Kathrin Passig: 70 Fragen

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2013 wurde ich eingeladen, einen Text über meinen ehemaligen Professor zu schreiben. Weil ich Listen liebe und Fragebögen/Interviews, und, weil ich beim Schreiben merkte, wie viel ich nicht weiß, und sehr gern wissen würde…

…wurde aus dem Text ein Fragebogen: 100 Fragen an Stephan Porombka (Link)

2016, zum 60. Geburtstag meines Vaters, sammelte ich persönlichere Fragen – gleich 200. Auch hier ging es um eine Balance/Annäherung: Vieles weiß ich, ungefähr. Aber noch viel mehr weiß ich nicht. Ich glaube, die fertige Liste verrät viel über unser Verhältnis.

…September 2016: 200 Fragen an meinen Vater (Link)

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Der heutige Text gehört *nicht* in diese Reihe:

Kathrin Passig – Autorin, Journalistin, Technik-Expertin, Essayistin und Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2006 – wird mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay ausgezeichnet. Heute, am Vortag der Preisverleihung, spreche ich mit ihr im Staatstheater Darmstadt über kurze Texte, Schreiben im Netz, Misch- und Zwischenformen:

»WAS RICHTIGES / NICHTS RICHTIGES«

Die Autorin und Internet-Expertin Kathrin Passig schreibt Texte, die sich virtuos zwischen Blog, Buch und Essay bewegen. Passig mit dem Autor, Kritiker und Blogger Stefan Mesch über die Bedingungen des Schreibens in alten und neuen Medien oder, wie sie selbst sagt: „über zweifelhafte Formen des Lesens, des Schreibens und der Literaturkritik“. 

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70 erste Fragen und Ideen, für unser Gespräch.

Eine lose Sammlung.

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Auf wie vielen Büchern steht dein Name?

In wie vielen Büchern wird dir gedankt?

Wer dankt, und wofür?

Wie viele Bücher hast du übersetzt? Welches ist das beste?

Nenn mir ein paar analoge Dinge/Aktivitäten, die dir viel Freude machen: Zeug, das nichts mit Technik oder Innovationen zu tun hat.

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Du schreibst, programmierst, hältst Vorträge. Wie wählst du aus: nach Lust, Lebensqualität… oder ist es weiterhin vor allem eine Geldfrage?

Umgekehrt gibt es viele Jobs und Tätigkeiten, die man dir oft zurechnet – von denen ich aber nicht weiß, wie oft du sie machst: Rezensierst du Bücher? Schreibst du literarisch? Arbeitest du an Reportagen?

Als Verlegerin/Herausgeberin des (grandiosen) „Techniktagebuchs“: Würdest du gern mehr verlegen?

Was dachtest du als Kind, was aus dir wird?

Und später, als (Germanistik-)Studentin?

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Würde dein 15jähriges Ich verstehen, was du tust? Oder würde es sagen: „Sie macht ja gar nichts Richtiges?“

Ich sage oft: „Das ist die interessanteste und mir wichtigste Technikjournalistin.“ Du sagst am liebsten: „Ich bin Sachbuchautorin“ – oder?

Du wirst morgen für deine Essays ausgezeichnet. Wessen Essays liebst du?

Warum und für wen hast du deine ersten Essays geschrieben?

Über welche Themen streitest du dich?

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Was war dir früher wichtig, und ist dir heute ganz egal?

Was war deine beste Entscheidung?

Vor dem Internet wurden Menschen oft dafür bewundert, dass sie viel Wissen behalten und aufsagen konnten. Wofür bewunderst du Menschen?

Wie hat dich das Internet verändert?

Wie hat es dir geschadet?

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Warst du schon in dem Alter, das am besten zu dir passt – oder denkst du, es kommt noch?

Lebst du in einer fundamental anderen Zukunft, als du als Jugendliche dachtest/hofftest?

Du bist 1970 in Deggendorf geboren. Du sprichst oft darüber, was dich von den Menschen dort unterscheidet. Aber: Was hast du mit ihnen gemeinsam?

Wenn du eine Sache an den Lehrplänen deiner Schulzeit hättest ändern können, auch rückblickend, mit dem Wissen von heute: Was?

Viele Netz-Experten und freie Technik-Journalisten betonen immer wieder ihren Vordenker-Status. Du schreibst sehr offen über deine Zweifel oder Fehlschlüsse. Sagst deutlicher, was du (und: wir alle) nicht weißt/wissen können.

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Du sprichst oft über Denkfehler, Trugschlüsse/Vorurteile, Fallacies, cognitive biases: Welche hast du selbst besonders? Gegen welche arbeitest du an?

Welche hast du weniger als die meisten anderen Menschen?

Und welche haben wir eigentlich alle – und sollten sie uns viel bewusster machen, beim Schreiben, Sprechen, Argumentieren?

Du hast mal gesagt, deine Tweets enthalten kaum Rechtschreibfehler, weil du 20 Minuten pro Tweet brauchst. Warum so langsam?

Was findest du aufregender als andere Menschen? Was findest du langweiliger? (Themen? Innovationen? Aktivitäten?)

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Gibt es Texte oder Aussagen, die du zurücknehmen willst? Eher gewisse Urteile? Oder eher Prognosen?

Was wird schlechter? Was geht den Bach runter? Wovor hast du Angst?

Gibt es Dinge, deren Sterben / Verfall dir grade das Herz bricht?

Siehst du irgendwelche großen Disruptions kommen: technisch-gesellschaftliche Umwälzungen, die alles auf den Kopf stellen könnten?

