
Heuschrecken anno 1990: Ausschnitt aus der Umschlagabbildung von „Unterwegs“
Wer mit Günter Grass nochmals durchs ereignisreiche Jahr 1990 gehen will, hat dazu nun Gelegenheit: Mit „Unterwegs von Deutschland nach Deutschland“ erscheint pünktlich zum Jubiläumsjahr 2009 das Tagebuch aus der Zeit der politischen Wende 1989/90.
Neben politisch Schwergewichtigem („Gestern waren Björn Engholm und ich in meinem Atelier. Ich skizzierte ihm meine Vorstellungen künftiger Deutschlandpolitik und eventueller Zusammenarbeit“) gibt G.G. hier Auskunft über Lektüren (Philip Roth, Salman Rushdie, Rainer Maria Rilke und eine Charlie-Chaplin-Biographie), Kochrezepte (Kaninchen in Rotwein), Wehwehchen (Darmspiegelung) und die Kakteenzucht in Portugal, Behlendorf und Dänemark.
Erhellend sind die Notizen über die Entstehung von „Unkenrufe“ und „Ein weites Feld“ sowie einiger Reden, die Grass an verschiedenen Orten gehalten hat. Diese hat der Steidl-Verlag publikumswirksam unter dem Titel „Als der Zug abfuhr“ nun noch einmal in einer kleinen Softcoverausgabe auf den Markt geworfen. Prinzipiell überflüssig, da der deckungsgleiche Band „Ein Schnäppchen namens DDR“ offenbar ebenfalls noch lieferbar ist.
Die zahlreichen intertextuellen Verweise aus „Unterwegs“ lassen sich aber auch schön mit dem Volltextarchiv von Spiegel Online verfolgen: So etwa die Titelgeschichte Rudolf Augsteins vom 2.7.1990, den Grass in seinem Tagebuch als „Geschichtspauker alter Schule (rechtsliberal bis deutschnational)“ apostrophiert, oder das Interview vom 16.7.1990 mit („dem mir widerlich gewordenen“) Hellmuth Karasek, zu dem Grass nur bemerkt: „verlief einigermaßen zivilisiert“.