Es heißt ja, dass die Kleineren unter den Verlagen zwar oho, aber viel zu wenig bekannt sind. Wer und wo sind sie? Wie behält man die immer größer werdende Kleinverlegerszene im Blick? Was treibt junge Verleger an und um? Welche Strategien verfolgen sie, um auf dem Buchmarkt Fuß zu fassen? Was packen sie anders an als die Etablierten? Wie definieren sie ihre Zielgruppe, wo finden sie ihre Nische? Welche Risiken sehen sie und wo verorten sie ihre Chancen?
Fragen, die in einer losen Gesprächsreihe mit Verlegern und Verlegerinnen aufgegriffen werden. Heute erfahren wir mehr über Johannes CS Frank, Andrea Schmidt und Dominik Ziller vom Berliner Verlagshaus J. Frank. Vorgeschlagen hatten das Helge Pfannenschmidt von der edition azur sowie Daniel Ketteler und Christoph Wenzel vom [SIC]-Literaturverlag.
Eine Skizze vom Verlag …
Wir sind ein Berliner Independent-Verlag und haben uns der Lyrik verschrieben.
Die Programmschwerpunkte?
Wir veröffentlichen ausnahmslos Texte, die eine eigene Relevanz und Dringlichkeit beanspruchen. Jenseits von Klischees wollen unsere Texte verändern und Bleibendes schaffen. Leser_innen und Autor_innen werden zu Verbündeten. In unseren Publikationen treten Illustrationen und Typografie als eigenständige Ausdrucksformen in einen Dialog mit dem Text. So entstehen einzigartige Gesamtkompositionen, Kostbarkeiten, die unsere Leidenschaft für Bücher widerspiegeln.
Unsere Bücher erscheinen in fünf Reihen:
- »Edition Belletristik« – das Herz des Verlages schlägt für Lyrik der Gegenwart
- »Edition ReVers « – verlorene, vergessene, verborgene Gedichte neu erkundet.
- »Edition Polyphon« – die internationale Reihe für das globale Gedicht.
- »Edition Poeticon« – die Essay-Reihe zur Theorie hinter der Lyrik.
- »Edition Panopticon« – Graphic Novels und Illustrierte Bücher stehen hier im Vordergrund.
Bisher sind über 80 Bücher im Verlagshaus erschienen
Machen Sie alles alleine?
Seit 2005 wird das Verlagshaus von Johannes CS Frank, Andrea Schmidt und Dominik Ziller geführt: Überzeugungstätern, Literatur- und Illustrationsverrückten.
Warum musste es unbedingt ein Verlag sein?
Die Entwicklung des Verlages war gar nicht unbedingt abzusehen, daher muss die Frage vermutlich so beantwortet werden: Zunächst war das Verlagshaus ein Zeitschriftenverlag, der ausschließlich die „Belletristik. Magazin für Literatur und Illustration“ veröffentlichte. Das Magazin blieb auch in den ersten Jahren des Verlages sein Rückgrat. Wir hatten gerade gelernt, wie ein Zeitschriftenverlag funktionieren kann, da haben wir Anfang 2010 den Verlag neu erfunden und zu einem Buchverlag weiterentwickelt. Das als Antwort auf struktureller Ebene. Aber der Reiz daran, einen Verlag zu führen, ist nicht in der Struktur zu finden. Ideen Öffentlichkeit zu geben, Poetiken, politische Ansätze und Gedanken, Diskurse mitzuprägen, Autor_innen über Jahre zu begleiten und gemeinsam an der Lyrik in all ihrer Vielfalt zu arbeiten – das ist der Reiz des Verlegens. Aber natürlich auch, für Leser_innen Zugänge zu Lyrik zu schaffen und diese Form der Literatur einem noch größeren Publikum zu öffnen.
Woher beziehen Sie trotz sattsam bekannter Schwierigkeiten Ihr Engagement?
Das Engagement, oder vielmehr die Kraft, ziehen wir in allererster Linie aus der Literatur, die wir veröffentlichen – aus der Begeisterung für diese Universen auf kleinstem Raum, die Gedichte sind.
