„Entweder es passt oder es passt nicht.“ Buchblogger vs. Selfpublisher?

Ein Aufreger besonderer Art auf SteglitzMind war der Beitrag Lieber buchaffiner Blogger, wie hältst du es mit Selbst-Verlegtem?, der am 9. November 2012 erschienen ist. Darin zu lesen waren 15 Statements von Bloggern und Bloggerinnen, die auf die Frage Antwort gaben: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Von Stimmungsmache gegen selbstverlegende Autoren konnte keine Rede sein. Herausgekommen ist ein ausgewogenes Meinungsbild: Die befragten Blogger stehen Publikationen von Selfpublishern zwar kritisch, aber nicht generell ablehnend gegenüber. So sie Rezensionsexemplare abwinken – was sie häufig tun, hängt das mit dem Selbstverständnis des jeweiligen Bloggers zusammen, der seine Unabhängigkeit schätzt und großen Wert auf selbstbestimmte Lektüre legt. Man will sich nicht in die Pflicht nehmen lassen. Und zwar gilt das für Publikationen von Selfpublishern und Rezensionsangeboten aus klassischen Verlagen gleichermaßen. Hier machen die Blogger keinen Unterschied. Einig waren sie sich auch dahingehend, dass Selfpublisher und Verlagsautoren durch Qualität überzeugen müssen.

Erstaunt hat mich so manche Reaktion, die der Beitrag hervorrief. Fast könnte man meinen, dass die Fronten zwischen Buchbloggern und Selfpublishern verhärtet sind:

Übrigens weiß ich nicht, ob ich bei diesem Beitrag und einigen Kommentaren heulen oder lachen soll. […].Ich habe den Eindruck, dass viele, die nun wirklich vorurteilsbeladen Self Publishing von vornherein als Trash klassifizieren, sich einfach nicht wirklich auszukennen scheinen.

Schade eigentlich, dass es da so viele Vorurteile gibt, denn ich denke immer, es kommt darauf an was in dem Buch drin steht und nicht welcher Verlagsnamen, bei denen man auch schummeln kann, draufsteht …

Was wirklich fehlt ist der Respekt vor Amateuren, auch im textlichen Bereich …

Zur meiner Irritation trug vergangene Woche des Weiteren der Artikel „Self-Publishing. Der YouTube-Literaturbetrieb“ von Jan Fischer bei, der bei ZEIT online erschienen ist. Zwar kommt dem Verfasser zweifellos das Verdienst zu, mit dem Thema Selfpublishing einen Gegenstand aufgegriffen zu haben, den die klassischen Medien lieber meiden. Allerdings kolportiert der Beitrag die Behauptung, dass „viele deutsche Blogger, die sich mit Rezensionen von Neuerscheinungen befassen“, Büchern von Selfpublishern „ablehnend gegenüber“ stünden. Dass sich die Aussage direkt auf den SteglitzMind-Blogpost vom 9. November 2012 bezog, verwunderte mich doch sehr.

denk mal um © GvP

denk mal um © GvP

Wo steht dort geschrieben, dass viele Buchblogger Indie-Publikationen keinen Respekt zollen, ihnen gar ablehnend gegenüberstehen? Wurde gar das Fazit des Beitrags übersehen, in dem zu lesen steht, dass Blogger keine Unterschiede machen und von Autoren – egal ob Indie-, Hybrid- oder Verlagsautor – in erster Linie Qualität einfordern. Warum fiel mein Versuch, ein differenziertes Stimmungsbild wiederzugeben, pauschalisierenden Schlussfolgerungen anheim? Neigt man in der Eile des Gefechts dazu, das Kind mit dem Bade auszuschütten?

Da mir daran gelegen ist, die Sachlage zu objektivieren, freue ich mich, heute mit 15 Stellungnahmen zur Frage nachziehen zu können: Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?

