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In der Top-Etage des Fernschachs (01)
von Walter Eigenmann
Der Computer veränderte und verändert noch immer bekanntlich alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens – und geradezu dramatisch dokumentierte sich diese Veränderung u.a. im Bereich der Unterhaltungsindustrie. Hier genauer gemeint: des Schachspiels.
Denn seit dem in den letzten Jahren die sog. Chess Engines (= die eigentlich rechnenden „Motoren“, eingebettet in diverse verfügbaren Schach-User-Interfaces GUI) eine derart hohe Spielstärke erreicht haben, dass jeder menschliche Grossmeister (der amtierende Weltmeister Magnus Carlsen inklusive) absolut chancenlos ist, hat das Schach seinen einstigen Nimbus des zauberhaften Königlichen Spiels, des unerschöpflichen Meeres an genialen Kombinationen und seiner vielhundertjährigen Kulturgeschichte für viele seiner Adepten verloren.
Legendäre Schachkombinationen entzaubert

Die buchstäblich unmenschliche Präzision und Tiefe des maschinellen Berechnens ist heutzutage nicht mehr dazu angetan, irgend einen Zauber des menschlichen Geistes zu beschwören, der auf (zwangsläufiges) Patzen in den Turniersälen (gestern und heute) oder auf jahrzehntelang hochgelobte Zugkommentare in Schachbüchern voller grober Fehler und Ungenauigkeiten basiert. Schätzungsweise 90% aller vor der letzten Jahrhundertwende geschriebenen Schachbücher dürften im Lichte des modernen Computerschachs betrachtet inzwischen Makulatur sein – Kult-Bücher einst legendärer Schach-Genies von Steinitz bis Karpow eingeschlossen. Die damals weltweit gefeierten Super-Kombinationen von Bobby-Fischer & Co. entpuppen sich heute unterm Mikroskop von Houdini & Co. als sekundenschnell gefundene Simplizitäten, wo sie nicht überhaupt gar unkorrekt sind. Dass dies der schachgeschichtlichen Leistung der damaligen Genies allerdings nichts anhaben kann, muss nicht extra betont werden. Trotzdem: Das Schachspiel mag nach wie vor (gemäss Goethe) „ein Prüfstein des Gehirns“ sein – aber nicht für Computer…
Das Fernschach als Labor des schachlichen Erkenntnisgewinns

Wenn also der (frühere wie heutige) menschliche Turnier-Schachbetrieb (ob online oder on-the-board) unergiebig geworden ist, wenn es darum geht, nach wirklich „tiefen“, nach besonders „schwierigen“ Kombinationen zu fahnden, so verhält es sich mit dem modernen Fernschach FS (Correspondence Chess CC) mittlerweile anders. Denn hier sind die Topspieler der internationalen FS-Szene längst dazu übergegangen, den Computer in ihre (oft tagelangen) Stellungsanalysen einzubeziehen.
Und die interaktive Verbindung von menschlichem „Planen“ bzw. Lenkung des „Mainstreams“ einer Schachpartie mit der ungeheuren Akkuratesse der heutigen Engines zeitigt inzwischen wirklich bewunderswerte Schachzüge, die nicht nur in ästhetischer Hinsicht faszinierend sind, sondern auch quasi schach-„erkenntnistheoretisch“ grossartige Leistungen darstellen, die das Fernschach ausweisen als regelrechtes Forschungslabor.

Die neue Reihe „Brilliant Correspondence Chess Moves“ BCCM will genau solche Fernschach-Kombinationen präsentieren, die zwar frappant, aber auch korrekt, zwar schwierig zu finden, aber nicht „unlösbar“ sind. Züge also, die vom menschlichen Meisterspieler erst nach langer Analyse aufspürbar sind – mithilfe des Computers… ♦
Das erste Exemplar der BCCM-Serie ist einem weitsichtigen Bauernopfer gewidmet, das in einer ICCF-Email-Partie 2004 zwischen Jose Barrios und Arild Haugen geschah. Barrios entdeckte den Damenzug also vor 13 Jahren – in einer Zeit, da die Schach-Engines zwar schon beachtliche Stärke hatten, aber noch längst nicht als die heutigen Überflieger dastanden, die inzwischen (fast) jede Schachaufgabe in Sekundenschnelle knacken…
Brilliant Correspondence Chess Moves BCCM – 01
FEN-String: 2r2rk1/pp1qnn1p/4p1pP/3pPp2/3P3Q/P2PBN2/5PP1/2R2RK1 w Ein Mausklick auf eine Stelle in der Partie-Notation öffnet ein neues Partie-Fenster; dort lassen sich die Züge nachspielen und die Partie als PGN-Datei downloaden. Um die Aufgaben selber schnell (mittels copy&paste) in ein Programm bzw. in ein Schach-Interface laden zu können, ist jeder Stellung auch der zugehörige FEN-String beigegeben. |
Dear Mr. Eigenmann. This planned collection of difficult correspondence chess positions is very welcome! If I remember correctly, there is no such thing so far!
However, it would be great if the stuff would become even more difficult… Stockfish and his friends crack this first puzzle in less than a minute…: – ((
Have a nice day, thank you very much!
S. Blair
Merci for the kind words, Mr Blair.
>Stockfish and his friends crack this first puzzle in less than a minute
Really? I think there are many top engines that don’t stand a chance in less than a minute… Have you tried Andscacs, Brainfish, Fizbo, Gull and others?
But you’re not totally wrong: The next positions will be even more difficult, promised ; -)
However: There aren’t so many puzzles left, which the engines won’t solve immediately.
The chess programmers are monsters, and there are less and less „Siegfrieds“ … ; -)
Greeting: Walter
schönes vorhaben von euch, hier zukünftig hotspots des fernschachs zu zeigen, gratuliere zur idee! ist ja eine der letzten domänen der menschen, wo er noch einen rest von einflussnahme hat… 🙁
weiter so, vielen dank!! Carsten B. (Bochum)
Na ja, zumindest diese 1. Aufgabe ist sooo „fulminant“ nun auch wieder nicht… Zumindest die absoluten Tops unter den Engines finden Df6 relativ bald. Ok, die 2. Engine-Reihe (Andscacs & Co) hat wohl Probleme. Und wenn man berücksichtigt, dass Barrios das vor 14 Jahren rausgekitzelt hat…
Bin gespannt auf die weiteren Puzzles! Grüsse aus Zürich: Sebastian K.