Der Buchhändler – ein Luxusartikel?! Ein Gastbeitrag von Gerrit van der Meer

Im Rahmen der losen Gesprächsreihe “Steglitz stellt Buchhändlerinnen und Buchhändler vor” hatte ich vorgeschlagen, dass Ihr Gastbeiträge beisteuern könntet. Schilderungen aus dem Buchhändleralltag oder, was auch immer… Erfahrungsberichte zum Beispiel: Was habt Ihr in Buchhandlungen erlebt? Woran denkt Ihr gerne zurück, was ist Euch aufgestoßen? Nach der Polemik von Stefan Möller aka @Hedoniker Lieber stationärer Buchhandel, wir müssen reden!, die reichlich Wind machte, der Replik darauf von Lorenz Borsche und dem Brief des sterbenden Bildungsbürgers vom Krankenbett herab, dass kein Ausweg sei aus der Feder des Herrn Sandhofer, steuert heute Gerrit van der Meer nach seinem Aufruf in Sachen Freihandelsabkommen abermals einen Beitrag bei.

Gerrit ist seit Mitte der 80er Jahre im Buchhandel tätig . Er hatte eine eigene literarische Buchhandlung inne, die er aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung am Standort 2006 schließen musste. Danach arbeitete er als Verlagsrepräsentant. Anfang 2013 übernahm er die Geschäftsführung einer Buchhandlung in der Pfalz. – Wir sind einander bei Facebook begegnet und ich fragte ihn kurzerhand, ob er nicht gelegentlich bei SteglitzMind Stellung beziehen möge… Er mochte und ich sage Gerrit danke!

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Draußen vor der Tür. Als arbeitsloser Buchhändler nachts in einer fremden Stadt

Abends gehe ich manchmal noch spät aus dem Haus und streife durch die Stadt.

Die leeren Straßen und die Ruhe der nächtlichen Fußgängerzonen lassen Raum, um Gedanken schweifen zu lassen. Oft bleibe ich dabei an den Schaufenstern der Buchhandlungen hängen.

Dort liegen sie, die Bücherschätze, deren Inhalte ich in der Regel bereits kenne. Manche davon habe ich geliebt, andere weniger, verkauft hab ich sie fast alle, das gehörte zum Geschäft.

Die kleine Literaturbuchhandlung hat ein Suhrkamp-Fenster als Solidaritätserklärung mit dem Verlag gestaltet.

Ich sehe viele wunderbare Bücher, an André Kaminskis „Nächstes Jahr in Jerusalem“, einem meiner Lieblinge, bleibt mein Blick hängen. Diesem Buch verdanke ich meinen Spitznamen. Als meine Frau es las, fesselte sie der Ausspruch des Helden, mit dem er sich seinem zukünftigen Schwiegervater vorstellte: „Ich bin eine Wolke in Hosen.“ Der Name blieb irgendwie an mir haften und ich trage ihn mit Stolz, auch wenn sich die Verträumtheit der frühen Jahre etwas gelegt hat.

Noch vor einigen Monaten habe ich dieses Buch einem Kunden empfohlen. Wir trafen uns auf einer Lesung mit Dieter Hildebrandt anlässlich der Verleihung der Hermann Sinsheimer Preises. Ich stand dort hinter dem Büchertisch. Wie es sich manchmal ergibt, war man sich mehr oder weniger sympathisch und kam ins Gespräch.

Über Gott und die Welt, die gelungene Lesung, Hermann Sinsheimer und den Simplizisimus und über jüdische Literatur in Deutschland.

Und so landet man irgendwann bei André Kaminski. Die ‚Wolke in Hosen‘ konnte den Kunden für das Buch begeistern und am nächsten Tag holte er den Titel in der Buchhandlung ab.

Leider nicht mehr bei mir. Die Buchhandlung, für die ich einige Monate als Geschäftsführer tätig gewesen war, war nicht mehr in der Lage, mein Gehalt zu bezahlen. Und einen Tag nach der Lesung reiste ich ab. André Kaminskis Buch war mein letztes verkauftes Buch als Buchhändler.

Collage © Gerrit van der Meer

Collage © Gerrit van der Meer

Seither schreibe ich Bewerbungen und bekomme Absagen wie diese:

Sehr geehrter Herr …

vielen Dank für Ihre Bewerbung.

Gerne hätten wir so einen erfahrenen Buchhändler wie Sie.

Es sprengt leider unsere finanziellen Möglichkeiten. Daher müssen wir Ihnen leider absagen.