Ich habe da keine Vorbehalte. Das ist auch schon vorgekommen. Es ist ähnlich wie oben [bei Verlagen oder Dienstleistern]. Ich kaufe lieber, weil ich mich dann in meiner Entscheidung freier fühle, ob ich darüber schreiben will. Jutta S. Piveckova aka Melusine Barby, Gleisbauarbeiten

Es kommt ganz darauf an, ob mich das Werk interessiert. Aber grundsätzlich sehe ich mich derzeit nicht als Rezensentin. Nur wenn mich etwas so begeistert oder empört, dass ich andere daran teilhaben lassen möchte, dann mache ich darauf aufmerksam. @Anousch, Anousch

Ähnlich [wie bei Verlagen oder Dienstleistern: Ich schau mir immer genau den Inhalt an, ob es mich interessieren könnte. Wenn nicht antworte ich höflich, dass es einfach nicht meinen Geschmack trifft.] Entweder es passt oder eben nicht. Bücherliebhaberin, glasperlenspiel13

Vermutlich ebenso wie ich es im Fall von Verlagen und Autoren tun würde. [Ich wähle sehr bedacht aus und greife meist nur bei mir bekannten Autoren zu oder auch bei einem Verlag, deren Programm sehr viele Übereinstimmungen mit meinem Lesegeschmack hat. Rezensionsexemplare bedeuten immer die Verpflichtung, zeitnah eine entsprechend ausführliche Rezension zum Gelesenen online zu stellen – die möchte ich gerne erfüllen und mich zugleich nicht beim Lesen und Schreiben hetzen, weil sich Rezensionsexemplare bereits bei mir stapeln. Aus diesem Grund, und auch weil mir manche Titel nicht zugesagt haben, habe ich Rezensionsexemplare durchaus schon dankend abgelehnt. Zudem kommentiere ich im Gegensatz zu vielen anderen Bloggern auch nicht vorwiegend Neuerscheinungen.] Svenja, Syn-ästhetisch

Ich nehme sie an, wenn sie zu meinem Blog passen. Marcus Johanus mit Marcus Johanus‘ Blog

Das ist schon vorgekommen. Bisher hab ich die Angebote abgelehnt, weil es sich dabei um Krimis und eine Biografie handelte, die mein Interesse nicht wecken konnten. Mal sehen, wie ich handeln werde, wenn mir mal etwas gut Klingendes angeboten wird … Ob ich dann mein eigenes Vorurteil, beim Self Publishing könne ja nichts Gutes rauskommen, überwinden werde? Ich könnte es ja hiermit beschließen und der Sache eine Chance geben! Mareike Fallwickl, Bücherwurmloch

Wie bereits erwähnt, wähle ich mir meine Bücher selbst aus. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit Freiheit, das zu lesen, was ich möchte – und die Zeit, in der ich das machen kann, ist eng begrenzt. So habe ich nur maximal zwei Stunden dafür am Tag Zeit dafür – außer an den Wochenenden oder im Urlaub. Ich möchte mich nur ungern von meiner Lesefreiheit trennen. Auf der anderen Seite sehe ich, wie schwieriger es für Schreibende wird, ihre Werke bei Verlagen unterzubringen. Simone Finkenwirth, Klappentexterin

Genau gleich wie bei den anderen Büchern: Ich reiche sie an das Team durch. Entscheidend ist, ob sich ein Rezensent dafür interessiert. Aber: es passiert in der Regel nicht … Oliver Gassner, Literaturwelt

Genauso, wie wir mit Rezensionsexemplaren von Verlagen umgehen. Wenn uns Genre, Titel und vor allem die Beschreibung ansprechen, würden wir das Buch auch lesen und rezensieren. Bislang ist das leider nicht vorgekommen, da meist entweder das Genre für uns nicht passte, oder der Inhalt nicht allzu attraktiv beschrieben war. Das wäre dann auch ein Tipp an alle Self Publisher: Jeder potenzielle Leser wird natürlich vom “Klappentext” auf den Inhalt und die Art und Weise, wie das Buch geschrieben ist, schließen. Dieser kurze Beschreibungstext muss also so attraktiv wie möglich und natürlich fehlerfrei sein. Stefanie und Yvonne, Leselink

