»Ich stieß die Tür auf und ging unter in Lila«
Seit fünfeinhalb Jahren lebe ich in Frankfurt. Mittlerweile bewege ich mich zumeist in so gediegenen Gegenden wie dem Westend und dem Nordend, früher aber, in meinen Anfangszeiten als Frankfurterin, wohnte ich im Gallus. Und zwar so nah am Bahnhof, dass ich immer behauptete, im Bahnhofsviertel zu wohnen. Bis zur Niddastraße, die weiter östlich Teil des Rotlichtbezirks wird, waren es nur ein paar Schritte, auf dem Weg zur Tram kam ich am Drogennotdienst vorbei, und auf dem Bürgersteig lagen die Crackpfeifen. Wenn ich dann Richtung Mainufer abbog, gelangte ich zur Münchener Straße mit all ihren asiatischen und türkischen Läden, aber natürlich auch mit all den neu entstehenden Szenelokalen wie dem Plank, das damals dank eines Fotos von Jürgen Teller auf dem Cover des ZEITmagazins gerade ganz groß wurde.
Fünfeinhalb Jahre also – und in all der Zeit war mir Jakob Arjouni nur vom Hörensagen bekannt. Ausgerechnet Arjouni, dieser viel zu früh verstorbene Frankfurter Kultautor, der seine Romane an den nicht so schicken Orten dieser Stadt und dieses Landes ansiedelte, allen voran dem besagten Bahnhofsviertel. Dort tapert der deutsch-türkische Privatdetektiv Kemal Kayankaya, ebenso Kult wie sein Schöpfer, von einem Verbrechen zum nächsten, was mit allerlei Alkoholkonsum und freilich auch Gewalt einhergeht. Aus der hiesigen literarischen Landschaft sind Autor und Figur nicht mehr wegzudenken, und doch hätte ich die Lektüre womöglich noch ewig aufgeschoben, wenn nicht die Büchergilde den ersten der insgesamt fünf Kayankaya-Krimis nun in einer illustrierten Ausgabe herausgebracht hätte.
»Es war eine Menge los im Viertel. Ich ortete eine lila schimmernde Bar. Irgendwo musste ich anfangen. Millys Sexbar. Das a von der Bar flackerte unruhig. Vorhänge verdeckten die Sicht durchs Glas, auf dem ›Spaß bis 4 Uhr früh‹ zu lesen war.
Ich stieß die Tür auf und ging unter in Lila. Alles, Tapete, Tische, Stühle, Theke, Gläser, Teppich, Bilder, Kissen, Lampenschirme, selbst die Menschen leuchteten lila.«
In ebendiese Farbe hat Illustrator Philip Waechter nun auch die Geschichte getaucht, 32 Jahre nach der Erstveröffentlichung. Trotzdem kommt das Buch keineswegs grell daher, im Gegenteil, es ist oftmals ein dreckiges Lila, das ins Nachtgrau hineinreicht, die Zeichnungen sind von einem groben schwarzen Strich, nur hier und da ein Lichtpunkt, etwa die Silberprägung auf dem Einband. Selbst dem Papier wurde die Leuchtkraft genommen, anstelle des üblichen Weiß hat sich die Gestalterin Cosima Schneider für eine hellgraue Einfärbung entschieden. Das etwas unhandliche Format irgendwo zwischen herkömmlichem Hardcover und Bildband ist zwar gewöhnungsbedürftig, doch das Gesamtbild ist stimmig, eine ruppige und gleichzeitig geschmeidige Ausstattung, die dem Roman voll und ganz gerecht wird.
Kayankaya, der gerade in seinem trostlosen Büro mit einem kleinen Törtchen alleine seinen Geburtstag begehen will, wird von einer Türkin beauftragt, den Mord an ihrem Mann aufzudecken, und gerät bei seinen Ermittlungen, klar, in die umgemütlichsten Ecken und an die obskursten Gestalten des Bahnhofsviertels. Ein klassischer Hardboiled-Stoff über das Leben und Überleben am Rande der Gesellschaft, aber nicht von der bierernsten und brutalen Sorte. Happy Birthday, Türke! ist wahnsinnig schnell erzählt und wahnsinnig lustig noch dazu, dem saloppen Ton sei’s Dank, der – wiewohl natürlich eine Kunstsprache – einem den Eindruck vermittelt, man sei mitten im Geschehen, auf der Straße, an der Seite dieses heruntergekommenen, aber (zumindest im übertragenen Sinne) nicht auf die Schnauze gefallenen Detektivs. Ein schönes Vergnügen, inhaltlich wie visuell.
Jakob Arjouni: Happy birthday, Türke! Mit Illustrationen von Philip Waechter. Edition Büchergilde, Frankfurt 2017, 200 Seiten, 25,00 €.
Der Beitrag ist zuerst auf SchöneSeiten erschienen.