Die Zusammenarbeit mit unseren Autor_innen ist dazu immer wieder eine Quelle, aus der wir Kraft schöpfen können: Wir begreifen unseren Autor_innenstamm nicht nur als eine Versammlung von Solitären, sondern auch als eine Gruppe, die gemeinsam für etwas eintritt, für bestimmte Vorstellungen von Lyrik und bestimmten Zielen, die aus diesen Konzeptionen erwachsen. Glücklicherweise können wir auch sagen, dass das Engagement auf immer mehr Resonanz trifft – innerhalb der Literaturlandschaft, aber auch in Form von Buchverkäufen, hohen Zuhörer_innenzahlen bei unseren Veranstaltungen oder eine stetig wachsende Präsenz im Feuilleton.
Was hat sich infolge der Digitalisierung in Ihrer Arbeits-/Vorgehensweise verändert?
Ohne die Digitalisierung wäre unser Arbeiten undenkbar! Hier geht es einerseits um die Kommunikation innerhalb des Teams – in den ersten Jahren unserer Arbeit haben wir von unterschiedlichen Standorten aus zusammengearbeitet, von Besprechungen bis hin zum Setzen unserer Publikationen, da war der ganze Verlag auf digitale Strukturen angewiesen, um arbeitsfähig zu sein. Das hat sich in den letzten Jahren nur insofern geändert, als dass 90% unserer Kommunikation mit unseren Partner_innen und besonders unseren internationalen Autor_innen digital verläuft.
Eine ganz andere Ebene ist die der Digitalisierung unserer Inhalte. Und hier sehen wir die Digitalisierung als Chance! Allerdings sind die Formate gerade für einen Lyrikverlag bisher limitiert in ihren Möglichkeiten: Ein E-Book ist allein schon technisch gesehen nicht das richtige Format für die Lyrik, wenn man E-Books als digitale Abbilder von Büchern versteht. Dies führte bei uns zu einer einfachen Frage: Wenn wir uns bei der Buchproduktion hoher Qualität, distinguierbarem Design und künstlerischem Anspruch verschreiben – wie können wir die limitierten gestalterischen Möglichkeiten bei E-Books uns und unseren Leser_innen gegenüber rechtfertigen? Wir glauben, eine Lösung gefunden zu haben, aber hierzu verraten wir noch nichts!
Es ist zumindest nach unserer Überzeugung wichtig, den digitalen Raum auch für das Lesen von Lyrik zu öffnen – wir können den E-Book-Markt nicht der Genre-Literatur überlassen!
Was machen Sie anders als die anderen? – Wie positionieren Sie sich gegenüber der Konkurrenz?
Konkurrenz ist in unserem Bereich ein Begriff, mit dem wir relativ wenig anfangen können: Es gibt vielleicht drei oder vier andere Verlage, die vergleichsweise viel Lyrik verlegen, die begreifen wir aber nicht als Konkurrenten.
Das, was uns sicher gegenüber den anderen Verlagen auszeichnet, ist die Konzentration auf das Verlegen von Lyrik. Und diese Konzentration, diese Fokussierung, werden wir in Zukunft noch stärker in den Vordergrund rücken. Schon unser Slogan, poetisiert euch! ist auch als Positionierung zu verstehen – diesen konsequent in unserer Arbeit zu vertreten und durch unsere Publikationen zu verkörpern, das ist das, was uns auszeichnet.
So Sie Ihren Verlag neu aufstellen könnten, was würden Sie heute anders angehen als in der Startphase?
Natürlich haben wir in der Anfangsphase Fehler gemacht, aber wir haben beständig dazu gelernt. Was wir rückblickend anders machen würden, wäre von Anfang an die Zusammenarbeit mit starken Partner_innen zu suchen – sowohl in der Presse-Arbeit, also auch im Vertrieb, in der Verlagsvertretung oder auch der Zusammenarbeit mit der richtigen Druckerei.
In diesem Jahr, in dem wir unser zehnjähriges Bestehen feiern, werden wir tatsächlich den Verlag noch einmal anders aufstellen. Solche Jubiläen bieten u. a. die Chance einer stärkeren Fokussierung auf Programmgestaltung und Verlagskommunikation.
Wie gewinnen Sie Autoren?