Was unterscheidet dich von deinem Kollaborator/Kollegen/Freund Sascha Lobo?

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In was für Abhängigkeitsverhältnissen stehst du? Wer bezahlt dich? Bestimmen vor allem diese Auftraggeber deine Themen und Arbeit?
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Wenn du deine Texte, Essays, Kolumnen nicht schreibst, schreibt sie niemand: Ich finde dich unersetzlich. Deine Perspektive ist oft sehr eigen. Trotzdem wirkst du bescheiden: Leistest du wichtige Arbeit? Oder denkst du „Luxus. Eigentlich habe ich alle Freiheiten. Schön, dass ich damit durchkomme“…?
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Warum schläft/ruht dein Gemeinschafts-Nerd-und-Technikblog „Riesenmaschine“?

Hast du seit 2006, nachdem du mit deiner ersten Erzählung den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen hast, noch einmal Prosa geschrieben?

Schreibst du private Texte, die niemand liest? Nur für dich?

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Mit welcher Aussage hast du dir bisher den größten Ärger gemacht?

Hast du Feinde? Bist du jemandem ein Dorn im Auge?

Würdest du auf Demonstrationen gehen? Skandieren?

Ich finde dich recht empathisch und… weitherzig: Was tust du, um die Welt besser zu machen? Bist du in Vereinen oder Initiativen aktiv?

Du hast über 30.000 Follower auf Twitter: Warum nutzt du deinen Twitter-Fame selten, um Debatten anzust0ßen, politisch zu tweeten, Hilfsgesuche zu teilen o.ä.?

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Liest du klassische Rezensionen im Feuilleton? Geben sie dir etwas? Oder „glaubst“ du nicht daran – als Gründerin der „automatischen Literaturkritik“?

Legst du Archive an? Sammelst du etwas? Hältst du irgend etwas fest?

Du bist ein Fan von Gründlichkeit, Nachzählen, Nachhaken… naturwissenschaftlichen Methoden, die ich unter Geisteswissenschaftlern erschreckend selten finde: Wünschst du dir mehr naturwissenschaftliche Gründlichkeit im Kulturbetrieb?

Was hättest du gern früher gewusst?

Nenn mir erfundene Figuren, denen du ähnlich bist oder gern wärst.

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Gibt es eine Entwicklung, die du sehr früh hast kommen sehen: prophetisch?

Fühlst du dich, als Early Adapter, oft weiter vorne:  Findest du es anstrengend, dass Leute sich oft Fragen stellen, die du dir schon seit Jahren  stellst?
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Hast du eine Sammlung von „Darüber müsste ich eigentlich mal länger schreiben“-Ideen? Was stünde dort weit oben?

Eine Zukunftsvorstellung von dir: „Vielleicht halte ich in zehn Jahren nur noch Vorträge und publiziere meine Texte frei im Netz.“ Das wäre schade, oder? Falls Autoren wie Musiker werden und man nur noch Geld verdient, indem man sich Bühnen schafft.

Magst du das persönliche Gespräch? Wärst du grade lieber mit mir in einem Chat oder Google-.doc als auf einer Bühne?

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Was hast du aufgegeben oder beendet?

Du darfst keinen Menschen mehr sehen – aber hast Internet. Oder: Du darfst dich frei bewegen – aber hast kein Internet mehr. Was wäre schlimmer?

Ich kann am leichtesten, mühelosesten auf Facebook schreiben. Hast du einen Ort oder Modus, in dem dir das Schreiben/Formulieren/Denken besonders Spaß macht?

Was ist die Innovation, auf deren Durchbruch du dich besonders freust und die du gern noch erleben willst?

Wartest/hoffst du auf die Singularität: die Möglichkeit, ein Bewusstsein so zu digitalisieren, dass es unabhängig vom Körper überleben kann?

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Inwiefern ist die Zeit auf deiner Seite?

Wann klafften Zeitgeist und dein eigenes Leben am weitesten auseinander: Welches deiner bisherigen 45, 46 Jahre passte am wenigsten zu dir?

Gibt es Haltungen oder Normen aus deiner Kindheit, die heute verschwunden/verkümmert sind und die dir fehlen?

Bist du Opfer von Sexismus? Und/oder gibt es Leute, die dich (aus anderen Gründen) nicht ernst nehmen, aussortieren?

Manchmal schreibst du (humoristische) Sonette. Doch weil sie vor allem auf Facebook/online erscheinen, wird das wohl vor allem als Spielerei gesehen. Unterscheidest du zwischen „Spielerei“ und „großem Werk“? Wie wichtig ist dabei der Veröffentlichungsort und das Prestige? Und gibt es Arbeit von dir, von der du wünschst, dass sie ernster genommen wird?

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Nenn mir ein, zwei Projekte/Jobs, die dir viel mehr Spaß machten als das meiste andere.
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Nenn mir ein, zwei Projekte/Jobs, auf die du stolzer bist als auf alles andere!
Du hattest sehr lange sehr viele Print-Bücher. Dann hast du sie aussortiert, weggegeben. Kannst du dir andere Dinge vorstellen, an denen du gerade fest hältst – aber du später/bald aufgibst?
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Deine Website ist toll – aber du hast keine besonders geschärfte/pointierte Netz-Identität: Vielen Menschen kann man schneller drei, vier Worte, Adjektive, Tags zuordnen. Sind dir PR und Netz-Selbstdarstellung fremder als den meisten Netz-Journalisten?
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Du lebst seit dem Studium in Berlin. Bleibst du auf jeden Fall?

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