Der seltsame Fall des jungen Alten Arum Han

Ein todtrauriges Buch über das Leben, das Altern und das Sterben – Im Zeitraffer

Ihr kennt das sicher alle. Man nimmt ein Buch zur Hand, hat mit wenigen, begeisterten Stimmen, bisher nur Gutes über diese Geschichte gehört, kauft euch dieses Buch, ohne weiter darüber nachzudenken, um was es genau geht und dann trifft es euch mitten ins Herz. So erging es mir mit „Mein pochendes Leben“ von Ae-Ran Kim. Ich musste dieses Buch langsam lesen, so gut war es. Ich wollte jede Faser der einzelnen Seiten dieses im übrigen wunderbar gestalteten Buches durchdringen und mir diese Geschichte richtig einverleiben. Es setzte manchmal ein wahnhaftes Verlangen ein, diese Geschichte unbedingt zu Ende zu lesen. Und die Erwartungen, die im Vorfeld geschürt wurden, konnten bei weitem übertroffen werden. „Mein pochendes Leben“ ist ein Roman, der zu Tränen rührt, der einen nachdenklich stimmt, aber auch zum Lachen bringt. Doch eines lernt man mit diesem Buch ganz gewiss. Das man den Wert des Lebens nach dem Zuklappen des Buches viel mehr zu schätzen weiß, was einem sehr zartfühlig und mit klugen Gedanken nahe gebracht wird. Und mit wem Lernen wir das? Mit einem 16-jährigen Jungen, der dem sicheren Tod geweiht ist.

Progerie – Wenn ein Kind schneller altert als der Geist

Was geht in einem Menschen vor, einem Jugendlichen, der in einem Alter von 14, 15 oder 16 schon dem Tod durch Altern in die Augen blicken muss? Was beschäftigt ihn, hat er überhaupt Wünsche, wenn keine Zukunft vor ihm steht? In dieser mehr als traurigen Geschichte geht es um den Jungen Arum Han und die sehr seltene Krankheit Progerie, die ein bis zu zehnmal schnelleres Altern für den betreffenden Menschen bedeutet. Dabei steht die Krankheit in dieser Geschichte gar nicht so stark im Vordergrund, sie ist eher der Wegbegleiter und Aufhänger, um deutlich zu machen, was diese Krankheit für einen Menschen bedeutet. Das kann beim Lesen niemanden kalt lassen.
Wir lernen den Jungen kennen, da ist er in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Progerie und hat schon länger überlebt hat, als es ihm die Ärzte zugetraut haben. Seine Eltern haben ihn jung bekommen, als beide im selben Alter waren, wie Arum aktuell. Sie kümmern sich aufopferungsvoll um diesen liebenswerten Jungen, der aussieht wie ein Greis, der Gedanken hat, die seine Eltern traurig stimmen, da er sich seiner Umstände vollauf bewusst ist. In Rückblenden erfahren wir, dass am Anfang mit Arum alles in Ordnung zu sein schien. Mit zwei Jahren brach die Krankheit dann aus und eine elende Tortur begann, eine endlose Reise zu den Ärzten, bis endlich festgestellt wurde, was Arum hat und er dem sicheren frühen Tod geweiht ist. Seitdem versuchte die Familie das Beste aus dieser Situation zu machen und boten Arum eine relativ unbeschwerte Kindheit.
Doch wie umgehen mit einem Kind, welches so erwachsene Gedanken denkt, welches sich in einem Alter auf das Sterben vorbereiten muss, während andere am See baden gehen, draußen toben, Interessen entwickeln oder sich langsam für das andere Geschlecht interessieren? Es ist für beide Seiten nicht einfach. Zum einen für Arum selbst, der ja trotz allem ein Kind ist. Ein Kind zwar, welches sehr erwachsen denkt und doch im Inneren einfach Kind sein will, es aber einfach nicht kann. Auf der anderen Seite die Eltern, die nicht unbedingt überfordert scheinen, aber doch nicht recht wissen, was sie mit ihrem Kind machen sollen. Man merkt ihnen den Zwiespalt an, ihr Kind irgendwie doch zu erziehen und auf der anderen Seite die Zügel sehr lose zu lassen, weil sie wissen, dass erzieherische Maßnahmen nur ins Leere laufen können.
Das alles wird uns von der Autorin Ae-Ran Kim und aus dem Koreanischen in der deutschen Übersetzung von Sebastian Bring mit sehr klugen Sätzen und Gedanken näher gebracht. Da werden Situationen heraufbeschworen, alles nichts wildes zwar, die aber im Zusammenhang mit der Krankheit zu etwas Besonderem werden. Da wirkt nichts gekünstelt oder irgendwie eingebaut. Eher fügt sich alles organisch aneinander, jede Begebenheit, die erzählt wird. Und mit jeder Seite, mit jedem Satz drückt die Klammer um das eigene Herz immer mehr zu, bis man es kaum noch aushält und den Tränen nahe ist. Die letzten Seiten kann man es nicht mehr halten.

Ich kann euch dieses Buch nicht nur empfehlen, sondern werfe es euch mit voller Inbrunst ans Herz. Lest es, lasst euch mitnehmen auf eine traurige und trotzdem lebensbejahende Reise. Lasst euch verzaubern von einem jungen Alten, der im Herzen zwar jung ist, dessen Körper ihm aber ein langes Leben versagt, einem Jungen, der trotz allem nicht aufgibt, weitermacht, nicht aufhört zu träumen. Das alles steckt in diesem Buch, welches für mich schon jetzt ein absolutes Jahreshighlight darstellt. Danke an den Cass Verlag, dass ihr diese Perle aus dem Koreanischen gehoben habt und danke auch, dass ihr diesem Buch ein sehr ansprechendes Erscgeinungsbild verpasst habt. Die Bindung, der Schriftsatz, der Einband, einfach alles ist sehr edel gestaltet, liegt gut in der Hand und lässt sich sehr angenehm lesen.

Ae-Ran Kim

Mein pochendes Leben

Cass Verlag

Aus dem Koreanischen von Sebastian Being

320 Seiten, 24 Euro

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