Unsere Autorinnen und Autoren kommen über unterschiedliche Wege zu uns. Wenn wir jemanden wahrnehmen, der mit seiner oder ihrer Literatur gut in das Verlagshaus passen würde, sprechen wir ihn oder sie gezielt an. Für unsere internationale Reihe, die Edition Polyphon, besonders aber unsere Reihe, in der wir vergessene Dichter_innen oder bisher nicht ins Deutsche übertragene Texte von bekannteren Autor_innen veröffentlichen, in der Edition ReVers lassen wir uns auch Autor_innen empfehlen Die Internationalität wird für unseren Verlag immer wichtiger, und wir sehen in der internationalen Lyrikvermittlung – besonders von internationaler Lyrik in Deutschland – einen wichtigen Weg für unsere zukünftige Arbeit.
Wie organisieren Sie Ihren Vertrieb?
Unser Vertrieb ruht auf zwei Säulen: Eine wichtige Rolle spielt unser Direktvertrieb, also der Verkauf von Büchern über unsere Internetseite und bei unseren Lesungen bzw. denen unserer Autor_innen. Gerade unsere Internetseite ist besonders wichtig für uns, diese wird in diesem Jahr einem Relaunch unterzogen! Die zweite Säule ist die des „klassischen“ Buchvertriebs: Wir arbeiten mit Grossisten und der Gemeinsamen Verlagsauslieferung Göttingen zusammen.
Was tun Sie, um im Buchhandel Fuß zu fassen? – Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Sortiment?
Wir arbeiten mit den Vertreterinnen von Indiebook zusammen, die uns im wahrsten Sinne des Wortes gegenüber dem Buchhandel vertreten. Mit ihrem Engagement für unsere Bücher sind sie ein ganz wichtiger Baustein für unsere gegenwärtige Position und auch für die Zukunft des Verlages. Für uns wird der Buchhandel immer wichtiger, im Buchhandel sehen wir auch weiterhin die Zukunft für den Verkauf von Lyrik. Es ist für uns schon ein großer Erfolg, dass unsere Bücher in über 120 Buchhandlungen zu finden sind. Wir haben dazu enge Verbindungen zu individuellen Buchhändler_innen, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie in der Auffassung ihrer Arbeit unserer Arbeit entsprechen – das sind ganz wunderbare Beziehungen, die so entstehen. Wir lernen auch viel von diesen Buchhändler_innen, die tatsächlich auch Spezialist_innen mit einem unheimlich reichem Erfahrungs- und vor allem Leseschatz sind.
Wie halten Sie es mit Amazon?
Wir arbeiten nicht mehr direkt mit Amazon zusammen. Das hat einerseits ganz einfache wirtschaftliche Gründe: Beim so genannten „Partnerprogramm“ von Amazon mussten wir nicht nur 55% des Coverpreises eines jeden Buches Amazon lassen, sondern zusätzlich Versandkosten bezahlen, und am Schluss noch dafür, dass wir ihnen eine Rechnung stellten. So haben wir mit jedem Buch, das über Amazon verkauft wurde, einen Verlust gemacht. Das und dazu auch die Frage, mit welcher Art von Partner_innen wir unseren verlegerischen Weg beschreiten möchten, hat zu der Entscheidung geführt, nicht mehr mit Amazon zusammenzuarbeiten. Amazon ist jetzt für uns wie jede andere Buchhandlung: Sie beziehen unsere Bücher über die Grossisten. Auf Amazon ganz zu verzichten, wäre nicht im Sinne unserer Autor_innen, und das ist ein großes Problem dieser Quasi-Monopolstellung im digitalen Buchhandel: Gibt es das Buch nicht bei Amazon, gibt es das Buch nicht.
Was tun Sie für Ihr Marketing?
Ganz wichtig für uns sind die Möglichkeiten sozialer Netzwerke – aber wir sehen Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram nicht in erster Linie als Marketing-Tools, sondern als Möglichkeiten, über unsere Arbeit zu berichten und mit unseren Leser_innen in Kontakt zu treten sowie uns auch selbst zu informieren. Die konstante Markenführung mit hohem Wiedererkennungseffekt spielt hier auch eine große Rolle – von der Gestaltung unserer Präsenzen im Internet über unsere Werbemittel bis hin zu Messe-Auftritten oder unseren Büchern selbst. Wir stellen fest, dass unser Slogan, poetisiert euch, ein Leben jenseits des Verlages führt: Unsere poetisiert euch-Aufkleber werden mittlerweile überall auf der Welt geklebt. Unter dem Hashtag #poetisierteuch kann man das mitverfolgen. Natürlich ist auch die Zusammenarbeit mit unserer Presse-Agentur PR Kirchner sehr wichtig für unser Marketing. All diese Bausteine tragen dazu bei, die nötige Aufmerksamkeit auf den Verlag zu lenken. Presseartikel führen ja leider nicht direkt zu Buchverkäufen, aber sie informieren, sie sind wichtig für die Darstellung und Dokumentation unserer Arbeit. Lesungen könnte man ähnlich betrachten, obwohl sie in allererster Linie eine andere Funktion erfüllen – die der Verbreitung der Literatur, die in unserem Verlag erscheint.