Mit freundlichem Gruß

Filialleitung

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Absagen wie diese, stundenlanges suchen nach Stellenangeboten im Netz und der Tagespresse, und mehr oder weniger klug formulierte Absagen, prägen meinen Alltag. Von überqualifiziert, unpassend für ein junges Team bis hin zu dem ehrlichen, sorry, aber sie sind uns zu alt, ist alles dabei.

Was bleibt, ist leichte Frustration, die allerdings mit einem guten Buch schnell wieder vertreiben werden kann, und die Erkenntnis, dass ein Buchhändler zwar viel mit einem guten Rotwein gemein hat, aber das man sich dieses Luxusprodukt leider kaum noch leisten kann und will.

Und so suche ich weiter. Irgendwann wird sich schon wer finden, der sich einen guten Tropfen beziehungsweise einen Buchhändler noch leisten kann.

© Gerrit van der Meer

13 Kommentare zu “Der Buchhändler – ein Luxusartikel?! Ein Gastbeitrag von Gerrit van der Meer

  1. Lieber Gerrit, es tut mir sehr leid um deine wundervolle kleine Buchhandlung, in die du so viel Liebe und Begeisterung gesteckt hast. Ich drücke dir fest die Daumen und wünsche dir viel Erfolg bei deiner Jobsuche.
    Liebe Grüße
    Karina

  2. Wenn die Stellensuche erfolglos bleibt – warum nicht die Suche nach einer Nische, wo man sich selbständig machen kann? Gerade für den traditionellen Buchhändler ändern sich die Zeiten. Es hilft nichts: um der Zukunft gerecht zu werden, müssen wir Mut zum Risiko haben. Nur so entsteht Neues. Also kein Jammern oder Klagen – auf ein Neues!

  3. Lieber Gerrit van der Meer, ich drücke die Daumen für eine erfolgreiche Job-Findung. Trolle wie nomadenseele werden dabei einfach ignoriert 🙂
    Schöne Grüße, Burkhard Schirdewahn

    • Es zeugt immer wieder von guten Charakter, Leute zu beschimpfen, die nicht der der eigenen Meinung sind.

      Wer die Ironie findet, darf sie behalten.

      Irgendwann werden auch ein Herr Schirdewahn lernen, dass man eher den schief ansieht, der schlecht über andere spricht, als den, über den schlecht gesprochen wird.

  4. Ich mag ehrliche Beiträge zu wichtigen Themen. Überlege, Stellengesuche in meinen Blog mit aufzunehmen. Wäre so was sinnvoll? Viel Glück bei der Jobsuche!

    • Ich finde, es klingt nach selbstmitleidigen Gegreine ohne Mehrwert für den Leser. Eigentich ist der Artikel nicht mal die 1-2 Minuten des Lesens wert.

      Kommt als nächstes: Der Schreiner – ein Luxusartikel?!

      • Dann eben Der Bäcker – ein Luxusartikel?! ?

        Ich habe noch nie einen derartig nichtssagenden Artikel in diesem Blog gelesen: *Hilfe, ich bin arbeitslos!* – ja, ich und paar Millionen mit mir, die nichts weiter als eine anonyme Masse sind.

        Das war mit Abstand der langweiligste und aussageloste Text, der hier veröffentlicht wurde. Und was er mir sagen soll, weiß ich immer noch nicht, außer einem die Zeit zu rauben.

      • Mal ehrlich: Wie bringt es einen weiter zu wissen, dass Herr Gerrit van der Meer arbeitslos ist? Das ist noch nicht einmal unnützes Wissen, vor allem, da der Text kein bißchen in die Tiefe geht und persöniche Auswirkungen aufzeigt (Welche ich allerdings auch nicht preis geben würde.) Solange das einizig Schlimme ist, sich keine Bücher mehr leisten zu können, ist ja alles in Ordnung.

  5. Die geschilderte Geschichte hat absolut gar nichts mit *Buchhändler* zu tun. Mit 40 gilt man oft auf dem Arbeitsmarkt als zu alt. Wer 50+ und arbeitslos ist, kann sich darauf einrichten, den Rest seines *Arbeitslebens* ALG II zu beziehen. Für Leute, die schwere Arbeiten verrichten müsen, gilt dies um so mehr. Zwar ist jede Geschichte für den Betroffenen schlimm, aber von außen betrachtet kein Einzelschicksal. Daher weiß ich nicht so ganz, was der Artikel ausdrücken soll, da der Autor nur einer von Millionen Arbeitslosen in Deutschland / Europa ist.

    Wobei es erfreulich ist, dass nicht nur ich Bücher als Luxusprodukt sehe.

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