
Neues vom Obergrantler: Zum zehnten Todestag von Thomas Bernhard legt Suhrkamp die erste posthume Veröffentlichung vor.
„Meine Preise“ ist, wonach es klingt: Eine Retrospektive der Literaturpreise, die Bernhard bis zum Zeitpunkt der Niederschrift erhalten hat. So einfach wie genial bieten sie die Steilvorlage für bitterböse Sottisen über den Literatur-Rummel, der für den Autor größtenteils Unannehmlichkeiten bedeutet. Wie etwa beim Grillparzerpreis:
Zur Verleihung des Grillparzerpreises der Akademie der Wissenschaften in Wien mußte ich mir einen Anzug kaufen, denn ich hatte plötzlich zwei Stunden vor dem Festakt eingesehen, daß ich zu dieser zweifellos außerordentlichen Zeremonie nicht in Hose und Pullover erscheinen könne und so hatte ich tatsächlich auf dem sogenannten Graben den Entschluß gefaßt, auf den Kohlmarkt zu gehen und mich entsprechend feierlich einzukleiden, zu diesem Zwecke suchte ich das mir von mehreren Sockeneinkäufen her bestens bekannte Herrengeschäft mit dem bezeichnenden Titel Sir Anthony auf, wenn ich mich recht erinnere, war es Dreiviertelzehn, als ich den Salon des Sir Anthony betrat, die Verleihung des Grillparzerpreises sollte um elf stattfinden, ich hatte also noch eine Menge Zeit.
Thomas Bernhard: Meine Preise. Eine Bilanz, Suhrkamp Verlag, 144 Seiten, 15 €