

5 Kommentare

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