Mawil: Kinderland – die Hotlist 2014

Erst seit kurzem habe ich Comics für mich wieder entdeckt und auch gleich eine Punktlandung gemacht. Ein kleines Stück mawil-kinderlandKindheit hat mir Mawil ins Haus geschickt. Mit seinem aktuellen Comic Kinderland schaffte er es dieses Jahr auch auf die Hotlist der unabhängigen Verlage.

Schon auf der ersten Seite erwarten mich der Sandmann und ein Mosaikheft und spätestens als die Tamara Bunke EOS und die Koofi auftauchen, bin ich gefangen und wieder acht Jahre alt. Finde mich zurecht in Bildern, Vokabular und Verhaltensweisen. Mawil zeichnet jedoch kein idealisiertes oder verklärtes Ostbild, er berichtet aus den letzten Tagen der DDR. Mirco und Torsten, zwei Jungs, die nicht unterschiedlicher sein könnten, finden über Umwege zueinander und entwickeln eine richtige Freundschaft. Und die können sie auch gebrauchen, da beide eher Außenseiter sind. Mirkos Familie ist gläubig und sein Religionsunterricht muss er vor allen verheimlichen. Torstens Vater ist hingegen schon vor langer Zeit in den Westen abgehauen; zudem ist er kein Jungpionier. Zusammen wollen sie ein Tischtennistunier auf die Beine stellen, was schwieriger ist als angenommen. Das bedeutet rüpelhaften FDJlern aus dem Weg gehen, spießige Lehrer zu überzeugen und Streber aus der eigenen Klasse zuvorzukommen.

Mawil teilt aber auch aus: Da ist zum einem Angela Werkel, die Pionierführerin der Klasse 7a, der Klasse von Mirco und zum anderen die genialen Wutanfälle von Frau Kranz, der linientreuen Lehrerin, die heimlich den Spiegel liest.

Die Geschehnisse überschlagen sich plötzlich zum Ende hin, der Mauerfall naht und Mirco hat wegen einer gefälschten Unterschrift Hausarrest und kann somit nicht am Tischtennistunier teilnehmen. Die Freundschaft von Mirko und Torsten wird auf eine harte Probe gestellt und mit Torstens Verzweiflungstat verabschieden sich die beiden Jungs für immer von ihrem Kinderland.

Kinderland ist eine Entdeckung für die Bürger aus dem westlichen Deutschland und ein Erinnerungsfeuerwerk für alle, die wissen was „Nu, pogodi!“ bedeutet. Trotz aller Unterhaltung zeigt Mawil aber auch die damaligen Konflikte auf: die Situation der Kirche in der DDR, die Westflucht und deren Folgen und die Angst vor dem Geheimdienst.

Zu empfehlen ist auch Mawils eigene Website mit sehr interessanten making of Material und vielen Hintergrundinformationen zum Comic.

Mawil: Kinderland. REPRODUKT 2014, 292 Seiten, 29,00 €.

Die Rezension ist parallel auf glasperlenspiel13 erschienen.

hotlist_logoBisherige Rezensionen zur Hotlist 2014:
» Sarah Schmidt: Eine Tonne für Frau Scholz (Verbrecher Verlag)
» Emrah Serbes: junge verlierer (binooki)
» Lili Grün: Mädchenhimmel! (AvivA Verlag)
» Andri Pol: Menschen am CERN (Lars Müller Publishing)
» Günter Saalmann: Fiedlerin auf dem Dach (Eichenspinner Verlag)
» Emma Donoghue: Zarte Landung (Krug & Schadenberg)
» Carl Nixon: Settlers Creek (Weidle Verlag)

2 Kommentare zu „Mawil: Kinderland – die Hotlist 2014

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