Wie halten Sie es mit dem Börsenverein für den deutschen Buchhandel?
Wir sind zahlende Mitglieder. Für den Buchhandel ist die Funktion sicher eine andere als für uns. Für Verlage ist die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft nicht unbedingt nachzuvollziehen. Allerdings ist der Berliner Zweig für uns im Veranstaltungsbereich interessant: Sowohl beim Format „24 Stunden Buch“ und auch „Stadt, Land, Buch“ gab es bisher gute Zusammenarbeiten.
Für wen machen Sie Bücher: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, wo sehen Sie Ihre spezielle Marktnische?
Wir machen unsere Bücher für alle, die sich von Lyrik begeistern lassen können. Eine Zielgruppenanalyse lässt immer nur eine Betrachtung der Gegenwart zu – aber die Potentialanalyse ist für uns spannend: Es können neue Räume für die Lyrik eröffnet werden. Und daran arbeiten wir!
Lyrik erlebt gerade einen regelrechten Boom. Das ist das Ergebnis der Arbeit vieler unabhängiger Verlage, von Veranstaltungsreihen, Festivals, Netzwerken, Autor_innen – der Leser_innenkreis wächst, und wir mit ihm!
Wo sehen Sie für Ihren Verlag die größten Chancen?
Die Chancen für einen Verlag entstehen zwangsläufig aus der Programmgestaltung. An dieser arbeiten wir täglich und freuen uns schon riesig auf die nächsten Jahre Literatur aus dem Verlagshaus!
Welche besonderen Risiken verorten Sie für Ihren Verlag?
Das Risiko für einen Lyrikverlag ist immer dasselbe: dass niemand unsere Bücher liest.
Was schätzen Sie an der Independent-Szene besonders?
Wir schätzen die Möglichkeit der Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in der Programmgestaltung.
Was würden Sie jenen raten, die mit dem Gedanken spielen, einen Verlag an den Start zu bringen?
Es einfach zu tun – zu wissen, welche Art von Literatur man verlegen möchte und im besten Fall, warum. Keine Angst zu haben, das Scheitern in Kauf zu nehmen und mutige Entscheidungen zu treffen.
Welche kleinen, unabhängigen Verlage empfehlen Sie? Und wer sollte in dieser Gesprächs-Reihe möglichst auch zu Wort kommen?
Mit hochroth verbindet uns eine besondere Verlagsfreundschaft und wir schätzen den Einsatz, verlegerisches Handeln neu zu denken.
Herzlichen Dank für diesen Einblick!
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Ich würde mich freuen, wenn Ihr das Vorhaben unterstützt, kleinere Verlage zu entdecken. Etwa indem Ihr Vorschläge macht, wer hier möglichst Rede und Antwort stehen sollte. Und bitte vergesst nicht auf die entsprechenden Verlage zu verlinken. – Danke sehr! Mehr zur Intention der losen Gesprächsreihe mit Verlegerinnen und Verlegern erfahrt Ihr hier. Zu einer Übersicht über die Empfehlungen, die bislang zusammengekommen sind, geht es hier
Das Verlagshaus J. Frank im Netz:
poetisiert-euch.de Website (Neue Website + Neue URL im Laufe des Jahres)
https://twitter.com/_Verlagshaus
instagram.com/verlagshaus (Hashtag #poetisierteuch)
http://issuu.com/verlagshaus (Leseproben unserer Publikationen)
Hat dies auf Wunderwaldverlag rebloggt.
Hat dies auf Nekos Geschichtenkörbchen rebloggt.
Auch wenn ich ein Lyrik-Muffel bin, würde mich interessieren, ob der nahe liegende Weg, Lyrik zu vertonen – (musikalisch oder auch nur vortragend) ein schwieriger ist?