Kaffee, Zigarette, vielleicht auch noch eine weitere Zigarette, gibt es doch etwas Sonderbares zu erzählen, einen Bericht über die Sonnenseite des Hirns, irgendwie zumindest. Seraphe und ich – keine Ahnung, wer von uns beiden auf die wirre Idee kam – wollten einen Spaziergang machen, also stopften wir unsere Körper in leichte Kleidung, stiegen von der Trutzburg hinab, raus ins grellste Sonnenlicht. Es brannte wie in einem Schmelzofen, wir versuchten, den Blick des jeweils anderen zu erhaschen, einzig, es gelang uns nicht, weil die Augen bereits nach einigen Sekunden halbblind in eine Art glänzendes Nichts hinein starrten. Also nahmen wir uns an den Händen. „Noch da?“ „Ja, ja, fühlst doch meine Hand.“ Wir probten den Ausflug der Blinden. Wir stocherten uns mit den Füßen vorwärts, da kam bereits die erste Senke, eine Treppe, die wir hier an dieser Stelle eigentlich nicht vermutet hätten.
Ich muss an dieser Stelle kurz unterbrechen, um einen Schluck von meinem Kaffee zu nehmen. Ah, das tat gut. Wo war ich?
Ich war bei der Treppe, die sich hierher verirrt hatte. Wir waren sicher, hier gab es keine Treppe. Aber was sollten wir machen, also holten wir mit einem langen gemeinsamen Schritt aus, kamen einige Zentimeter tiefer unten an. Verschnauften. „Das nenne ich mal ein Abenteuer“, schrie Seraphe begeistert auf. Tja, man muss halt nur die schlimmsten Sommertage nutzen, dachte ich. Blind wie die Maulwürfe schoben wir uns gegenseitig voran, erreichten schließlich einen Laternenpfahl, den wir auch kannten. Ja, wir konnten uns tatsächlich an ihn erinnern. Wir hielten uns fest, drehten vergnügt unsere Runden. „Mir ist schon ganz schwindelig“, sagte Seraphe. „Ach, lass uns doch noch ein wenig laufen.“
Schließlich ließen wir los, auf ein verabredetes Zeichen, einem Hustenanfall Seraphes, den sie äußerst gekonnt zur Darstellung brachte.
Wir taumelten vom Mast …
Noch ein Schluck vom Kaffee kann ich mir einfach nicht verkneifen.
Wir taumelten vom Mast weg, in unseren Köpfen drehten sich die Bilder, da hatte jeder seine eigenen, bei mir handelte es sich um ein Standbild von meiner Tastatur. Das Ding, schwarz wie die Nacht, sauste durch meinen Kopf, wir fielen noch immer seitwärts, bis wir schließlich auf unseren Hintern landeten. Sehen konnten wir noch immer nichts. „Wir sollten wieder in die Wohnung“, sagte Seraphe. Ich nickte nur, aber das sah sie ja nicht. Aber wie sollten wir zurück kommen? Wir kannten ja nicht einmal unseren jetzigen Standort. Also begannen wir um Hilfe zu rufen, zwei Gestrandete, die mitten auf der Straße saßen, wie uns eine blinde Nachbarin erklärte, die uns schließlich zur Hilfe eilte und zu unserer Türe führte. Wir bedankten uns artig bei ihr, ließen sie noch rasch die Tür aufschließen, um uns dann in den schattigen Grund des Treppenhauses zu werfen. Ein Bad im Schatten. Endlich. Der Rest ist …
Zuvor noch ein letzter Blick in den Kaffeebecher.
Der Rest ist rasch erzählt, weil wir die Zeit für uns arbeiten ließen, wir warteten auf die Rückkehr unseres Augenlichtes, das sich nach und nach wieder einstellte. Zurück in der sichtbaren Welt, stiegen wir in unsere Trutzburg hinauf, nicht ohne nach dem Betreten kurz die Balkontür zu öffnen, damit der Wahn, der uns befallen hatte, seinen Rückzug nach draußen antreten konnte.
Seraphe liegt nun auf dem Sofa. Ich werde jetzt noch eine Zigarette rauchen und dann …