Heute vor … Jahren: Fatwa gegen Salman Rushdie

Orient versus Okzident? – Der Fall Salman Rushdie

von Walter Eigenmann

Am 14. März 1989 geht ein Schrei der Entrüstung und des Entsetzens durch die gesamte aufgeklärte Welt: Der Islam, fundamentalistisch personifiziert in dem Teheraner Imam Ruhollah Ibn Mustafa Musawi Chomeini, gibt den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie, einen der bedeutendsten Intellektuellen des Westens, buchstäblich zum Abschuss frei. Der Mullah Chomeini, seit seiner Rückkehr aus dem Pariser Exil (am 1. Februar 1979) Irans oberster religiöser wie politischer Führer und absolutistischer Theokrat mit faktisch uneingeschränkter Machtbefugnis, ruft in einer Fatwa die Moslems der ganzen Welt dazu auf, Rushdie zu ermorden. Denn dieser habe in seinem Buch „Die satanischen Verse“ Blasphemie wider den Propheten Mohammed betrieben. Chomeini: „Ich ersuche alle tapferen Muslime, ihn, gleich wo sie ihn finden, schnell zu töten, damit nie wieder jemand wagt, die Heiligen des Islam zu beleidigen. Jeder, der bei dem Versuch, Rushdie umzubringen, selbst ums Leben kommt, ist, so Gott will, ein Märtyrer.“ (Ulrich Encke: Ajatollah Chomeini 1989, Seite 172)

Kopfgeld-Prämie von 3 Millionen Dollar

Um ihrem Mord-Aufruf Nachdruck zu verleihen, setzen Ajatollah Chomeini und seine radikalen Theokraten eine Kopf-Prämie von drei Millionen US-Dollar aus. Das Blutgeld wird später sogar verdoppelt, die Fatwa nach dem Tode Chomeinis (am 3. Juni 1989) von den hohen Mullahs Chamenei und Rafsandjani ausdrücklich bekräftigt. Rushdie muss in den Untergrund abtauchen, vom britischen Geheimdienst unter Polizeischutz gestellt, er wechselt ständig den Wohnsitz, ununterbrochene Mord-Drohungen zwingen den Schriftsteller in die totale Isolation.

Gleichzeitig sind verschiedene Rushdie-Verleger Repressalien und Anschlägen ausgesetzt, sein dänischer Verleger entgeht nur knapp einem Attentat, und dem fundamentalistischen Islam-Fanatismus fallen schliesslich der italienische und der japanische Rushdie-Übersetzer zum Opfer, die in Mailand niedergestochen bzw. in Tokio ermordet werden. Zehn Jahre lang lebt der berühmte Autor der „Mitternachtskinder“ (1981) und von „Scham und Schande“ (1983) nun an streng geheimen Orten, 30 Mal wechselt er in dieser Zeit sein Versteck, und wo immer er sich (für kurze Augenblicke) zeigt, gilt die höchste Sicherheitsstufe – derweil ein Mann im britischen Fernsehen vor einem Millionen-Publikum öffentlich bekennt: „Ihn zu töten ist eine Ehre für mich, für jeden guten Moslem!“.

Fatwa-Mordruf gegen Rushdie bis heute nicht zurückgenommen

Salman Rushdie - Glarean Magazin
Salman Rushdie

Salman Rushdie findet sich indes mit diesem Leben nicht ab, er entschuldigt sich schon früh, erklärt gegenüber der Islamischen Glaubensgemeinschaft sein „Bedauern über die Besorgnis, die die Veröffentlichung aufrichtigen Anhängern des Islam bereitet hat“. Und bald nach der Verhängung der Fatwa regt sich weltweiter Widerstand gegen das Todes-Urteil, Prominente und bekannte Politiker (darunter auch US-Präsident Clinton) setzen sich für ihn ein, ebenso einhellig die grossen Schriftsteller- sowie andere starke Verbände.

„Redefreiheit ist das Leben!“

Heute ist der bedeutende, von zahlreichen Institutionen geehrte Vertreter des „Magischen Realismus“ wieder quasi auf freiem Fuss, und seine weltweit heiss „umkämpften“ und darum höchst erfolgreich verkauften „Satanischen Verse“ dürften ihn längst zum Millionär gemacht haben. Doch obwohl 1998 der eher liberale iranische Staatspräsident Chatami am Rande der UN-Vollversammlung erklärt, dass man den Fall Salman Rushdie offiziell als „völlig abgeschlossen“ betrachte, und dass überhaupt die iranische Regierung nie Mörder für die Beseitigung des Dichters gedungen habe, ist der Fatwa-Mordruf gegen Rushdie bis zum heutigen Tage nicht offiziell zurückgenommen worden. Vor einigen Monaten wurde Rushdie von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen; Islamisten drohen inzwischen erneut mit Anschlägen…
Solcher hasserfüllten, totalitär-ideologischen, den humanistischen Kern des Korans negierenden Barbarei hält der „realistische Phantast“ und grosse Islam-Kenner, aber auch erklärte Freidenker Salman Rushdie entgegen: „Redefreiheit ist das Entscheidende, um sie dreht sich alles. Redefreiheit ist das Leben.“ ♦

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