Das ist bis jetzt noch nicht passiert. Hartmut Abendschein, Betreiber des literarischen Weblogs taberna kritika und Mitbegründer von litblogs.net

Ich sehe keinen Unterschied zwischen einem Self-Publisher und einem “Verlags-Autoren”, d.h. siehe oben. (Rezensionsexemplare würde ich sehr, sehr sorgfältig prüfen, bevor ich eine Zusage geben würde. Leider habe ich immer viel weniger Zeit, als mir lieb ist. Deshalb würde ich keine Erwartungen wecken, die ich dann nicht erfüllen kann.) Axel Hollmann, Axel Hollmanns Schreibblog

Self-Publisher unterscheiden sich für mich nicht von anderen Autoren. Ich entscheide nach Titel und Thema, ob ich das Werk lesen möchte. Ruth Justen, Ruth liest

Wie bereits erwähnt, nehme ich ein Angebot an, wenn es mich anspricht. Wobei ich gestehen muss, dass das selten der Fall ist. [Noch vor einiger Zeit war ich mächtig stolz darauf, wenn mir ein Rezensionsexemplar angeboten wurde. Ich habe mich geehrt gefühlt, dass es jemanden interessiert, was ich von einem Buch halte. Ich habe diese Bücher auch gerne angenommen. Seitdem ich jedoch merke, dass viele Blogger die selben E-Mails bekommen, in denen nur die Anrede ausgetauscht wird, überlege ich doch ein bisschen länger, ob ich ein Rezensionsexemplar annehmen soll. Ehrlich gesagt finde ich es besser, selbst ein Rezensionsexemplar bestellen zu dürfen und freue mich jedes Mal sehr, wenn ich ein entsprechendes Päckchen aus dem Briefkasten herausfische.] Dorota Federer, Bibliophilin

Grundsätzlich genauso wie mit anderen Rezensionsexemplaren auch, allerdings nehme ich keine E-Books an , da ich keinen eigenen Reader besitze und auch vorerst keinen haben möchte bzw. brauche. (Heute nehme ich kaum noch Rezensionsexemplare an. Manchmal tut es mir leid, Absagen erteilen zu müssen, gerade in Hinblick auf noch unbekannte Autoren, doch ich schaffe das zeitlich einfach nicht mehr. Je nachdem, was beruflich oder privat so anliegt, bin ich zu eingespannt, sodass für den Blog kaum noch Zeit übrig bleibt. In solchen Phasen schätze ich es sehr, meine Lektüre frei auswählen zu können, ohne unter dem Druck zu stehen, das Buch möglichst zeitnah zu lesen und vor allem auch zeitnah rezensieren zu müssen.) Ada Mitsou, Ada Mitsou liest….

Ich mache keinerlei Unterschiede zwischen den Büchern von Verlagen und denen selbstverlegender Autoren. Für mich zählt die Qualität eines Buchs und nicht, ob es über einen bekannten Publikums-Verlag, einen Print-on-Demand-Anbieter oder als Kindle-eBook veröffentlicht wurde. Auch hier gilt: Ich veröffentliche nur dann eine Rezension, wenn ich das Buch meinen Lesern guten Gewissens empfehlen kann. Einen Verriss würde ich nur dann schreiben, wenn der Autor partout auf der Rezension seines Werks besteht. Richard Norden, Writers Workshop

Dezidierte Vorurteile gegen Selfpublishing oder gar Ignoranz gegen Publikationen, die in Eigenregie verlegt sind, werden in diesen Stellungnahmen abermals nicht laut. Und wenn, wie hier in einem Fall, dann werden diese kritisch hinterfragt. – So darf ich mein Fazit vom 9. November 2012 also getrost wiederholen: Durch die Bank legen die befragten Blogger Wert auf selbstbestimmte Lektüre, weshalb sie Rezensionsangebote vielfach ablehnen. Sie unterscheiden nicht zwischen Verlagsautoren und Selfpublishern, noch legen sie unterschiedliche Kriterien an die jeweiligen Publikationen an. Überzeugen lassen sie sich allein durch Qualität.

Weitere Überlegungen zur Bedeutung von Literaturblogs und deren Umgang mit E-Book und selbstverlegenden Autoren habe ich in einem Interview für litaffin angestellt, das hier nachgelesen werden kann.

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Die Frage Wie würdest du damit umgehen, wenn dir Selfpublisher ihre Titel zur Rezension anbieten?  ist Bestandteil der Gesprächsreihe „Steglitz stellt bibliophile Blogger“ vor, die im September 2012 an den Start ging. Ihr voraus geht die Frage Wie gehst du damit um, wenn dir Verlage, Agenturen oder Autoren Rezensionsexemplare anbieten? Aus den Antworten darauf stammen die Zitate, die in eckige Klammern […] gesetzt sind.

Rede und Antwort standen in der Interviewreihe bislang 37 Bloggerinnen und Blogger. Ein Überblick findet sich hier

4 Kommentare zu “„Entweder es passt oder es passt nicht.“ Buchblogger vs. Selfpublisher?

  1. So wie ichs verstanden habe war die Meinung der Blogger bezüglich Selbstgemachten sehr vorsichtig „Im Prinzip ja, habe aber noch nicht“ und das deckt sich auch mit meiner Einschätzung, daß da die Vorurteile noch sehr überwiegen oder noch keine Erfahrung mit der Veränderung da ist.
    Vor kurzem habe ich im Blog einer Lektorin gelesen, daß sie Selbstgemachtes nicht mehr lektorieren würde, weil so viele Fehler und dann regen sich die noch auf, wenn man was übersieht, da dachte ich auch, das ist doch ihr Geschäft und ein Markt an dem sie profitieren könnte, aber natürlich muß man sich den Veränderungen anpassen, also vielleicht eine Grob- und eine Feinbearbeitung anzubieten, als zu schimpfen“Das Selbstgemachte ist so schlecht!“
    Ich denke, daß wir die Veränderungen ohnehin nicht verhindern können, finde es schön, daß so viele Leute schreiben und da ich da ja oft jeden Tag einen neuen Superstar entdecke, bringen die offenbar auch viel Neues und viel Originelles mit, bei dem die gelangweilten Verlage vorher abwinkten und dafür die tausendste Wiederholung des tausendsten Holocaust Buches, sicher ist sicher, brachten und auch bezüglich der angeblichen Analphabetenraten, die die Schulen produzieren, ist das ein Gegenbeweis, offenbar wollen sehr viele Leute schreiben und offenbar lesen sie auch das Selbstgemachte noch sehr gern und sehr viel, also eine Chance, der wir uns nicht verschließen sollten und es kommt ohnehin, ob wir es wollen oder nicht.
    Ich würde übrigens auch Selbstgemachtes rezensieren und mache meine Bücher schon seit mehr als zehn Jahren selbst!

  2. Ich habe den ZEIT-Artikel auch als absolut positiv und objektiv wahrgenommen, in Verbindung zu den Recherchen, die Jan Fischer in sein Blog gestellt hat, sogar als lehrreich. Ich kann auch weder „Aufreger“ noch ein „versus“ beobachten. Könnte es sein, dass man da künstlich Auseinandersetzungen herbeiredet, die es in dem Ausmaß vielleicht gar nicht gibt?

  3. Ich habe den Zeit-Artikel „Self-Publishing. Der YouTube-Literaturbetrieb“ von Jan Fischer gelesen. Wenn man sich den Text ohne Vorbehalte vornimmt, liest er sich – bezogen auf das Thema SP – außerordentlich positiv. Das ist mein Eindruck. Er macht nicht Stimmung gegen SP. Fischer ist kein Autor, der eine innere Ablehnung durchscheinen lässt. Das finde ich gut. Die Message, die bei mir hängen bleibt: Selfpublishing hat Potenzial.

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